Business Knigge Schweiz: Kleines Land der weiten Wege
11. Jun 2015, Wirtschaft | Business Knigge

Kleines Land der weiten Wege

Aus deutscher Sicht ist die Schweiz ein Land, das viele positive Assoziationen hervorruft. Neben beinahe kitschig anmutenden Gedankenspielen, bei denen die Schweiz für Schokolade, Bergidylle und Heidi steht, werden mit dem Alpenland auch Eigenschaften wie Präzision, Qualität und Neutralität assoziiert. Auch wenn die Schweiz bestens bekannt zu sein scheint, so ist sie ein eigenständiges Land – und vor allem ein echter Auslandsmarkt.

3 Fakten über die Schweiz

Die Schweiz ist ein kleines Land der weiten Wege. Dieser Satz kann als Metapher für so manche Eigenheit der Schweiz verstanden werden. Wer auf dem Schweizer Markt erfolgreich sein will, sollte sich daher der drei Tatsachen bewusst sein:

  1. gehört nicht zur Europäischen Union
  2. stark föderalistisch und subsidiär geprägt
  3. eigener Kommunikationsstil

Der erste Punkt mag auf den ersten Blick nicht überraschend klingen, dennoch wird der Zugang zum Schweizer Markt häufig unterschätzt. Auch wenn die Beziehungen zur EU intensiv und eng sind, ist die Schweiz kein Mitglied der Europäischen Union. Daraus ergeben sich unterschiedliche Konsequenzen, die bei einem Markteinstieg bedacht werden sollten:

  • Die Schweiz ist nicht in der Zollunion
  • hat eine eigene Währung
  • teilweise eigene Vorschriften – beispielsweise für (Produkt-)Zulassungen, Mitarbeiterentsendungen oder Dienstleistungserbringungen

Das Wissen um diese Themen ist elementar, stellt aber meistens keinen höheren Aufwand dar als die generell notwendige Auseinandersetzung mit den Regeln eines (noch) unbekannten Auslandsmarktes.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind jedoch nur die eine Seite der Medaille einer erfolgreichen Marktbearbeitung. Die andere Seite betrifft die viel subtilere Frage nach dem zwischenmenschlichen Miteinander. Es gilt, einen Blick auf die Fakten zu werfen, die Land, Leute und Wirtschaft prägen und beeinflussen – den Föderalismus und den Kommunikationsstil.

Kantone haben grosse Autonomie und Freiheit in ihrer Entscheidung

Der Föderalismus macht sich zuallererst in der dezentralen Organisation bemerkbar. Bei gerade einmal acht Millionen Einwohnern hat die Schweiz 26 Kantone und circa 2.300 Gemeinden. Dazu kommt ein stark ausgeprägtes Subsidiaritätsprinzip. Das heisst, die politische Verantwortung wird von der kleinsten Einheit getragen und von unten nach oben abgegeben (Gemeinden-Kantone-Bund). Dies hat zur Folge, dass man einer Vielzahl lokaler Lösungen gegenübersteht – sei es bei Finanzen, Schulwesen, Baurecht oder Feiertagsregelungen.

Die Kantone geniessen eine hohe Autonomie – kantonale Lösungen werden geradezu zelebriert. Dieser «Kantönligeist» führt durchaus auch zum Wettbewerb zwischen einzelnen Kantonen oder Städten. So spielt sich das nationale politische Leben zwar in Bern ab, dennoch gelten Berner gemeinhin als gemütlich und angenehm und erfüllen damit nicht das typische Hauptstadtklischee. Dieses haftet wiederrum den Zürchern an, die mit dem in Zürich ansässigen Finanzplatz gleichgesetzt werden und nicht überall als die grössten Sympathieträger gelten.

Diese gelebten Welten sind das Erbe einer politischen, konfessionellen und sprachlichen Vielfalt auf kleinstem Raum und sollten daher bei wirtschaftlichen Entscheidungen wie zum Beispiel der Frage nach dem Vertrieb bedacht und berücksichtigt werden.

Gleiche Sprache bedeutet nicht gleicher Stil

Unter Deutschen ist die Ansicht weit verbreitet, in der Schweiz können aufgrund der gleichen Sprache leicht Geschäfte gemacht werden. Das ist sicher nicht ganz falsch. Aber gleiche Sprache bedeutet nicht gleicher Stil. Die schweizerische Kommunikation – geprägt von der lateinischen Kultur – schlägt oftmals leisere Töne an als die direkte deutsche Art. Diese wird mitunter als dominant empfunden.

Der Schweizer per se übt sich gerne in Zurückhaltung, spricht häufig im Konjunktiv und Passiv und teilt Kritik nicht offen mit. Im geschäftlichen Umfeld zeigt sich das unter anderem darin, dass Geschäftstreffen nicht als reiner Austausch von Angebot und Nachfrage verstanden werden, sondern vielmehr auch als Möglichkeit der Beziehungspflege – Small Talk erwünscht! Auch sind die Hierarchien vergleichsweise flach. So wird kein grosser Wert auf die Nennung von Titeln gelegt, Geschäftspartner gehen schneller zum du über.

Noch ein Wort zur deutschen Sprache in der Deutschschweiz: Der hiesige Dialekt, das Schwyzertütsch – das wiederum unzählige lokale Varianten kennt – verleitet Deutsche allzu häufig zu (meist schlechten) Imitationen. Im besten Fall werden diese unkommentiert zur Kenntnis genommen. Bedeutender als das Sprechen von Mundart sollte für Deutsche jedoch das Verstehen von sogenannten Helvetismen sein – also schweizerische Worte, die in Deutschland eine andere Bedeutung haben oder gar nicht existieren. So isst man in der Schweiz ein Müesli und kein Müsli, das wäre nämlich ein Mäuschen. Auch sollten sich deutsche Unternehmer nicht an der konsequenten Auslassung des «ß» im Briefverkehr stören. Diesen Buchstaben gibt es in der Schweiz schlicht und ergreifend nicht.

Fazit

Um sich erfolgreich auf dem Schweizer Markt behaupten zu können, ist es hilfreich, eine gewisse Sensibilität für die vielen Gemeinsamkeiten – die uns Deutsche mit den Schweizern verbindet – aber auch für die Unterschiede und deren Ursachen zu entwickeln. Wer darüber hinaus im binationalen Umgang den «richtigen Ton» trifft, dem steht für eine zuverlässige und stabile Partnerschaft kaum noch etwas im Wege. Die Wirtschaftskennzahlen beweisen Jahr für Jahr aufs Neue, dass dies durchaus gut gelingen kann. Deutschland ist und bleibt der wichtigste Handelspartner für die Schweiz.

(Bildquelle: © assalve/iStockphoto)




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