Besteuerung von Kryptowährung
17. Feb 2022, Recht & Steuern

Die Besteuerung von Kryptowährungen im Privatvermögen in Deutschland

Kryptowährungen (kurz: Cryptos) sind inzwischen etablierte Wertaufbewahrungsmittel sowie Zahlungsmittel und werden zur «Verbriefung» der Anlage in alle möglichen Assetklassen wie Eigenkapital in Unternehmen, Darlehen, Grundstücke, Kunst, Wein, sogar Edelsteine und Oldtimer oder Nutzungsrechte verwendet (sog. Tokenisierung).

Der Marktwert von Cryptos wie Bitcoin hat plausiblen Schätzungen zufolge das Volumen von 2 Billionen Euro erreicht. Zwar machen die bekannten Cryptos wie Bitcoin und Ethereum den Grossteil dieser Währungen aus, daneben gibt es indessen noch ca. 9'000 andere, grösstenteils exotische Cryptos und eine Vielzahl von mehr oder weniger seriösen Handelsplätzen, auf denen die Cryptos gehandelt und auf sog. Wallets gelagert werden können. Ein privater Austausch von Cryptos ist ebenso möglich wie die Aufbewahrung auf sog. Cold Wallets im Safe oder auf dem privaten Rechner zu Hause. Die Anzahl und das Volumen von Cryptos wachsen ständig, wie auch die Anzahl der Investoren. In diesem Beitrag wird nur die Besteuerung von Cryptos im Privatvermögen behandelt, die durch ein aktuelles BMF-Schreiben im Entwurf festgeschrieben werden soll.

1. Aufbau des BMF-Schreibens und Qualifizierung der Cryptos

Rund dreieinhalb Jahre, nachdem das Bundesministerium der Finanzen – BMF – in Berlin eine Verlautbarung zur Behandlung von Cryptos nach dem Umsatzsteuergesetz – UStG1 – herausgegeben hat, hat man sich in Berlin entschlossen, eine Verlautbarung im Entwurf zur ertragsteuerlichen Behandlung von Cryptos herauszugeben2, unter dem das BMF alle Blockchain-basierten Token versteht. In dem Schreiben werden nicht nur privat gehaltene oder gehandelte Cryptos, sondern auch gewerblich oder beruflich gehaltene Cryptos behandelt. Die Unsicherheit mit diesem weitgehend unregulierten Terrain wird dadurch deutlich, dass das BMF dem Schreiben eine Legende vorangestellt und darin Begriffe wie Mining, Staking, Token, Blockchain definiert hat.

Das BMF geht in seinem Entwurf-Schreiben schlicht davon aus, dass Cryptos nicht abnutzbare, immaterielle Wirtschaftsgüter wie Rechte, Vorteile, Know-how oder Fremdwährungen sind, die im Privatvermögen den sog. anderen Wirtschaftsgütern des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG entsprechen. Auch wenn diese Auffassung nicht völlig unumstritten ist, weil in der Praxis in Frage gestellt wird, ob es sich überhaupt um steuerpflichtige Wirtschaftsgüter handelt, muss man konzedieren, dass man die Wirtschaftsguteigenschaft kaum begründet in Zweifel ziehen kann (bejahend ebenso das FG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 20. Juni 2019, 13 V 13100/19, zurückhaltend dagegen FG Nürnberg v. 08. April 2020 – 3 V 1239/19). Jede Anschaffung oder Veräusserung von Cryptos ist ein Tauschgeschäft. Wenn und soweit zwischen Anschaffung und Veräusserung (Verkauf und Tausch) von Cryptos weniger als zwölf Monate liegen, sind die Veräusserungsgewinne nach Saldierung mit Veräusserungsverlusten aus Cryptos im Privatvermögen ab EUR 600 steuerpflichtig. Werden Cryptos länger als 12 Monate gehalten, können sie im Privatvermögen steuerfrei veräussert werden. Bei an unterschiedlichen Anschaffungsdaten erworbenen Cryptos kann der Steuerpflichtige wahlweise das steuergünstige Fifo-Vereinfachungsverfahren anwenden, nach dem fingiert wird, dass die zuerst erworbenen Cryptos pro Wallet zuerst verkauft werden, oder er kann aufgrund der eindeutigen Kennzeichnung aller Cryptos den Einzelnachweis für die Veräusserung führen.

2. Staking/Lending/ Liquidity Mining/ Yield Farming

Die steuerfreie Veräusserungsfrist verlängert sich nach Auffassung der Finanzverwaltung automatisch von 12 Monaten auf 10 Jahre, wenn mit den Cryptos Einkünfte in Gestalt des Lending, Staking, Liquidity Mining oder Yield Farming erzielt werden. Dies deshalb, weil diese Aktivitäten stets mit einem Entgelt verbunden sind, die Cryptos also zur Einkünfteerzielung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG eingesetzt werden. Hier kann man einwenden, dass bestimmte Staking-Aktivitäten selbst einen Tausch darstellen, der steuerfrei ist, wenn er nach Ablauf von 12 Monaten stattgefunden hat; der Rücktausch nach Ende des Staking ist u. U. ein eigener Anschaffungsvorgang. Auch werden nicht alle Crypto-Bestände gleichermassen infiziert. Insbesondere beim Mining besteht das Risiko, dass aufgrund des Einsatzes zahlreicher Rechner die Grenze zur Gewerblichkeit überschritten wird und die eingesetzten und gewonnenen Cryptos gar nicht steuerfrei veräussert werden können, weil sie Betriebsvermögen geworden sind. Aus Nachweisgründen sollte man die Staking- und Lending-Bestände und die spekulativ gehaltenen Bestände, mit denen nur ein Veräusserungsgewinn erzielt werden soll, streng voneinander trennen.

3. Verluste aus Cryptos

Die hohe Volatilität der Kurse, aber auch die Vielzahl der vorhandenen, z. T. überflüssigen Cryptos ohne Funktion führen fast zwangsläufig dazu, dass die meisten Crypto-Investoren nicht unerhebliche Verluste erleiden. Zwar können Crypto-Verluste und -Gewinne im selben Jahr u. U. auch mit anderen privaten Veräusserungsgeschäften verrechnet werden. Wenn danach ein Saldo verbleibt, ist dieser ein Jahr zurück oder unbegrenzt vorzutragen und kann mit anderen privaten Veräusserungsgewinnen verrechnet werden. Eine Verrechnung mit anderen Einkünften wie Gehaltseinkünften oder gewerblichen Tätigkeiten scheidet aber völlig aus. Vor diesem Hintergrund kann ein gewerblicher Crypto-Handel durchaus das Ziel sein, weil dann auch eine Verlustberücksichtigung bei anderen Einkünften in Betracht kommt.

4. Wegzug

Erfolgreiche Crypto-Investoren haben häufig durch Staking infizierte, erhebliche Crypto-Werte im Privatvermögen angesammelt und können es kaum erwarten, die Gewinne zu realisieren und in Euro oder Dollar umzuwandeln. Das können sie aber vor dem Ablauf von zehn Jahren mit Ansässigkeit in Deutschland nicht steuerfrei, weshalb ein Umzug ins niedrigbesteuerte Ausland wie der Schweiz interessant sein kann, wo solche Gewinne schon eher steuerfrei realisiert werden können. Das deutsche Aussensteuergesetz hat dem insofern eine Hürde in den Weg gestellt, als beim Umzug von Deutschen in DBA-Länder wie der Schweiz, aber auch Italien, Singapur etc., daneben auch Off-shore-Länder ohne DBA
wie Panama, Paraguay, Chile bestimmte Einkünfte nachlaufend in Deutschland für das Wegzugsjahr + 5 Jahre (z. B. Schweiz) oder + 10 Jahre (nicht DBA-Länder) besteuert werden (§ 2 AStG). Das trifft z. B. auf inländische oder sog. nicht-ausländische Einkünfte zu. Ausländische Einkünfte werden dagegen nicht in Deutschland nachversteuert. Völlig unklar ist, ob es sich bei Crypto-Erträgen um nicht-ausländische oder ausländische Einkünfte handelt, wenn sie im Privatvermögen gehalten werden. Man könnte sich begründet auf den Standpunkt stellen, dass es sich bei Cryptos als andere Wirtschaftsgüter um Rechte handelt, die dann nicht in Deutschland steuerpflichtig wären und steuerfrei verkauft werden könnten. Alternativ kann man in solchen Fällen durch strukturelle Massnahmen definitives Auslandsvermögen schaffen, weshalb zu Deutschland dann kein steuerlicher Nexus mehr bestünde.

5. Cryptos in der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Das deutsche Erbschaftsteuergesetz, welches sowohl bei unentgeltlichen Übertragungen von Todes wegen oder bei Schenkungen anzuwenden ist, verlangt im Grundsatz eine Bewertung auf einen Stichtag, der in § 9 ErbStG geregelt ist. § 12 ErbStG verweist – ausser in Sonderfällen – grundsätzlich auf den ersten Teil des Bewertungsgesetzes, also die §§ 1 bis 16 BewG. Als Bewertungseinheit ist u. E. auf den einzelnen Token abzustellen, der zum gemeinen Wert, also zum Verkehrswert des § 9 BewG zu bewerten ist, und nicht etwa auf das Underlying, bei einer Tokenisierung von Kunst, Grundstücken oder auch Wein. Fraglich ist, welcher Markt bei der Bewertung heranzuziehen ist. Zwischen den zentralen Märkten (wie Binance oder Coinbase) und dezentralen Märkten (wie Uniswap) bestehen erhebliche Preisdifferenzen, was der Grund ist, warum Arbitrageure im Augenblick so erfolgreich sind. Die Finanzverwaltung stellt für einkommensteuerliche Zwecke auf den Durchschnittskurs mehrerer Handelsplattformen ab. Fraglich ist im Zusammenhang von Cryptos im Betriebsvermögen vor allem, ob es sich um schädliches Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b ErbStG handelt oder um begünstigtes Vermögen, weil es eine Sachforderung insbesondere in Tokenisierungsfällen darstellt. Das deutsche Erbschaftsteuergesetz ist auch in Wegzugsfällen zu beachten, weil Deutsche beim Umzug ins Ausland stets einer nachlaufenden Besteuerung in Deutschland von 5 Jahren nach dem Wegzug in Deutschland steuerverhaftet bleiben.

6. Ausblick

Offensichtlich besteht bei der Besteuerung von Cryptos zudem ein erhebliches sog. strukturelles Vollzugsdefizit bei der Besteuerung, weil Cryptos anonym im Ausland getauscht oder privat gehandelt werden können (so auch das FG Baden- Württemberg, Urteil vom 2.3.2018, Az. 5 K 2508/17), ohne dass die Finanzverwaltung jemals davon erfahren dürfte. Tatsächlich kann sie nur theoretisch den Handel und die Transaktionen aufgrund von Milliarden Transaktionen täglich nachvollziehen, wozu es aber schon an den Ressourcen mangelt. Ein solches strukturelles Vollzugsdefizit hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem wegweisenden Beschluss vom 9. März 2004, 2 BvL 17/02 in einer ähnlichen Konstellation bei der Besteuerung von Wertpapieren in den Jahren 1998 und 1999 i.S. des § 23 Abs. 1 EStG a.F. als verfassungswidrig erkannt, weil steuerehrliche und steuerunehrliche Steuerpflichtige ungleich besteuert wurden. Das hatte letztlich zur Einführung der Abgeltungsteuer durch die Banken im Jahre 2009 geführt. Das BMF hat zumindest aus Geldwäschegründen mit der Kryptowertetransferverordnung im Entwurf vom 11.5.2021 versucht, dem Treiben mit Blick auf EU-Vorgaben Herr zu werden. In einer kürzlich abgehaltenen Anhörung zu dem aktuellen BMF-Schreiben hat sich ein Vertreter des BMF dahin geäussert, dass ein Vollzugsdefizit im Hinblick auf mögliche Auskunftsersuche an Plattformbetreiber nicht bestehe. Dieses Argument verfängt u.E. nicht, da ein nicht unerheblicher und zunehmender Teil von Transaktionen über dezentrale Exchanges abgebildet wird.

BMF vom 27. Februar 2018, Umsatzsteuerliche Behandlung von Bitcoin und anderen sog. virtuellen Währungen; EuGH-Urteil vom 22. Oktober 2015, C-264/14, Hedquist, BStBl. I 2018, 316. Danach ist der Handel mit Cryptos grundsätzlich mehrwertsteuerfrei.
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Einkommensteuer/2021-06-17-est-kryptowaehrungen.html




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