Schweizer Steuerlandschaft im Wandel – Teil 2
1. Mär 2016, Recht & Steuern | USR III

Schweizer Steuerlandschaft im Wandel – Teil 2

Die Thematik «Funktionsverlagerung ins Ausland» sorgt im Verhältnis Deutschland-Schweiz seit Jahren für Diskussionen.

Funktionsverlagerung ins Ausland – in Deutschland und in der Schweiz

Mit einer entsprechenden Gesetzesänderung des Aussensteuergesetzes (AStG) und dem Erlass der Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) hatte der deutsche Gesetzgeber bereits 2008 auf die stetige Abwanderung deutscher Unternehmen reagiert. So wurde die grenzüberschreitende Funktionsverlagerung einer umfangreichen Exit-Besteuerung unterworfen.

Entsprechend dem im Rahmen der USR III vorgeschlagenem Entwurf des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (Art. 61 b DBG), sollen nun in der Schweiz «bei Verlegung von Funktionen in einen ausländischen Geschäftsbetrieb oder in eine ausländische Betriebsstätte» stille Reserven aufgedeckt werden. Die ursprüngliche Regelung zur steuersystematischen Realisation von stillen Reserven formuliert, dass «der Liquidation die Verlegung des Sitzes, der Verwaltung, eines Geschäftsbetriebes oder einer Betriebsstätte ins Ausland gleichgestellt ist». Fragwürdig bleibt, ob die vorgesehene Neuregelung eine Ausweitung oder sogar eine Verschärfung des bisherigen Tatbestandes bewirkt oder diesen lediglich präzisiert.

Begriff der Funktion – eine Abgrenzung

Bislang ist der Begriff der «Funktion» im Schweizer Steuerrecht nicht definiert. Die Schweizerische Botschaft zur USR III erwähnt zum Begriff der Funktion lediglich beispielhaft «Verkaufstätigkeiten, Dienstleistungen usw.». In der deutschen Funktionsverlagerungstheorie wird die «Funktion» sehr weit wie folgt definiert: «eine Funktion ist die Zusammenfassung betrieblicher Aufgaben, der Wirtschaftsgüter, die zur Erfüllung notwendig sind, sowie der mit beiden zusammenhängenden Chancen und Risiken zu einem organischen Unternehmensteil. Dieser Unternehmensteil bildet eine abgrenzbare, selbständige Einheit. Diese ist im Kontext eines aufnehmenden Unternehmens potentiell lebensfähig und in der Lage, nachhaltige Zahlungsmittelströme zu generieren».

Unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs, der Analyse bestehender Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung und der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien sowie der betriebswirtschaftlichen Literatur lässt sich ableiten, dass im Rahmen des internationalen Steuerrechts der Begriff der Funktion grundsätzlich alle wertschöpfenden Aufgaben eines Unternehmens umfasst – welche organisatorisch in irgendwelcher Weise zusammengefasst sind und die sich zusammen mit Vermögenswerten, Geschäftschancen und -risiken als selbständiger Unternehmensteil manifestieren.

Somit deckt der Begriff ganze Geschäftsbereiche, Teilbetriebe oder auch nur einzelne, selbständig überlebensfähige Betriebsteile mit den dazugehörigen betrieblich genutzten Vermögenswerten ab. Eine singuläre Aufgabe oder Arbeitsstelle vermag in diesem Zusammenhang nicht als Funktion zu qualifizieren.

Fazit

Dem Begriff der «Funktion» kommt unseres Erachtens keine eigenständige Bedeutung zu. Er dient lediglich als Sammelbegriff für bereits bekannte Sachverhalte. Die vorgesehene Regelung ist deckungsgleich mit dem bisher in der Schweizerischen Steuerpraxis angewandten Liquidationstatbestand der Verlegung des Geschäftsbetriebes oder einer Betriebsstätte ins Ausland. In diesem Zusammenhang ist demnach wichtig, dass stille Reserven – oder ein selbst geschaffener Geschäftswert beziehungsweise Firmenwert – nur bestehen und besteuert werden können, sofern sie einem materiellen oder immateriellen Firmenwert zuweisbar sind.

Daher stellt eine einzelne Arbeitsstelle für sich alleine – wie zum Beispiel CFO, Head of Marketing oder Produktionsmitarbeiter – keine entschädigungspflichtige Funktion im Sinne des Gesetzesvorschlags dar. Erst im Verbund mit materiellen und immateriellen Vermögenswerten, Geschäftschancen sowie -risiken kann eine Entschädigungspflicht entstehen und folglich die stillen Reserven sowie der Goodwill besteuert werden.

Werden wertbestimmende Tätigkeiten der Wertschöpfungskette verlagert – wie zum Beispiel Produktion, Vertrieb, Beschaffung oder F&E –, muss immer analysiert werden, ob damit zusammenhängende materielle und immaterielle Vermögenswerte übertragen werden (inklusive überdurchschnittliche Geschäftschancen und Vertragsanpassungen oder -auflösungen). Im Vergleich zu den sehr weitreichenden deutschen Regelungen mit Bezug auf Funktionsverlagerungen hat die Schweizerische Regelung damit eine sehr eingeschränkte Wirkung.

Ausblick

Die F&E-Förderung wird längerfristig positive Wirkung zeigen. Denn mit dieser Massnahme wird für die Schweizer Volkswirtschaft unter dem Strich ein Nettovorteil verbleiben. Hohe Innovationsneigung führt zu:

  • mehr Arbeitsplätzen
  • höheren Produktionsniveaus 
  • höheren Pro-Kopf-Einkommen

Für ausländische Investoren bietet sich neben sonstigen Vorteilen – wie Zusammenarbeitsmöglichkeit mit Universitäten oder Zugang zu gut ausgebildetem Personal – bestenfalls ein Steueranreiz, F&E-Tätigkeiten in der Schweiz zu betreiben. Im Hinblick auf Funktionsverlagerungen von der Schweiz ins Ausland ist keine Verschärfung der Steuerpraxis in der Schweiz zu befürchten.

Die beschriebenen steuerlichen Regelungen befinden sich jedoch momentan noch in parlamentarischer Beratung und treten auf Bundesebene frühestens zum 1.1.2017 und auf Kantonsebene frühestens am 1.1.2019 (2-jährige Übergangsfrist) in Betracht. Daher darf mit Spannung erwartet werden, ob die oben aufgezeigten Gesetzesvorhaben in diesem Prozess unverändert bestehen bleiben.

>> zum ersten Teil der Artikelreihe: Schweizer Steuerlandschaft im Wandel – Teil 1

(Bildquelle: © mbbirdy/iStockphoto)




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