Grenzüberschreitendes Erbrecht hat seine Tücken
12. Feb 2019, Recht & Steuern

Tücken im Schweizer Erbrecht – Auch für deutsche Staatsangehörige (2/2)

Durch den im Berufs- und auch im Privatleben immer stärker werdenden internationalen Bezug werden auch Erbfälle stetig komplexer. Hier finden Sie den zweiten Teil des Beitrages.

Die erbrechtliche Behandlung des Unternehmens
 
Da in unserem Beispiel der Schreinereibetrieb den Grossteil des Nachlasses ausmacht, zeigen wir in der Folge drei wichtige erbrechtliche Besonderheiten (oder manchmal eben auch Stolpersteine) auf, die in solchen Fällen zu beachten sind.
 
1) Güterrechtliche Auseinandersetzung:
Die beiden Ehegatten unterstehen dem ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Somit wird das gesamte von den beiden Ehepartnern A und B während der Ehe erwirtschaftete Vermögen (der sogenannte «Vorschlag»), beim Todesfall des einen Ehepartners hälftig geteilt. Die eine Hälfte verbleibt dem überlebenden Ehegatten aus Güterrecht, die andere Hälfte fällt in den Nachlass des Verstorbenen.
 
a) Die Schreinerei wurde während der Ehe aufgebaut. Sie befindet sich damit im Vorschlag, an dem die Ehefrau A einen güterrechtlichen Anspruch auf die Hälfte hat. Falls neben dem Unternehmen nicht viele andere Aktiven vorhanden sind, kann dies zu einem Problem führen: Die Ehefrau kann zwar das Unternehmen übernehmen, muss aber 50 % des Unternehmenswertes in den Nachlass von B einwerfen, welcher dann unter den gesetzlichen Erben von B aufgeteilt wird. Von diesen 50% fallen – da B kein Testament verfasst hat – erbrechtlich 50 % an die Ehefrau A und je 25 % an die beiden Kinder C und D. Letztlich erhält damit die überlebende Ehefrau 75 % des Unternehmens, muss aber die beiden Kinder mit je 12.5 % seines Wertes erbrechtlich abfinden.
 
b) Die Schreinerei wurde von B in die Ehe eingebracht. In diesem Fall befindet sich das Unternehmen nicht im ehelichen Vermögen, sondern im Eigengut von B. Das Unternehmen ist güterrechtlich unbeachtlich, fällt als Ganzes in den Nachlass von B und wird dort im Verhältnis 50 % (A) und je 25 % (C und D) geteilt. Können sich die drei Erben nicht einigen über die Zuteilung, muss das Unternehmen verkauft werden. Eine Besonderheit gibt es auch in Bezug auf die während der Ehe mit dem Unternehmen erwirtschafteten Erträge. Diese sind letztlich Bestandteil des Vorschlags. Das ist vor allem dann von Bedeutung, wenn sich der Ehemann als Geschäftsführer – wie es oft bei mittelständischen Betrieben der Fall ist – während der Ehe kein branchenübliches Salär ausbezahlt hat, sondern das Geld im Unternehmen stehen liess. Hier hat das eheliche Vermögen einen rechtlich zwingenden Nachforderungs-Anspruch gegenüber dem Nachlass von B auf seinen Unternehmerlohn. Diese Forderung ist Bestandteil des Vorschlages, an dem die Ehefrau A güterrechtlich mit 50 % partizipiert. Dies kann zu grossen finanziellen und Nachfolge-Problemen führen. Mit einem rechtzeitig abgeschlossenen Ehevertrag können solche Friktionen aber vermieden werden.
 
2) Pflichtteilsschutz
Die Schweiz hat im Vergleich zum Ausland einen hohen Pflichtteilsschutz der Erben (in unserem Beispiel hat die Ehefrau A einen Pflichtteilsanspruch von 25 % (1/4) und die beiden Kinder je von 18.75 % (3/16) des Nachlasses). Als sogenannte «verfügbare Quote» bleiben dem Erblasser noch 37.5 % (3/8) seines Nachlasses, über die er – allerdings nur im Rahmen eines Testamentes oder Erbvertrags – frei disponieren kann.2 Der Pflichtteilsschutz ist zwingendes Recht. Er ist absolut und ganzheitlich – auch Stundungen oder Ratenzahlungen sind gegen den Willen der Pflichtteilsberechtigten nicht möglich.
Deshalb ist oft – selbst im Fall eines Testamentes – die vererbbare Quote zu klein, um einem Erben das Unternehmen als Ganzes übertragen zu können. Unter widrigen Umständen, vor allem wenn die Erben miteinander im Streit liegen, kann es deshalb zu einem ungewollten Verkauf des Unternehmens kommen, da der Nachlass sonst nicht ausreicht, um die übrigen Erben mit anderen Vermögenswerten abfinden zu können.
 
3) Anrechnungswert des Unternehmens
Ein Problem kann auch dann entstehen, wenn B die Schreinerei vor seinem Tod seinem Sohn C als Nachfolger im Sinne eines Erbvorbezuges übergeben hat. Ohne gegenteilige Anordnung des Erblassers sind die Nachkommen im Schweizer Erbrecht dafür untereinander ausgleichungspflichtig. Massgebend ist zudem der Wert des Vorbezuges im Todeszeitpunkt des Erblassers. Bei Nachfolgeregelungen zu Lebzeiten sind Wertveränderungen des Unternehmens deshalb zu berücksichtigen. Dieser Wert kann in der Zeit zwischen Übertragung (B hat z. B. C das Unternehmen im Jahr 2015 zugewendet und es hatte damals einen Wert von CHF 2 Mio.) und Tod von B (sein Wert beträgt heute CHF 3 Mio.) stark variieren. Sohn C muss sich bei der Teilung des Nachlasses den vollen Verkehrswert des Unternehmens im Todeszeitpunkt von B (somit CHF 3 Mio.) als Erbvorbezug anrechnen lassen, was mit den anderen Erben zum Streit führen kann. Nicht nur diese wichtigen, sondern noch zahlreiche weitere kritische Hürden sind bei internationalen Erbfällen zu beachten, vor allem wenn sich ein Unternehmen im Nachlass befindet oder eine «Patchwork»-Familiensituation besteht. Die meisten dieser Stolpersteine lassen sich aber durch einen Ehe- oder Erbvertrag, ein Testament, oder auch ein entsprechendes Darlehen regeln. Die stets komplexer werdenden Umstände empfehlen allerdings eine frühzeitige professionelle Aufklärung und Beratung, um im (u.U. unvermuteten) Todesfall Probleme für die und unter den Erben vermeiden zu können.
 
2 Der Bundesrat hat am 29. August 2018 die Botschaft zur Revision des Erbrechts verabschiedet. Das Erbrecht soll an die geänderte demographische, gesellschaftliche und familiäre Lebensrealität angepasst werden. Unter anderem soll der Erblasser mehr Gestaltungsspielraum erhalten und folglich sollen auch die Pflichtteile sinken



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