Die Haftung der Geschäftsführung unter Schweizer Recht (1/2)
20. Nov 2017, Recht & Steuern | Haftung

Die Haftung der Geschäftsführung unter Schweizer Recht (1/2)

Die Verantwortlichen in Unternehmen müssen Entscheidungen treffen, welche mit Risiken für das Unternehmen verbunden sind. Diese Entscheidungen sollen den unternehmerischen Erfolg sicherstellen.

Dennoch besteht immer das Risiko, dass sich eine Erwartung oder Einschätzung als unzutreffend herausstellt und dem Unternehmen somit ein Schaden entsteht. Die Verantwortlichen, seien diese Verwaltungsräte, Geschäftsleitung oder Geschäftsführer, können sich in solchen Fällen schnell persönlich auf der Anklagebank allfälliger Haftungs- oder Strafprozesse wiederfinden.

Zivilrechtliche Haftung

Die zivilrechtliche Haftung von allen mit der Geschäftsführung betrauten Personen ist in Art. 754 des Obligationenrechts geregelt. Die Voraussetzungen für eine persönliche Haftung werden nachfolgend erläutert.

Als mit der Geschäftsführung betraut gelten der Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft und der Geschäftsführer einer GmbH (formelle Organe). Dazugehörig sind auch alle Personen, denen Geschäftsführungsaufgaben gültig – durch Statuten oder Organisationsreglement – delegiert wurden (materielle Organe). Zusätzlich gelten neben den ausdrücklich ernannten Entscheidungsorganen natürliche oder juristische Personen als mit der Geschäftsführung betraut, die den Organen vorbehaltene Entscheide treffen oder die eigentliche Geschäftsführung besorgen.Sie bestimmen die Willensbildung der Gesellschaft massgebend mit (sogenannte faktische Organe). Eine Haftung gegenüber der Gesellschaft kann sich im Übrigen auch aus dem Arbeitsverhältnis ergeben. Wobei aber die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht in der Regel weiter geht als die arbeitsvertragliche Treuepflicht.

Schadensermittlung durch Differenztheorie

Die Voraussetzung für eine allfällige Haftpflicht richtet sich prinzipiell nach den allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechts. Eine mit der Geschäftsführung betraute Person muss sich schuldhaft pflichtwidrig verhalten haben, wodurch der Gesellschaft, einem Aktionär oder einem Gläubiger adäquat kausal ein Schaden entstanden ist.

Der Schaden – zum Beispiel im Vermögen der Gesellschaft – wird nach der sogenannten Differenztheorie ermittelt. Der Schaden wird bemessen als Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte. Dieser Schaden muss durch das Verhalten der geschäftsführenden Person verursacht sein. Genauer ausgeführt heisst dies, dass das Verhalten nicht weggedacht werden kann, ohne dass dadurch nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ebenfalls der Schaden entfallen würde.

Pflichtwidriges Verhalten

Ein pflichtwidriges Verhalten zeichnet sich durch einen Verstoss gegen die durch Gesetz oder Statuten auferlegten Pflichten aus. Als Grundregel gilt eine Kompetenzvermutung zu Gunsten des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft bzw. des Geschäftsführers einer GmbH. Diese sind für alle Belange der Gesellschaft verantwortlich, die nicht der General- bzw. Gesellschaftsversammlung zugewiesen sind. Somit stehen insbesondere die Leitung der Gesellschaft, die organisatorische Ausgestaltung sowie die Ausgestaltung des Rechnungswesens inklusive Planung im Zentrum der Aufgaben.

Falls Geschäfte delegiert und weitere Personen mit der Geschäftsführung betraut werden, üben die Verwaltungsräte oder die Geschäftsführer die Oberaufsicht über diese Personen aus. Als eine der wichtigsten Pflichten muss zusätzlich im Fall einer Überschuldung der Gesellschaft der Richter benachrichtigt und die Bilanz hinterlegt werden. Dies bedeutet nun nicht, dass alle Geschäfte pflichtwidrig und «verboten» sind, welche mit Risiko behaftet sein könnten. Wichtig ist nur, dass die Geschäfte sorgfältig geführt werden. Für die Sorgfalt, die bei der Führung der Gesellschaft aufgewendet werden muss, gilt ein objektiver Massstab. Wobei ein Verhalten erwartet wird, das vernünftigerweise von einer abstrakt vorgestellten, ordnungsgemäss handelnden Person in einer vergleichbaren Situation erwartet werden kann.

Die Business Judgement Rule

Bei der Frage, ob mit einem unternehmerischen Entscheid eine Pflichtverletzung begangen wurde, wird gemäss Schweizerischer Rechtsprechung nach der «Business Judgement Rule» überprüft.

Die Gerichte müssen bei der nachträglichen Beurteilung von Geschäftsentscheiden, die in einem einwandfreien, auf einer angemessenen Informationsbasis beruhenden und von Interessenkonflikten freien Entscheidprozess zustande gekommen sind, Zurückhaltung üben. In inhaltlicher Hinsicht müssen die Gerichte nur beurteilen, ob der Entscheid als vertretbar erscheint.

Zusätzlich muss die Pflichtverletzung schuldhaft begangen worden sein. Dies ist dann gegeben, wenn die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde oder unterlassen wurde. Auch hier wird ein objektiver Massstab an das Verschulden angesetzt. Das bedeutet: Ein Verschulden ist immer dann gegeben, wenn eine ordnungsgemäss handelnde Person in einer vergleichbaren Situation anders gehandelt hätte.




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