Gewerbegebiet Lunedelta in Bremerhaven an der Weser
30. Aug 2018, Standort | Maritimes Cluster

Nachhaltige Wirtschaft in Bremerhaven (2/2)

Das Lunedelta: ein visionäres Gewerbegebiet das sich optimal in die Natur einfügt und die Ressourcen der Umgebung nutzt.
Um das Wissen über Fisch als wertvolles Lebensmittel und die notwendige Nachhaltigkeit weiterzugeben, hat der Visionär Forner sogar eine eigene Akademie gegründet. Im langgestreckten Firmengebäude im Bremerhavener Fischereihafen lernen Teilnehmer aus Gastronomie und Handel in der Seafood Akademie bei Seminaren alles über Meeres- und Schalentiere, deren Herkunft, Fangmethoden und Fangquoten, Nachhaltigkeitssiegel und sogar die Zubereitung. «Wir kochen Muscheln, dünsten Fisch und haben sogar einen eigenen Räucherofen in der Küche gleich neben dem Unterrichtsraum», erzählt Ralf Forner stolz. Jedes Jahr gibt es rund 70 Veranstaltungen zu verschiedenen Themen. Bis zu 1200 Teilnehmer aus Deutschland und Nachbarländern kommen dafür jedes Jahr in den Bremerhavener Fischereihafen.
 
Aber Ralf Forner wäre nicht Ralf Forner, wenn er es dabei belassen würde. Aktuell hat er kurzerhand eine europaweit einzigartige Ausbildung ins Leben gerufen, die ihre Kreise sogar bis in die Schweiz zieht: den Fischsommelier. Bei der staatlich anerkannten Weiterbildung prägen die Teilnehmer ihre Fischkenntnisse so aus, dass sie praktisch eine Fischart im Dunkeln am Geruch erkennen können. 50 Stunden Unterricht, 1200 Seiten Lehrmaterial und drei Prüfungsteile gehören dazu. Der erste Kurs ist gerade erst abgeschlossen. 23 Prüflinge waren dabei und wurden auf der Messe fish international in Bremen geehrt.
Einer davon kommt geradewegs aus der Schweiz und ist der erste Fischsommelier seines Heimatlandes: Hanspeter Schläppi arbeitet bei Transgourmet Schweiz. Er koordiniert dort das Gesamtsortiment Seafood für den Grosshandel, verhandelt mit Lieferanten und kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit. Träger der staatlich anerkannten Weiterbildung zum Fisch-Sommelier sind Transgourmet Seafood, die Handelskammer Bremen-IHK für Bremen und Bremerhaven sowie die Fachzeitschrift «Fischmagazin».
Das Thema Nachhaltigkeit spielt bei der Ausbildung zum Fischsommelier ebenso eine grosse Rolle wie bei Transgourmet Seafood und Transgourmet Deutschland. Ralf Forner: «Wir haben uns zum Ziel gesetzt, zum nachhaltigsten Unternehmen in der Branche zu werden.» Er selbst geht schon mal mit gutem Beispiel voran. Gemeinsam mit verschiedenen Sponsoren setzt Forner seit einigen Jahren junge Aale in regionalen Flüssen aus, um die Bestände zu schützen und zu erhalten. Die bisherige Gesamtzahl spricht für sich: Es sind rund 850.000.
Das Lunedelta: ein visionäres Gewerbegebiet
Ein Teil dieser Jungaale wurde im Fluss Lune ausgesetzt, der inzwischen Teil eines ambitionierten Planes für ein nachhaltiges neues Gewerbegebiet ist: das Lunedelta. Die städtische Wirtschaftsförderungsgesellschaft BIS hat hier gemeinsam mit den Stadtplanern ein visionäres Konzept für die Gewerbeansiedlung der Zukunft entwickelt. Ausgangspunkt der Überlegungen ist das benachbarte Naturschutzgebiet «Luneplate», die Landschaftsstruktur am Wasser und die vorhandene Infrastruktur für erneuerbare Energien in Bremerhaven.
«Wir wollen ein Gewerbegebiet schaffen, das sich optimal in die Natur einfügt und die Ressourcen der Umgebung nutzt, anstatt wie ein Fremdkörper in die Landschaft gesetzt zu werden», sagt Nils Schnorrenberger, Geschäftsführer der BIS Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH (BIS). Dazu gehört die Einbindung der Umwelt und des Umfeldes. «Das Element Wasser spielt naturgemäss eine grosse Rolle in der Hafenstadt Bremerhaven. Wir nehmen alte Deichlinien bei der Gestaltung des Gewerbegebietes auf, fügen Grünflächen ein und vernässen die entstehenden Freiräume.» Das Ergebnis: Natürliche Regenrückhaltebecken, die als öffentlich zugängliche Wasserflächen für Freizeitaktivitäten genutzt werden können. Rad- und Fusswege verbinden das Areal mit dem Umland.
Gleichzeitig greifen die Planer für die Ansiedlung der Unternehmen auf eine klassisch gewachsene Küstenbauweise zurück: Es werden sogenannte «Warften» aufgeschüttet – erhöhte Erdflächen – auf denen die Betriebsgebäude stehen. Zusammen mit den Wasserfreiflächen und angelegten Grabensystemen entsteht so ein Gewerbegebiet mit hohem ökologischem Wert, das den Umweltgedanken des benachbarten, rund 1400 Hektar grossen Naturschutzgebietes Luneplate 1:1 aufnimmt.
«Unser Ziel ist ein gesunder Branchen-Mix, der sein Energiebedarf aus regenerativen Quellen bezieht, die vor Ort erzeugt werden: Windkraft, Geothermie, Photovoltaik», erklärt Nils Schnorrenberger. Weitere Punkte seien begrünte Dächer und Fassaden, eine natürliche Belüftung und Belichtung sowie eine sinnvolle Verschattung und die Ausrichtung der Gebäude für die grösste Energie-Ausbeute bei der Photovoltaik.
Soziale Aspekte wichtig bei Nachhaltigkeit
Als wichtigen Teil der Nachhaltigkeit sieht er auch den sozialen Aspekt. So gehören gemeinschaftlich genutzte Räume und Gebäude wie Kindertagesstätten, Kantinen oder Konferenzcenter ganz selbstverständlich zum Konzept des Gewerbegebietes. Eine solche Infrastruktur sei ein wichtiger Punkt für Ansiedlungsentscheidungen von Unternehmen und müsse deshalb frühzeitig bereitgestellt werden, so der Wirtschaftsförderer.
Wie der ewige Kreislauf von Ebbe  und Flut an der Küste sind auch die Kreisläufe im Gewerbegebiet Lunedelta angelegt. Das Regenwasser, Brauchwasser und Abwasser der Produktion wird in den biologischen Kreislauf zurückgeführt. Die Aufbereitung des Wassers erfolgt über Pflanzenkläranlagen, die gestalterisch in das Gewerbegebiet integriert sind. Dieser Kreislaufgedanke kann auch bei dem Bau der Gebäude umgesetzt werden. Die BIS plant, als Gebietsauftakt mit dem Bau eines Gewerbegründerzentrums ein Zeichen zu setzten: «Alle Materialen sollen so gewählt werden, dass sie wiederverwertet werden können. Beim Bau sollen Bio-Verbundstoffe verwendet werden. Alle Materialien können wieder voneinander gelöst und sortenrein aufbereitet werden. Das Gebäude wird also komplett recyclebar sein», erklärt Nils Schnorrenberger.
Insgesamt ist das geplante Areal an der Weser rund 150 Hektar gross. Gut 105 Hektar davon sind für die Vermarktung gedacht. Grünflächen, Wasserflächen, der öffentliche Park sowie Fuss- und Radwege nehmen rund 45 Hektar des nachhaltigen Gewerbegebietes ein. Nils Schnorrenberger: «Wirtschaftliche Nutzung und Natur schliessen sich nicht aus, sondern ergänzen sich. Das werden wir mit dem Gewerbegebiet Lunedelta zeigen.»
 



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