Quellensteuern
2. Mär 2021, Recht & Steuern | Quellenstuern

Praxishinweise zur Entlastung vom deutschen Quellensteuerabzug bei Dividenden und Lizenzen

In der Schweiz ansässige Unternehmen, die Dividenden oder Lizenzen aus deutschen Quellen beziehen, unterliegen der deutschen Quellensteuerpflicht. Nach dem DBA hat Deutschland für diese Einkünfte aber nur ein eingeschränktes Quellenbesteuerungsrecht.

Die Durchsetzung der damit verbundenen Quellensteuerentlastung beim Bundeszentralamt für Steuern bereitet in der Praxis aber insbesondere bei substanzlosen Unternehmen, wie Holdinggesellschaften, grosse Probleme. Grund hierfür ist die Anti-Treaty-Shopping-Regelung des § 50d Abs. 3 EStG, die eine missbräuchliche Nutzung des DBA-Nullsteuersatzes für Unternehmen vermeiden soll. In der Praxis führt diese Missbrauchsvermeidungsregelung aber auch bei wirtschaftlich gerechtfertigten Schweizer Holdingstrukturen zu einer Versagung der Quellensteuerentlastung. Aufgrund der jüngsten Finanzgerichtsrechtsprechung besteht aber die Hoffnung, dass über die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit die Quellensteuerentlastung zumindest bei Dividenden durchgesetzt werden kann

Deutsche Quellensteuer bei beschränkter Steuerpflicht

§ 50a EStG sieht für Unternehmen ohne Sitz oder Geschäftsleitung in Deutschland (D) folgende Quellensteuerabzüge vor:1

  • Dividenden: 26,375 %,
  • Lizenzen und künstlerische, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen: 15,83 % sowie
  • Zinsen: typischerweise 0 %, bei Bezug über Banken 26,375 %.

Bemessungsgrundlage für den Quellensteuerabzug sind die Einnahmen. Ein Abzug von wirtschaftlich in Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben ist nur bei Ansässigkeit des Unternehmens in der EU (und damit nicht für Schweizer Unternehmen) möglich. Der Steuerabzug erfolgt ungeachtet von DBA-Vergünstigungen, es sei denn, es liegt zum Auszahlungszeitpunkt eine Freistellungsbescheinigung des Vergütungsgläubigers vor.

Zulässige Quellensteuersätze nach dem DBA

Nach dem DBA ist ein Quellensteuerabzug nur bei Dividenden an natürliche Personen in Höhe von 15% zulässig, während Dividenden an Kapitalgesellschaften keiner Quellensteuerbelastung unterliegen, sofern die Beteiligung mindestens 10 % beträgt und während des ganzen Jahres bestanden hat.2 Bei Lizenzen ist generell kein Quellensteuereinbehalt zulässig. Voraussetzung ist jeweils die abkommensrechtliche Ansässigkeit des Vergütungsgläubigers im jeweiligen Staat.

Vermeidung des Quellensteuerabzugs durch Antrag auf Freistellung oder Erstattung nach dem DBA

Zur Vermeidung des Quellensteuerabzugs kann der Vergütungsgläubiger beim BZSt3 eine Freistellungsbescheinigung beantragen, wobei die Antragstellung über die Schweizer Steuerbehörden erfolgen muss, welche die Schweizer Ansässigkeit bestätigen. Das BZSt hat innerhalb von drei Monaten über den Antrag zu entscheiden, wobei die Frist erst nach Vorlage aller erforderlicher Nachweise beginnt. Aufgrund der Prüfung der Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG (s.u.) kann die Bearbeitungsdauer aber mehr als sechs Monate betragen.4

Die Freistellungsbescheinigung wird für eine Dauer von drei Jahren mit Wirkung ab Antragseingang erteilt und berechtigt den Vergütungsgläubiger, den Steuerabzug zu unterlassen. Eine rechtskräftige Entscheidung erfolgt aber ggf. erst im Rahmen einer Aussenprüfung mit einem Freistellungsbescheid.

Nach Erteilung der Freistellungsbescheinigung können Steuerabzüge, die vor deren Gültigkeit gezahlt wurden, innerhalb von 12 Monaten vereinfacht mit einem formlosen Antrag zurückgefordert werden. Für nach Antragstellung erfolgte Steuerabzüge kann die Steueranmeldung berichtigt werden.

Mangels Freistellungsbescheinigung einbehaltene Quellensteuern können bis zum Ende des vierten Jahres nach dem Bezug der Vergütung beim BZSt unter Beifügung der Steuerbescheinigung des Vergütungsschuldners zurückgefordert werden. Die Antragstellung erfolgt ebenfalls über die Schweizer Steuerbehörden und kann mit einem Antrag auf Freistellung für zukünftige Vergütungen verbunden werden.

Beschränkung der Erstattung aufgrund der Missbrauchsvermeidungsregelung des § 50d Abs. 3 EStG

Die missbräuchliche Inanspruchnahme des DBA-Nullsteuersatzes durch in anderen Staaten ansässige Personen, insbesondere über Briefkastengesellschaften (sog. «Treaty Shopping»), hat ab 2007 zu einer Verschärfung der Missbrauchsvermeidungsregelung des § 50d Abs. 3 EStG geführt. Hiervon sind insbesondere funktionsschwache Schweizer Holdinggesellschaften ohne operative Geschäftsleitungsfunktionen betroffen, bei denen das bis einschl. 2019 anwendbare Holdingprivileg in Anspruch genommen wurde.5

Liegen die Voraussetzungen für die Quellensteuerentlastung nach DBA vor, kann diese aufgrund von § 50d Abs. 3 EStG eingeschränkt oder gänzlich versagt werden, sofern

  • an der Schweizer Gesellschaft nicht begünstigte Personen beteiligt sind,
  • die Gesellschaft nicht wirtschaftlich tätig ist und
  • für die «Zwischenschaltung» wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder die ausländische Gesellschaft nicht mit einem angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.6
Die Prüfung der Anwendung dieser Kriterien erfolgt über einen Fragebogen mit umfangreichen Nachweisen u.a. zur Substanz der Schweizer Gesellschaft wie Mietverträge oder Angaben zu Mitarbeitern.7 In der Praxis wird mangels ausreichender Nachweise insbesondere bei Dividenden an Schweizer Holdinggesellschaften häufig die Anwendung des Nullsteuersatzes versagt.

Beispiel: Eine funktionsschwache Schweizer Holding ohne geschäftsleitende Funktionen, deren Gesellschafter in der Schweiz, Deutschland und Hongkong ansässige natürliche Personen sind, bezieht Dividenden von der deutschen Tochtergesellschaft. Aufgrund von § 50d Abs. 3 EStG ist für die Schweizer Gesellschafter nur eine Entlastung auf den für natürliche Personen geltenden Quellensteuersatz von 15 %8 möglich. Für den Hongkong-Gesellschafter ist mangels DBA mit Deutschland keine Entlastung möglich, womit es bei der 25 %-Belastung verbleibt. Dies gilt in gleicher Weise für den in Deutschland ansässigen Gesellschafter.9
 
Abwandlung: Bezieht die Schweizer Holding Lizenzen, so wird den Schweizer Gesellschaftern der – auch für natürliche Personen geltende – Nullsteuersatz10 gewährt, während es für die übrigen Gesellschafter bei der 25%-Belastung verbleibt.
Steueranrechnung in der Schweiz zur Vermeidung der Doppelbesteuerung?

Hinsichtlich der im Beispiel mit Dividenden verbleibenden Quellensteuerbelastung von 15% für den Schweizer Gesellschafter stellt sich die Frage, ob diese zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung in der Schweiz anrechenbar ist. Gemäss Auskunft der EStV ist dies leider nicht möglich, weil nicht der Schweizer Gesellschafter, sondern die Schweizer Holding die Dividende bezieht.11 Der gem. Art. 24 Abs. 2 c des DBA mögliche Abzug der Quellensteuer von der Dividende bei der Holding führt allenfalls zu einer geringen Beseitigung der Doppelbesteuerung. Die verbleibende Doppelbesteuerung kann nur durch die Berufung auf die Kapitalverkehrsfreiheit (s.u.) vermieden werden, während die Einleitung eines Verständigungsverfahrens ausscheidet.12

Unionsrechtswidrigkeit des § 50d Abs. 3 EStG

Der EuGH hat am 20.12.201713 und 14.06.201814 entschieden, dass sowohl die Alt- als auch die aktuelle Regelung des § 50d Abs. 3 EStG unionsrechtswidrig ist, und begründet den Verstoss gegen die Niederlassungsfreiheit bzw. Mutter-Tochter-Richtlinie damit, dass die Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft keinen Missbrauch darstellt und zudem keine Möglichkeit eines entlastenden Gegenbeweises besteht.15 Auf Basis dieser Rechtsprechung hat das FG Köln jüngst ohne Zulassung der Revision entschieden, dass § 50d Abs. 3 EStG in Bezug auf Dividenden nur auf rein künstliche Gestaltungen wie Briefkastengesellschaften anwendbar bleibt.16

Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit bei Dividenden möglich

Es spricht vieles dafür, dass die Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG bei Dividenden gegen die – für Drittstaaten ebenfalls anwendbare – Kapitalverkehrsfreiheit verstösst, weil diese Missbrauchsregelung nicht auf eine bestimmte Beteiligungshöhe abstellt.17 In der Literatur wird diese Auffassung zwar überwiegend bejaht, allerdings bleibt nicht ausgeschlossen, dass die Regelung aufgrund der Änderung der Mutter-Tochter-Richtlinie nicht doch wieder europarechtskonform ist.19 Das FG Köln hat die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit auf Dividenden gleichwohl jüngst bejaht.20 Endgültige Klarheit dürfte erst die Entscheidung des BFH im Verfahren I R 27/19 bringen.21

Bei Lizenzen ist die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit fraglich

Das FG Köln hat für den Fall einer Schweizer Gesellschaft mit einem deutschen Gesellschafter entschieden, dass die Kapitalverkehrsfreiheit nicht für Lizenzzahlungen anwendbar ist, weil diese durch die Dienstleistungsfreiheit verdrängt wird.22 Auch diese Streitfrage bedarf allerdings noch einer höchstrichterlichen Klärung, weil die Anwendung der Dienstleistungsfreiheit bei Lizenzen strittig ist.23 Für Schweizer Gesellschafter ist diese Sichtweise allerdings nicht nachteilig, weil – im Gegensatz zu Dividenden – nach dem DBA auch für in der Schweiz ansässige natürliche Personen eine Quellensteuerreduzierung auf 0 % möglich ist (s.o.). Die Frage der Quellensteuerentlastung bei Lizenzen ist insbesondere auch für Schweizer Künstlergesellschaften relevant, weil diese – abgesehen von Liveauftritten – im Regelfall aufgrund der Überlassung von Nutzungsrechten Lizenzvergütungen beziehen, für die abkommensrechtlich der Nullsteuersatz anwendbar ist.24

Fazit

Die im DBA vereinbarte Entlastung von in der Schweiz ansässigen Steuerpflichtigen von der deutschen Quellensteuer auf Dividenden und Lizenzen ist mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden. Verantwortlich hierfür ist die Anti-Treaty-Shopping-Regelung des § 50d Abs. 3 EStG, die bei Dividendenausschüttungen an funktionsschwache Schweizer Holdinggesellschaften zu einer massiven Doppelbesteuerung führen kann. Diese kann aber aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des FG Köln zur Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vermieden werden, wobei aber fraglich ist, ob das BZSt diese Rechtsprechung anwenden wird. Dies gilt zwar nicht für Lizenzen, allerdings ist hier das Doppelbesteuerungsrisiko aufgrund des Nullsatzes im DBA auch für natürliche Personen deutlich niedriger.

Alternativ lässt sich die Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG durch die Ausgestaltung der Schweizer Holding mit Substanz und geschäftsleitenden Funktionen vermeiden, was nach Abschaffung des Holdingsprivilegs auch aus Schweizer Sicht unproblematisch sein dürfte.

Literaturhinweise

1 Jeweils einschl. Solidaritätszuschlag.
2 Artikel 10 Abs. 3 DBA Deutschland Schweiz.
3 Bundeszentralamt für Steuern mit Sitz in Bonn.
4 Goebel/Wehling/Gehrmann, Handbuch der Quellenbesteuerung, 45.
5 Jacob/Kubaile, Missbrauchsnorm greift Holdingstrukturen an, Finanz und Wirtschaft vom 6.12.2006, 29 sowie ausführlich zu den Hintergründen: Jacob/ Kubaile, IFF-Forum 2007, 209, 224 abrufbar unter https://www.iffinfo.ch/de/publikation/produkt/ schweizerischer-holdingstatus-und-novellie- rung-des-treaty-shopping-in-deutschland/free.
6 Vgl. zu den einzelnen Kriterien Goebel/Wehling/ Gehrmann, a.a.O., 67ff. sowie BMF-Schreiben vom 24.1.2012, BStBl. I 2012, 171.
7 Vgl. hierzu Goebel/Wehling/Gehrmann, a.a.O., 75. Der Fragebogen ist abrufbar unter https://bwsgk.de/ vermeidung-der quellensteuerbelastung-auf- dividenden-an-schweizer-holdinggesellschaften- durch-aktuelle-rechtsprechung/
8 Art. 10 Abs. 2 Buchst. c DBA Deutschland Schweiz.
9 BMF-Schreiben vom 24.1.2012, BStBl. I 2012, 171, Tz. 4.1.
10 Art. 12 Abs. 1 DBA Deutschland Schweiz.
11 Gemäss Auskunft der SIF ist auch eine pauschale Steueranrechnung nach deren Merkblatt über die pauschale Steueranrechnung für ausländische Dividenden DA-M Tz. 4d nicht möglich.
12 Bassler in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA Schweiz, Art. 23, Tz. 32.
13 Rs. Deister und Juhler Holding Az. C-504/16.
14 Rs. GS, Az. C-613/16.
15 Vgl. hierzu Kubaile/Zepf, CH-D Wirtschaft 3/2018, 12. 16 Urteil v. 30.6.2020, 2 K 140/18, IStR 2020, 807 sowie hierzu ausführlich Tromp/Nagler, IStR 2020, 784, 793. 17 Ernst/ Farinato/ Würstlin, IStR 2019, S.6, 9.
18 Klein/Hagena in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG,
§ 50d Abs. 3, Tz. 52 m.w.N..
19 Bassler in Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA
Schweiz, Art. 23, Tz. 15.
20 FG Köln v. 30.6.2020, a.a.O..
21 Pignot IWB 2019, 906, 910.
22 FG Köln Urteil v. 14.11.2018, 2 K 202/10, FR 2020, 427; vgl. hierzu Oppel, FR 2020, 409, 411.
23 Vgl. Korff, IStR 2019, 755.
24 Goebel/Wehling/Gehrmann, a.a.O., 141 ff..




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