Das gilt es bei Verrechnungspreisen Deutschland-Schweiz zu beachten
5. Mai 2015, Finanzen | Doppelbesteuerung

Das gilt es bei Verrechnungspreisen Deutschland-Schweiz zu beachten

Eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung resultiert dann, wenn bei einer in Deutschland ansässigen Konzerngesellschaft aufgrund einer Betriebsprüfung eine Korrektur des steuerbaren Gewinns erfolgt (Primärberichtigung) – vorausgesetzt, eine Leistungsbeziehung zu einer verbundenen Konzerngesellschaft in der Schweiz wird bereits für die korrigierten Gewinne besteuert.

Dabei stellen sich folgende Fragen:

  • Gegenbesteuerung: Ob und wie diese Doppelbelastung vermieden werden kann.
  • Sekundärberichtigung: Ob und wie die Handels- und Steuerbilanzen der betroffenen Konzerneinheiten nach der Vornahme von Korrekturen wieder in Übereinstimmung gebracht werden können oder müssen.
1. Gegenberichtigungen nach schweizerischem innerstaatlichem Recht

In der Schweiz ist zu unterscheiden zwischen Fällen, in denen die Veranlagung der Periode – für die in Deutschland eine Primärberichtigung erfolgt ist – noch offen ist, und Fällen, in denen die entsprechende Periode bereits rechtskräftig veranlagt wurde.

1.1. Bei provisorischer Veranlagung

Ist die Veranlagung der in der Schweiz ansässigen Konzerngesellschaft noch nicht rechtskräftig, ist zunächst festzuhalten, dass eine Schweizer Konzerngesellschaft, die von einer Gewinnverschiebung begünstigt worden ist, den betreffenden Jahresabschluss in der Regel bereits erstellt und gestützt darauf ihre Steuererklärung eingereicht hat. Sie muss sich aufgrund des Massgeblichkeitsprinzips auf der eingereichten Jahresrechnung behaften lassen. Aus Sicht der begünstigten Schweizer Gesellschaft ist die Jahresrechnung – in welcher sich die Gewinnverschiebung niedergeschlagen hat – buchführungsrechtlich in der Regel nicht zu beanstanden und damit handelsrechtskonform.

Das Schweizerischen Bundesgericht ist der Auffassung, dass eine Änderung der (Handels- oder Steuer-)Bilanz im Laufe des Veranlagungsverfahrens zulässig ist – wenn sich zeigt, dass die Gesellschaft in einem entschuldbaren Irrtum bestimmte Buchungen vorgenommen hat. Ein solcher Irrtum liegt bei Transferpreisfällen – die zu einer Primärberichtigung im Ausland führen – zumindest dann vor, wenn die Transferpreise in guten Treuen nach bestem Wissen und Gewissen bestimmt worden sind. Dementsprechend ist in diesen Fällen eine Gegenberichtigung auch nach Abgabe der Steuererklärung zulässig.

In der Praxis werden Gegenberichtigungen nach Abgabe der Steuererklärung regelmässig zugelassen. Voraussetzung dafür ist, dass die dafür zuständige Schweizer Steuerbehörde die ausländische Primärberichtigung dem Grunde und der Höhe nach anerkennt. Die zuständige Behörde für die Veranlagung der direkten Steuern ist dabei allein die kantonale Steuerbehörde.

1.2. Bei definitiver Veranlagung

Ist die Veranlagung der in der Schweiz ansässigen Konzerngesellschaft bereits rechtskräftig, erfolgt eine periodengerechte Gegenberichtigung nur im Revisionsverfahren nach Art. 147 ff. DBG und Art. 51 StHG. Eine ausländische Primärberichtigung stellt nach dem Wortlaut der erwähnten Bestimmungen grundsätzlich keinen Revisionsgrund dar – weil keine neue Tatsache, sondern eine veränderte rechtliche Würdigung des gleichen verwirklichten Sachverhalts vorliegt. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die resultierende wirtschaftliche Doppelbelastung einen übergesetzlichen Revisionsgrund darstellt. Ein solcher kann sich im innerstaatlichen Recht ergeben – beispielsweise direkt aus dem höherrangigen Verfassungsrecht ergeben.

Ein verfassungsrechtlicher Revisionsgrund lässt sich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip von Art. 127 Abs. 2 BV ableiten. Wenn erhebliche Gewinne mehrmals bei verschiedenen Personen besteuert werden, liegt ein Verstoss gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip vor.

Im Lichte des Fremdvergleichsgrundsatzes in der Schweiz wurden «Scheingewinne» besteuert, die bei korrekter wirtschaftlicher Betrachtung nicht bei der Konzerngesellschaft in der Schweiz angefallen sind.

Jedenfalls darf bei internationalen Transferpreiskorrekturen das Mass der erforderlichen Sorgfalt des Steuerpflichtigen nicht überspannt werden. Aufgrund der natürlichen Unschärfe und Komplexität der Materie sind unterschiedliche Auffassungen Programm. Wenn die Transferpreise nach bestem Wissen und Gewissen festgelegt worden sind, liegt keine Verletzung der Sorgfaltspflicht vor.

2. Gegenberechtigung nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland

Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland vom 11. August 1971 (DBA CH-D) enthält keine nachgebildete Bestimmung zur Vornahme von Gegenberichtigungen (Art. 9 Abs. 2 des OECD Musterabkommens). Eine Gegenberichtigung kann aber auch ohne eine solche Bestimmung erfolgen.

Der Musterkommentar verweist in diesem Fall auf das Verständigungsverfahren nach Art. 25 OECD-MA. Rechtsgrundlage für die Gegenberichtigung ist aber nicht die Bestimmung zum Verständigungsverfahren, sondern Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 DBA CH-D, denn Art. 25 DBA CH-D regelt nur das Verfahren der Verständigung.

Für das Verständigungsverfahren sind ausschliesslich die Bundesbehörden zuständig. Daher ist eine Gegenberichtigung in diesem Fall grundsätzlich mit den Bundesbehörden abzustimmen. Das wird in der Praxis aber insbesondere bei Gegenberichtigungen im offenen Veranlagungsverfahren (vgl. vorn A. Ziff. 1.1.) aus Praktikabilitätsgründen in der Regel nicht gemacht.

Bei provisorischer Veranlagung derogieren die Bestimmungen des DBA CH-D auch allfällige – im Massgeblichkeitsprinzip beziehungsweise im Grundsatz von Treu und Glauben begründete – Hindernisse für eine Bilanzänderung nach Abgabe der Steuererklärung. Definitive Veranlagungen werden im monistischen System der Schweiz von den höherrangigen DBA Bestimmungen durchbrochen.

Für Verständigungsverfahren ist in der Schweiz das SIF zuständig. Um die Revision ordnungsgemäss durchzuführen, ist das SIF zumindest beizuziehen. Es ist in Lehre, Rechtsprechung und Praxis nicht umstritten, dass eine zwischen den Staaten getroffene Verständigungslösung sich als Revisionsgrund auswirkt. Das wiederum erlaubt, auf rechtskräftige Veranlagungen zurückzukommen.

Allerdings ist nicht erforderlich, dass tatsächlich eine Verständigung mit der ausländischen Steuerbehörde stattfindet. Nach Art. 25 Abs. 2 DBA CH D ist das nur vorgesehen, falls die zuständige Behörde selbst nicht in der Lage ist, eine befriedigende Lösung herbeizuführen. Kommen das SIF und die kantonale Steuerbehörde übereinstimmend zum Ergebnis, dass die ausländische Primärberichtigung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz gerechtfertigt ist, würde eine Verständigung mit der ausländischen Behörde nur unnötige Umtriebe verursachen.

Eine Stellungnahme des SIF – worin die Durchführung der Gegenberichtigung bestätigt wird – stellt in diesem Fall eine vorweggenommene Verständigungslösung dar. Diese bildet die Grundlage für eine Revision nach Art. 147 DBG und 51 StHG. Das Revisionsbegehren ist vom Steuerpflichtigen innert 90 Tagen nach Kenntnisnahme der Verständigungslösung einzureichen. Im Weiteren zu beachten ist die Verwirkungsfrist von zehn Jahren nach Art. 148 DBG und Art. 51 Abs. 3 StHG (vgl. vorn A. Ziff. 1.2.).

3. Sekundärberichtigung

Primärberechtigungen und Gegenberichtigungen erfolgen lediglich in der Steuerbilanz. Dadurch entstehen Differenzen zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz. Mit Sekundärberichtigungen sollen diese in Einklang gebracht werden. Wie eine Sekundärberichtigung vorzunehmen ist, bestimmt sich nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts. Zum einen können die verschobenen Gewinne durch Rückerstattung buchhalterisch dorthin zurückgeführt werden, wo sie auch steuerlich zugerechnet worden sind.

Zum andern besteht die Möglichkeit einer steuerbilanziellen Umqualifizierung. Handelsbilanziell muss in diesem Fall bei er leistenden Gesellschaft meist nichts weiter unternommen werden. Allenfalls sind in der Handelsbilanz der begünstigten Gesellschaft Korrekturen im Eigenkapitalausweis erforderlich.

Die in der Schweiz im Zusammenhang mit Sekundärberichtigungen publizierte Praxis betrifft ausschliesslich Verrechnungssteuerfragen bei der Rückerstattung von Übergewinnen. Lange Zeit wurde auf solchen Rückerstattungen konsequent die Verrechnungssteuer erhoben – selbst dann, wenn sich die zuständigen Behörden für die Zwecke der direkten Steuern auf eine Korrektur verständigt hatten. Die Rückerstattung der Übergewinne führte in vielen Fällen zu einer zusätzlichen Besteuerung des gleichen Gewinns. Diese rigide Praxis wurde in der Literatur zu Recht scharf kritisiert.

Die Praxis ist in der Folge gelockert worden:

  • Sofern die Veranlagung bei den direkten Steuern bereits definitiv ist, führt eine Rückerstattung der Übergewinne dann nicht zur Erhebung der Verrechnungssteuer – insofern in einem Verständigungsverfahren eine Einigung erzielt werden konnte.
  • Ist die Veranlagung bei den direkten Steuern noch nicht definitiv, kann eine Rückerstattung der Übergewinne nur dann verrechnungssteuerfrei erfolgen, wenn die Verhandlungen mit der zuständigen kantonalen Steuerbehörde über eine Gegenberichtigung bei den direkten Steuern ein – auch aus Sicht der Bundesbehörden – akzeptables Resultat hervorgebracht hat. Dabei wird jedoch der Nachweis einer definitiven Primärberichtigung im Ausland verlangt.

Von der Praxisänderung nicht betroffen bleiben folgende Fälle:

  • Wenn die Rückerstattung erfolgt, um ausländische Nachsteuern zu begleichen;
  • Wenn es nicht um die Frage des Fremdvergleichs, sondern um die generelle Frage der Zurechnung von Unternehmensgewinnen geht;
  • Wenn das Verständigungsverfahren zu keiner Lösung führt; – Wenn absichtliche Gewinnverschiebungen in die Schweiz korrigiert werden sollen.

Es sei darauf hingewiesen, dass die Rückerstattung der Übergewinne aus Schweizer Sicht grundsätzlich nicht zwingend erforderlich ist. Führt sie vor dem Hintergrund der beschriebenen Praxis zu Problemen, sollte nach Möglichkeit darauf verzichtet werden.

Allerdings wird die Rückerstattung in der Praxis von den deutschen Betriebsprüfern oft verlangt. In diesem Fall ist die erwähnte Praxis nur bei Schwester- oder anderen indirekten Beteiligungsverhältnissen problematisch, da bei einer Rückerstattung an eine deutsche Muttergesellschaft der Nullsatz zur Anwendung gelangt (gemäss Art. 10 Abs. 3 DBA CH-D). Bei Rückerstattung an eine deutsche Tochtergesellschaft kann mangels Entreicherung überhaupt keine Verrechnungssteuer erhoben werden.

Fazit

Grundsätzlich kann die wirtschaftliche Doppelbesteuerung aufgrund einer Primärberichtigung bei einer in Deutschland ansässigen Konzerngesellschaft vermieden werden – im Zusammenhang mit einer Leistungsbeziehung zu einer verbundenen Konzerngesellschaft in der Schweiz.

Bei noch nicht rechtskräftiger Veranlagung in der Schweiz kann eine Gegenberichtigung auch nach Abgabe der Steuererklärung bei der kantonalen Steuerbehörde zumindest dann beantragt werden, wenn Transferpreise in guten Treuen nach bestem Wissen und Gewissen bestimmt worden sind.

Bei rechtskräftiger Veranlagung in der Schweiz muss für die Gegenberichtigung ein Revisionsverfahren geführt werden. Eine zwischen den Staaten getroffene Verständigungslösung bildet einen Revisionsgrund. Allerdings kommen auch vorweggenommene Verständigungslösungen als Revisionsgründe in Betracht – und unter Umständen gar die Ableitung aus dem verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip (innerstaatliches Recht).

Zu beachten sind die für das Revisionsverfahren vorgesehenen Fristen:

  • 90 Tage ab Kenntnis des Revisionsgrunds
  • zehn Jahre ab Eröffnung der Veranlagungsverfügung

Die Praxis zur Erhebung der Schweizer Verrechnungssteuer bei Rückerstattung von Übergewinnen im Rahmen von Sekundärberichtigungen kann in einigen Fällen zu Problemen führen:

  • Rückerstattung zur Begleichung von ausländischen Nachsteuern
  • keine Lösung durch Verständigungsverfahren
  • absichtliche Gewinnverschiebungen in die Schweiz
  • Fragen der Zurechnung von Unternehmensgewinnen

Bei diesen Konstellationen ist abzuklären, ob eine Rückerstattung überhaupt erforderlich ist. Unproblematisch sind in der Regel Rückerstattungen an deutsche Konzerngesellschaften in der gleichen vertikalen Beteiligungskette (Muttegesellschaft oder Tochtergesellschaften).




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