Steuerlicher Wegzug in die Schweiz
31. Jul 2019, Recht & Steuern | Steuerlicher Wegzug

EuGH ebnet den Weg für einen steuerlichen Wegzug in die Schweiz

Der EuGH sieht einmal mehr in der Schweiz einen besonderen Drittstaat: Durch das EuGH-Urteil vom 26.  Februar 2019 (Rechtssache C-581/17) könnte sich damit für einige deutsche Steuerpflichtige, die Tür für einen Wegzug in die Schweiz weit aufgestossen haben.

Mit dem Urteil entschied der EuGH, dass die deutsche Wegzugsbesteuerung (§ 6 Aussensteuergesetz, hiernach AStG) gegen das Freizügigkeitsabkommen (FZA) und damit gegen die Grundfreiheiten zwischen der EU und der Schweiz verstösst.

Der EuGH bestätigt somit unsere Einschätzung, dass Wegzügler in die Schweiz durch die bisher fehlende zinslose Stundung in ihrer Personenfreizügigkeit ungerechtfertigt benachteiligt werden.

Sachverhalt und Hintergrund
Bei dem zugrundeliegenden Ausgangssachverhalt ging es um einen deutschen Staatsangehörigen, der 50% der Anteile an einer Schweizer Kapitalgesellschaft hielt und auch deren Geschäftsführer war. Im Jahre 2011 verlegte er seinen Wohnsitz von Deutschland in die Schweiz. Aus Sicht des deutschen Finanzamtes löste dies die deutsche Wegzugsbesteuerung aus. Hierbei handelt es sich um eine Fiktion, nach der die stillen Reserven in den Anteilen an der Gesellschaft auch ohne tatsächlichen Verkauf – in der letzten Sekunde vor dem Wegzug – der deutschen Besteuerung unterworfen werden; einen Liquiditätszufluss gibt es dabei nicht! Bei der Wegzugsbesteuerung greift das Teil-einkünfteverfahren, d.h. 60% des fiktiven Veräusserungsgewinnes sind mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern.

Die Wegzugsbesteuerung wird nach dem Grundtatbestand ausgelöst, wenn Wegzügler zu mindestens 1% an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt sind. Im Gegensatz zum Wegzug in einen EU / EWR-Staat, bestehen bei einem Wegzug in einen Drittstaat (bspw. die Schweiz) keine Möglichkeiten zur zinslosen Stundung und somit zum Zahlungsaufschub (§ 6 Abs. 5 AStG).

Bereits im Ausgangsverfahren zur o.g. EuGH-Vorabentscheidung äusserte das Finanzgericht Baden-Württemberg erhebliche rechtliche Bedenken im Hinblick auf Wegzüge in die Schweiz. Diese führe zu einer deutlichen steuerlichen Benachteiligung, die ungerechtfertigt ist. Denn, wie der EuGH nunmehr bestätigte, bietet das zwischen der EU und der Schweiz abgeschlossene Freizügigkeitsabkommen ein ähnliches Schutzniveau wie das Gemeinschaftsrecht: Neben einem ebenfalls verankerten Diskriminierungsverbot sind auch die in dem FZA niedergelegten Freizügigkeitsrechte mit den EU-Bestimmungen des AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) vergleichbar.
Unser Fazit und Empfehlung
Der EuGH schafft durch sein Urteil im Vorab entscheidungsverfahren die langersehnte Klarheit. Im Hinblick auf anhängige Verfahren, gilt es für die betroffenen Steuerpflichtigen nun einschlägige Bescheide offenzuhalten. Das Finanzamt ist in diesem Zusammenhang ex tunc an das Urteil gebunden. Durch das Urteil findet neu für Wegzüge in die Schweiz eine zinslose Stundung Anwendung, analog zu Wegzugsfällen in den EU/EWR Raum. Andere Drittstaaten als die Schweiz partizipieren dagegen weiterhin nicht daran.

Selbst Steuerpflichtige, die bereits früher weggezogen sind und bei denen beispielsweise noch ein Vorbehalt der Nachprüfung besteht, sollten genau prüfen, inwieweit es verfahrensrechtlich noch Möglichkeiten gibt, von dem Urteil zu profitieren.

Es bleibt auch abzuwarten, wie der deutsche Gesetzgeber reagiert und allenfalls die Norm unionsrechtskonform ändern wird. Viel Spielraum bleibt ihm letztendlich nicht.



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