Erläuternder Bericht zum Vorentwurf zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs Unternehmensnachfolge
18. Dez 2019, Recht & Steuern | Unternehmensnachfolge

Erläuternder Bericht zum Vorentwurf zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs Unternehmensnachfolge

Die Übertragung eines Unternehmens durch den Inhaber auf seine Nachkommen stellt eine allgemein verbreitete Tradition dar. Die Schweiz bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme.

I. Einleitung
Vom Bundesrat in Auftrag gegebene Studien1 beziffern die Anzahl bis zu 80'000 der Unternehmen, bei denen es in den nächsten fünf Jahren zu einer Nachfolge kommen dürfte. Die erbrechtlichen Anwartschaften und Rechtsansprüche der pflichtteilsgeschützten Erben können die Übertragung von Unternehmen jedoch erschweren oder gar verunmöglichen. 3'400 davon könnten jährlich mit Finanzierungsproblemen infolge der erbrechtlichen Regelungen konfrontiert sein. Im Rahmen einer Gesamtrevision des Erbrechts, die bereits eine grössere Verfügungsfreiheit des Erblassers durch Schmälerung der Pflichtteile bestimmter Erben vorsieht 2, hat der Bundesrat beschlossen, sich spezifisch mit dem Übergang von Unternehmen ohne vorgängige Planung durch den Erblasser auseinanderzusetzen. In einem neuen Vorentwurf, der von April bis August 2019 den betroffenen Kreisen in die Vernehmlassung gegeben worden ist, schlägt er zusätzliche Massnahmen vor, die darauf abzielen, die derzeit bestehenden Hindernisse für Unternehmensinhaber oder deren Erben im Rahmen des Erbrechts aus dem Weg zu räumen. Der vorliegende Beitrag untersucht die Grundzüge der Vorschläge des Bundesratesund prüft, ob sie geeignet sind, ihr Ziel zu erreichen.
II. Aktuelle Situation
Falls der Erblasser keine Vorkehrungen getroffen hat und das Unternehmen einen wichtigen Teil seines Vermögens ausmacht, ist dessen Aufteilung zwischen den Erben in der Praxis relativ schwierig und führt zu einer Zerstückelung des Unternehmens und damit zumindest zu komplexen Governance-Problemen. Auch die Zuteilung der gesamten Gesellschaft an einen einzelnen Erben durch das Gerichtkann aus finanzieller Sicht äusserst beschwerlich sein, da der betreffende Erbe verpflichtet ist, die anderen Miterben beider Erbteilung in der Höhe ihres Anteils abzufinden. Dies ist schlicht unmöglich, wenn der Betrag der an die übrigen Erben zu entrichtenden Ausgleichszahlung übermässig hoch ist, was leider bei den meisten Nachlässen der Fall ist. Finanzielle Gründe sind denn auch in 29 % der Fälle3 der Grund, weshalb ein Unternehmen nicht familienintern weitergeführt wird und unter dem geltenden Recht die Schliessung und Liquidation des Unternehmens oft der einzige Weg ist, wie die Erben den ihnen gebührenden Teil des Nachlasses erhalten. Zum Schutz des allgemeinen und wirtschaftlichen Interesses am Erhalt eines Unternehmens und namentlich der daran hängenden Arbeitsplätzebeabsichtigt der Bundesrat nun, gesetzgeberisch tätig zu werden.
III. Unternehmensnachfolge in Deutschland
Im Vergleich dazu kennt Deutschland mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, einen nachhaltigen Übergang von Unternehmen im Todesfall zu gewährleisten, bereits spezifische Bestimmungen5. Einerseits kann ein Erbe die gerichtliche Stundung des Pflichtteils verlangen, falls die sofortige Zahlung der gesamten Forderung ihm einen unangemessenen Schaden zu verursachen droht und andererseits kann der Gesellschaftsvertrag in Abweichung vom Gesetz eine Regelung für Nachfolgeprobleme durch verschiedene Klauseln (Nachfolgeklausel, Eintrittsklausel oder Fortsetzungsklausel) vorsehen.
IV. Vorentwurf zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchsbetreffend Unternehmensnachfolge

Was ist mit der Schweiz? Um die Unternehmensnachfolge zu erleichtern, wenn der Erblasser keine entsprechende Verfügung getroffen hat und ein Auskauf durcheinen Erben nicht in Betracht kommt, schlägt der Bundesrat heute die folgenden Massnahmen vor:

  • Zunächst beabsichtigt der Bundesrat, ein Recht der Erben auf Integralzuweisung eines Unternehmens im Rahmender Erbteilung sowie spezielle Zuweisungsregeln, wenn mehrere Erben das Unternehmen übernehmen wollen, zu schaffen. Ziel wäre, das Unternehmen «demjenigen zuzuweisen, der für die Führung des Unternehmens am besten geeignet erscheint», um alle Probleme der Governance und der Zerstückelung des Unternehmens zu vermeiden.
  • Um die Probleme im Zusammenhang mit der Liquidität des Pflichtteilserben und damit der Fortführung des Unternehmens zu beheben, hat sich der Bundesrats sodann offensichtlich vom deutschen Recht inspirieren lassen, zum mal er zugunsten des übernehmenden Erben die Möglichkeit der Einräumung von Zahlungsfristen gegenüber den anderen Pflichtteilserben (maximal 5 Jahre) vorsieht, wenn der Wert des Unternehmens die verfügbare Quote übersteigt. Allerdings müssten zum Schutz der Interessender übrigen Erben Sicherheiten geleistet werden.
  • Um die anderen Pflichtteilserben zu schützen, sieht der Bundesrat zudem vor, dass es ausgeschlossen sein soll, dass ihnen ihr Pflichtteil gegen ihren Willen in der Form von (im allgemeinen tiefer bewerteten und oft schwer veräusserlichen)Minderheitsanteilen an einem Unternehmen zugewiesen werden kann, wenn ein anderer Erbe die Kontrolle überdieses Unternehmen ausübt.
  • Schliesslich stellt der Bundesrat besondere Regeln in Bezug auf den Anrechnungswert von Unternehmen bei lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers auf, wobei er zwischen betriebsnotwendigen und nicht betriebsnotwendigen Vermögensteilen unterscheidet, um dem unternehmerischen Risiko des Übernehmers Rechnung zu tragen, ohne die anderen Erben hinsichtlich von leichtveräusserlichen Vermögenswerten des Unternehmens zu benachteiligen. So ist, wenn der übernehmende Erbe den Wert des Unternehmens im Zeitpunkt der Zuwendung nachweisen kann, dieser Wert massgeblich für die Berechnung einer allfälligen Ausgleichung und nicht mehr der Wert des Unternehmens im Todeszeitpunkt. Der übernehmende Erbe wird bei einer Wertsteigerung allein die Früchte seiner Arbeit ernten können (was Investitionen begünstigt) und die anderen Erben werden im Gegenzug die Unternehmensverluste nicht mitzutragen haben
V. Kritik

An dieser Stelle ist die Auswirkung dieser Massnahmen und ihre Eignung zur Erreichung ihres Zwecks zu untersuchen. Der Vorentwurf stellt auf Kosten des privaten Interesses der Pflichtteilserben das gesamtwirtschaftliche Interesse an der Erhaltung und Stabilität des Unternehmens und der damit verbundenen Arbeitsplätze an erste Stelle. Der Bundesrat nimmt dies in Kauf, schlägt aber verschiedene flankierende Massnahmen für diese Situation vor (z. B. Sicherheiten bei Zahlungsaufschub oder Ausschluss der Zuteilung von Minderheitsbeteiligungen).

Diese Regelung soll, wenn gleich im allgemeinen Interesse der Gesellschaft erlassen, verhindern, dass der Übergang des Unternehmens Anlass zu endlosen Erbschaftsstreitigkeiten vor Gericht führt. An die eigene psychologische Dimension der Erbfälle und des hohen Konfliktpotentials solcher Streitigkeiten scheint man jedoch nicht gedacht zu haben.

  • Was die gerichtliche Zuteilung des Unternehmens an denjenigen Erben, «der für die Führung des Unternehmens am besten geeignet erscheint», betrifft, stellt sich die Frage, ob es wirklich wünschenswert ist, dass die Entscheidungsbefugnis, wer der beste Eigentümer eines Unternehmens ist, der Justiz übertragen wird, die sich damit in den privaten Bereich reinfamiliärer Angelegenheiten einmischen würde. Obwohl Kriterien festgelegt worden sind (Kenntnis des Unternehmens, Erfahrung im betreffenden Bereich und Berufsausbildung), ist nicht zu bezweifeln, dass diese Lösung Tür und Tor für viele Beanstandungen seitens der Erbenöffnen wird, die diese Situation entweder als Einmischung des Staates empfinden und dessen Legitimität «aus Prinzip» infrage stellen oder sich durch die Entscheidung des Gerichts gekränkt fühlen und sich dazu entscheiden könnten, alle Argumente, subjektive und objektive, vorzubringen, die beweisen sollten, dass ihnen das Familienunternehmen zugeteilt werden müsste, wodurch die Gerichtsverfahren beträchtlich verlängert würden
  • Hinsichtlich der zweiten Massnahme hat Economiesuisse6 Zweifel bezüglich der praktischen Möglichkeit, solche Sicherheiten in genügender Weise zu bestellen, geäussert. Ohne Sicherheiten kann kein Zahlungsaufschub und damit auch keine Zuteilung an einen einzelnen Erbengewährt werden. Die zweite Massnahme könnte sich daher als illusorischer weisen, womit die Situation die gleiche wie im geltenden Recht bleibt.
  • In Bezug auf die Problematik des Unternehmenswertes weist der Staatsratdes Kantons Waadt darauf hin, dass der übernehmende Erbe im Falle eines Wertverlustes versucht sein könnte, den Wert des Unternehmens am Tag der Schenkung absichtlich zu vertuschen, da die Ausgleichung zum Wert am Tag der Teilung für ihn dann interessanter ist. Die Lösung des Kantons Waadt zum Schutz der anderen Erben bestünde darin, die Bewertung des Unternehmens zum Zeitpunkt der Schenkung verbindlich vorzuschreiben, sofern diese nichtdarauf verzichten.
  • Schliesslich ist, obwohl dies in die Zuständigkeit der Kantone fällt, zu bedauern, dass sich der Bundesrat keine Gedanken zur Besteuerung gemacht hat, obwohl bekannt ist, dass die Übertragung eines Unternehmens auf einen Erben, der weder Ehepartner noch Nachkomme des Erblassers ist, Steuerprobleme aufwirft 8.
VI. Fazit

Gemäss den vorstehenden Ausführungen ist vorab das Geschick des Bundesrates bei der Umsetzung seiner Absicht, die erbrechtliche Unternehmensnachfolge zu erleichtern, zu begrüssen: Die vorgeschlagenen Massnahmen gewährleisteneindeutig eine nachhaltigere Zukunft der Unternehmen und nehmen dabei ein subtile Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen vor, obwohl einige Punkte noch eine vertiefte Reflexion erfordern, um den Widerstand der Erbengegenüber der Legitimität des Staates in einem derart privaten Bereich abzubauen. Auf alle Fälle scheint indessen eine proaktive und vorzeitige Nachlassplanung die beste Lösung zu bleiben, namentlich wenn die Zukunft des Unternehmens auf dem Spiel steht.

1 Bermann/Frank/Zellweger, Regulierungsfolgenabschätzung Revision Erbrecht, Forschungsbericht KMU-HSG, Universität St.Gallen, 2018.
2 Abschaffung des Pflichtteils der Eltern und Reduzierung des Pflichtteils der Nachkommen auf 1/2 ihres gesetzlichen Erbrechts (zurzeit 3/4).

3 Erläuternder Bericht des Bundesrats zum Vorentwurf vom 10.04.2019, S. 7.
4 Studien zufolge könnten 48'000 Arbeitsplätze von dieser Problematik betroffen sein.
5 Erläuternder Bericht, S. 16.
6 Stellungnahme vom 30. August 2019.
7 Stellungnahme vom 28. August 2019.
8 Centre patronal, Stellungnahme vom 8. Juli 2019;Migy/joye, Transmission d’entreprises par succession: un projet de loi sans volet fiscal !, in AGEFI(20.06.2019).




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