Auf die Bau- und Exportwirtschaft werden schwierigere Zeiten zukommen
16. Jun 2022, Finanzen

Europäische Konjunktur taumelt dem Abschwung entgegen

Das Konjunkturbild in Europa ist derzeit so diffus wie selten. Auf der einen Seite geht das Rezessionsgespenst um. Auf der anderen Seite boomt das Geschäft in einzelnen Dienstleistungssektoren so sehr, dass verzweifelt nach Mitarbeitern gesucht wird. Wo geht die Konjunkturreise in den nächsten Monaten hin?

Die Wirtschaft der Eurozone und der Schweiz sind ungeachtet der Belastungen durch die Omikron-Welle gut ins Jahr gestartet. Im laufenden und im kommenden Quartal dürfte der konjunkturelle Schwung sogar noch zulegen. Die weitgehende Aufhebung der Corona-Restriktionen hat auf den Konsum wie ein Befreiungsschlag gewirkt. Freizeitaktivitäten aller Art (unter anderem Auslandsreisen, Tagesausflüge, Restaurant- und Konzertbesuche) werden intensiv nachgeholt. Dieser Effekt ist eindeutig stärker als der Kaufkraftentzug durch die steigenden Energiepreise. Die meisten Konsumenten können dabei auf die in den vergangenen Jahren angehäuften Sparrücklagen zurückgreifen. Alles in allem ist der private Verbrauch massgeblicher Träger des Wachstums. Die Investitionen werden hingegen durch Lieferengpässe und ein schwaches Exportwachstum gebremst.

Ende 2022 wird sich indes das konjunkturelle Umfeld unserer Einschätzung nach eintrüben. Die pandemiebedingten Nachholeffekte ebben dann ab. Darüber hinaus wird sich die Verschlechterung der Finanzierungskonditionen, die nicht nur in immer höheren Zinssätzen, sondern auch in steigenden Risikoprämien zum Ausdruck kommt, zunehmend dämpfend bemerkbar machen. Ausserdem droht beim wichtigsten europäischen Handelspartner – den USA – ein scharfer Abschwung, sodass auch beim Export mit Rückschlägen zu rechnen ist. Schliesslich drückt das anziehende Lohnwachstum auf die Gewinnmargen der Unternehmen.

Das Abrutschen in eine Rezession halten wir zum jetzigen Zeitpunkt allerdings für unwahrscheinlich. Unter anderem dürfte in den nächsten Quartalen die nach wie vor expansiv ausgerichtete Fiskalpolitik stabilisierend wirken. Daneben sollte der Kaufkraftentzug durch steigende Energiepreise nachlassen. Wir gehen daher davon aus, dass die Wirtschaft der Eurozone auch 2023 noch mit rund 2% expandiert (nach gut 3% im Jahr 2022). Der Trend dürfte aber im Verlauf des kommenden Jahres immer klarer abwärtsgerichtet sein.

Richtet man den Blick auf die Schweizer Wirtschaft, sind unserer Auffassung nach die Jahre der Outperformance innerhalb Europas gezählt. Speziell auf die Bau- und Exportwirtschaft werden schwierigere Zeiten zukommen, da die steigenden Zinsen und das abnehmende Expansionstempo der Weltwirtschaft die Eidgenossenschaft überproportional treffen. Das BIP-Wachstum sollte daher 2023 unter 2% liegen (nach knapp 3% im Jahr 2022).




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