Dr. Sergiy Yulin mit Dr. Peter Kürz und Dr. Michael Kösters
22. Sep 2021, Standort

Wie Thüringer Ideen das Internet der Dinge und die Robotik verändern

Es war die Nachricht im November 2020: Ein interdisziplinäres Forscherteam bereitet mit einer neuartigen Technologie die Revolution in der Chipherstellung vor und erhält dafür den renommierten Deutschen Zukunftspreis. Ermöglicht wird dadurch ein echter Technologiesprung, der den grossen Halbleiterkonzernen wie INTEL, Samsung und Infineon völlig neue Produktionsperspektiven eröffnet. Mit dabei: Spitzenforscher und Unternehmer aus Thüringen.

Unsere Welt wird immer smarter: Ein vernetztes Zuhause, in dem der Kühlschrank weiss, dass die Milch bald alle ist, und ein Saugroboter den Alltagsdreck beseitigt, lernfähige Roboter, mit deren Hilfe sich in Unternehmen wichtige Produktionsprozesse steuern lassen, autonome Fahrzeuge... – all diese neuen Anwendungen der Informationstechnik und Systeme mit künstlicher Intelligenz erzeugen enorme Datenmengen, die in immer kürzerer Zeit verarbeitet sein wollen. Gelingen kann dies mithilfe einer neuen Generation von Mikrochips. Basis dieser Chips ist die innovative EUV-Lithographie, die auf ultraviolettem Licht fusst und die Chips wesentlich kleiner, leistungsfähiger und energiesparender macht.

Da steckt viel Thüringen drin

Massgeblich getragen wird die Idee der neuen EUV-Lithographie von Forschern des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik in Jena (IOF) sowie den Unternehmen Carl Zeiss und Trumpf. Dass sich die Technologie so erfolgreich am Markt positionieren konnte, liegt neben Lasertechnik und Optik auch an robusten Sensoren, welche nicht nur hochpräzise Daten über Abweichungen auf Nanoebene liefern, sondern auch Vakuum widerstehen können. Solche Sensortechnik wurde gemeinsam von der Technischen Universität Ilmenau und der Micro-Hybrid Electronic GmbH, einem Unternehmen aus dem thüringischen Hermsdorf, das auf elektronische Module und Sensoren spezialisiert ist, entwickelt und ist derzeit wettbewerbslos. «Die EUV-Lithographie stellt einen Riesensprung für die Chip-Industrie dar, da sie enorme Durchbrüche in Bezug auf die Leistungsfähigkeit für Zukunftsapps ermöglichen wird. Es lassen sich Mikrochips herstellen, die besonders leistungsfähig, energieeffizient und kostengünstig sind. Die Produkte dieser neuen Generation werden von den führenden Herstellern von Smartphones und Halbleiterprodukten bereits heute eingesetzt. Es ist absehbar, dass sich ihre Anwendung global als Standard etablieren wird», so Dr. Knuth Baumgärtel. «Das Thüringer Cluster ermöglicht es kleinen und mittelständischen Unternehmen wie uns, Prototypen in den Reinräumen der hiesigen Forschungseinrichtungen zu testen, was sonst nur mit erheblichen Anfangsinvestitionen möglich wäre», fügt der Geschäftsführer von der Micro-Hybrid Electronic GmbH weiter hinzu. Damit wird deutlich: Mikro- und Nanotechnologien sowie intelligente Elektronik- und Sensorsysteme bilden das Fundament für zukünftige Produktentwicklungen, wie eben schlaue Kühlschränke, automatisierte Produktionsanlagen, intelligente Roboter oder Smartphones. Mehr als 40.000 Beschäftigte arbeiten in Thüringen genau an solchen zukunftsweisenden Lösungen und erwirtschaften so jährlich rund acht Milliarden Euro. Damit zählen die Optikindustrie und die Mikroelektronik zu den Schlüsselbranchen des mitteldeutschen Bundeslandes.

Ausschlaggebend für den Erfolg ist die enge Verzahnung von Forschung und Unternehmertum in Thüringen. Insgesamt 20 Forschungsinstitute und sechs Universitäten aus Thüringen und dem nahen Umfeld sorgen für kurze Wege und einen engen zielgerichteten Austausch, von dem deutsche und global agierende Un- ternehmen gleichermassen profitieren. Thüringen mit seiner langen Tradition in der Mikro- und Optoelektronik sowie im Präzisionsmaschinenbau beherbergt im Zeitalter der Digitalisierung ein wachsendes Cluster für Automatisierungslösungen und Internet-of-Things-Applikationen (IoT). Besondere Strahlkraft besitzt dabei die Forschungslandschaft im Innovationsdreieck Jena/Hermsdorf, Erfurt und Ilmenau. Das zeigt der jüngste preisgekrönte Erfolg in der Chipherstellung ebenso wie der kürzlich in Jena entwickelte Antibiotika-Schnelltest eindrucksvoll.

Dr. Sergiy Yulin mit Dr. Peter Kürz und Dr. Michael Kösters
Kurze Wege zwischen Wirtschaft und Wissenschaft

Ein wesentlicher Baustein des guten Zusammenspiels zwischen Forschung und Entwicklung bildet dabei die Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen (LEG Thüringen). Als einhundertprozentige Tochter des Freistaates schafft sie den passenden Rahmen für Unternehmen und ihre Entwicklung erfolgreicher Innovationen. Ihr Full-Service reicht dabei von der Suche nach einem passenden Standort und Kooperationspartnern bis hin zur Beratung über Fördermittel und Finanzierung, Fachkräfterekrutierung, Projektentwicklung und Begleitung rund um die Gründung einer Niederlassung am Standort Thüringen. Das schafft für die Unternehmen aus aller Welt den nötigen Freiraum für die Verwirklichung ihrer Geschäftsidee. In ihrer knapp 30-jährigen Geschichte hat die LEG Thüringen so bislang über 1.600 Ansiedlungsprojekte mit einem Investitionsvolumen von 12,65 Milliarden Euro umgesetzt, wodurch rund 77.000 neue Arbeitsplätze entstanden sind. Schweizer Unternehmen sind dabei im Bereich der Direktinvestitionen klarer Champion: 76 helvetische Firmen haben in Thüringen über 8.000 Jobs geschaffen. Grösstes ausländisches Investitionsprojekt aktuell: Der Bau der LiIonen-Batterie-Fabrik der chinesischen CATL Contemporary Amperex Technology Ltd. für insgesamt 1,8 Milliarden Euro bei Erfurt. Ausschlaggebend für die Standortentscheidung des Marktführers aus China war die geografische Nähe zu den Hauptkunden der Automobilindustrie, der One-Stop-Service der LEG Thüringen und die lokal vorhandenen Kompetenzen für Fertigungsprozesse. «Die LEG Thüringen fördert hierfür gezielt innovative Wertschöpfungsnetzwerke und die Zusammenarbeit verschiedener Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung, um zukünftig dynamische Entwicklungen provozieren zu können», konstatiert LEG-Prokurist Dr. Arnulf Wulff.

Breit aufgestellt: Thüringer Unternehmen auf allen Ebenen der Wertschöpfung Spitze

Thüringer Unternehmen bieten hier auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette – vom Anlagenbauer über Sensorik bis hin zum Chipdesign – komplementäre Innovationen an. Gleichzeitig beheimaten Deutschland und Thüringen starke Abnehmerbranchen, wie die Automobil-, Medizintechnik, Maschinen- und Anlagenbauindustrie. Das Bestreben der Autoindustrie, autonomes Fahren alltagstauglich zu machen, geht einher mit der Notwendigkeit, die neuen Generationen der Sensorik mit der Software, die sie betreibt und mit 5G-Basisstationen verbindet, optimal zu nutzen. Vor diesem Hintergrund baut das japanische Unternehmen NTT DATA als IT-Dienstleister und Business-Consulting-Anbieter seit 2019 seinen Standort in Erfurt als Zentrum für Softwareentwicklungaus. «Der rasante Fortschritt in den Mikro-Nano-Technologien zeigt, dass man die damit verbundene IT-Entwicklung in schnelleren Zyklen vornehmen muss, und genau darum geht es bei unserer Erfurter Niederlassung», erklärt Ralf Malter, COO von NTT DATA DACH. «Wir profitieren von den massiven F&E-Ausgaben unseres Mutterkonzerns in Höhe von fast 3,6 Milliarden US-Dollar pro Jahr. In unseren jüngsten Treffen mit den Regionaldirektoren von NTT DATA wurde klar herausgestellt, dass Erfurt für uns ein strategischer Standort für ein langfristiges Engagement ist», fügt er hinzu.

Roboter als Goldgräber der Zukunft

Auch der junge Roboterhersteller Metra-Labs GmbH aus Ilmenau profitiert von dem einzigartigen F&E-Ökosystem Thüringens. «Wir sind ein Technologieunternehmen und die Nähe zur Technischen Universität Ilmenau sowie die Zusammenarbeit mit dem Fachgebiet Neuroinformatik waren für unser Wachstum ausschlaggebend», berichtet Geschäftsführer Dr. Andreas Bley. Vom Unternehmen sind aktuell mehr als 300 Roboter weltweit in Nutzung und haben bereits 100.000 Kilometer autonom zurückgelegt. Der mobile RFID (Radio-Frequency Identification) Inventory Scanner Tory ist zum Beispiel bereits in Geschäften des Einzelhandels sowie der auf derselben Plattform basierende Desinfektionsroboter Sterybot in Restaurants und Krankenhäusern im Einsatz. Weitere autonome Systeme des Unternehmens finden ihre Anwendung für Transportaufgaben in der Automobilindustrie. Dr. Andreas Bley erklärt: «Als Thüringer Unternehmen sind wir einer der Pioniere in der Servicerobotik in Europa. Von Beginn an war unser Anspruch der Bau von Systemen, welche sich sicher in Arbeitsräumen mit Menschen autonom bewegen und Räume selbstständig kartographieren können, ohne dass die Umgebung dem Roboter angepasst werden muss. Roboter gelten für uns als die Goldgräber des 21. Jahrhunderts: Mit ausreichend Sensoren bestückt, erfassen sie schnell, ausdauernd und kostengünstig Unmengen an Daten und schaffen so die Voraussetzungen der digitalisierten Geschäftsprozesse der Zukunft.»

Der Blick in die Forschungslabore und Entwicklungsabteilungen Thüringens zeigt: Hier tut sich etwas. Ziemlich viel, um genau zu sein! Zusammen mit der guten Forschungs-Infrastruktur, einem guten Investitionsklima und passenden Unterstützungsangeboten sollte man Thüringen als attraktiven Investitions-, Wirtschafts-, Forschungs- und Technologiestandort nicht nur im Hinblick auf intelligente Lösungen für Robotik und Internet der Dinge auf der Karte haben.




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