1. Unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland

Sofern eine Person einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, ist sie nach nationalem, deutschem Steuerrecht unbeschränkt steuerpflichtig. Deutschland kann das weltweite Einkommen, Erbschaften wie auch Schenkungen besteuern.
Ein Wohnsitz ist in Deutschland sehr schnell begründet. Wohnsitz ist jede Wohnung, die eine Person innehat
und beibehalten und benutzen wird (§ 8 Abgabenordnung, hiernach AO). Oft wird von der so genannten Schlüsselgewalt gesprochen, d.h. es muss eine tatsächliche Verfügungsmacht bestehen. Neben angemieteten Wohnungen und Eigentum kann auch die Wohnung des Ehegatten oder selbst beim Lebensgefährten einen Wohnsitz in Deutschland vermitteln. Gefährlich sind auch Zweit- oder Ferienwohnungen. Die Auslegung der deutschen Finanzverwaltung ist hier erfahrungsgemäss sehr weit. Es gibt zahlreiche Urteile zur Wohnsitzbegründung in Deutschland, die es zu beachten gilt.
Alternativ kann die unbeschränkte Steuerpflicht durch den gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) ausgelöst werden. Dieser ist der Ort, an dem sich eine Person nicht nur vorübergehend aufhält. Bei einem zusammenhängenden Aufenthalt von über sechs Monaten wird dies unwiderlegbar vermutet (Ausnahme bei Aufenthalt aufgrund gesetzlich definierter privater Zwecke bis zu einem Jahr). Diese sechs Monate können dabei auch Kalenderjahr-übergreifend vorliegen. Kurzfristige Unterbrechungen des Aufenthaltes in Deutschland (etwa aufgrund Familienheimfahrten, Urlaub etc.) sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung generell steuerlich unbeachtlich. Nach einem Urteil führen drei bis vier Übernachtungen pro Woche bereits zu einem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.

 

2. Einkommensteuer und Doppelbesteuerungsabkommen

In der Praxis können damit Personen sehr schnell in beiden Ländern ansässig, d.h. unbeschränkt steuerpflichtig, sein. In diesem Fall bestimmt das Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – Schweiz (hiernach DBA D-CH) den sogenannten Ansässigkeitsstaat. Dies erfolgt zunächst anhand des Kriteriums der ständigen Wohnstätte. Besteht eine solche in beiden Ländern, ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen zu ermitteln, gefolgt von weiteren Kriterien.

2.1. Überdachende Besteuerung nach Art. 4 Abs. 3 DBA D-CH
Selbst wenn z.B. der Lebensmittelpunkt und damit die abkommensrechtliche Ansässigkeit in der Schweiz liegt, hat Deutschland ein zusätzliches Besteuerungsrecht, sofern in Deutschland eine ständige Wohnstätte oder der gewöhnliche Aufenthalt (im Kalenderjahr) besteht. Das Schweizer Besteuerungsrecht wird aber nicht eingeschränkt. Es handelt sich somit um ein zusätzliches, deutsches Besteuerungsrecht, weshalb Deutschland die Doppelbesteuerung vermeiden muss. Einerseits werden daher unter anderem aus der Schweiz stammende Betriebsstättengewinne, Einkünfte aus Selbständiger sowie Unselbständiger Tätigkeit in Deutschland satzbestimmend (Progressionsvorbehalt) freigestellt.
Für alle anderen Einkünfte greift dagegen die Anrechnungsmethode und damit regelmässig das «Hochschleusen» auf das (weitaus) höhere deutsche Steuerniveau. Dies betrifft beispielsweise Kapitaleinkünfte (u.a. Zinsen, Dividenden, und insbesondere Aktienveräusserungen, die in der Schweiz oftmals steuerfrei sind), Vermietungseinkünfte (selbst aus Schweizer Immobilien), Verwaltungsratsvergütungen und Drittstaateneinkünfte.
Die Regelung gilt es zu kritisieren. Kein anderes DBA, das Deutschland abgeschlossen hat, sieht dieses zusätzliche, umfangreiche deutsche Besteuerungsrecht vor.

2.2. Konkurrierende Besteuerung nach Art. 4 Abs. 4 DBA D-CH
Selbst bei Aufgabe des deutschen Wohnsitzes und gewöhnlichen Aufenthaltes behält sich Deutschland im Jahr des Wegzugs und in den folgenden fünf Jahren ein Besteuerungsrecht für bestimmte Einkünfte aus Deutschland vor. Die Einkünfte werden in § 2 Aussensteuergesetz (unter satzbestimmender Berücksichtigung des Welteinkommens) und subsidiär in § 49 Einkommensteuergesetz aufgeführt. Folgende (alternative) Ausnahmen greifen:

  1. Weniger als fünf Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig
  2. Schweizer Staatsbürger
  3. Umzug in die Schweiz aufgrund einer Anstellung bei einem Schweizer Arbeitgeber an dem (verkürzt dargestellt) keine wesentliche wirtschaftliche Beteiligung oder Interessen bestehen
  4. Umzug wegen Heirat innerhalb von sechs Monaten mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit

2.3. Wegzugsbesteuerung
Doch Vorsicht bei Wegzugsfällen. In diesem Fall kann mit der sog. Wegzugsbesteuerung (§ 6 Aussensteuergesetz) eine
Fiktion greifen, die weitere ungewollte Steuerfolgen auslöst. Bei Aufgabe des deutschen Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthaltes (weitere Tatbestände gilt es zu beachten) unterstellt Deutschland steuerlich, dass Beteiligungen an Kapitalgesellschaften veräussert wurden; Es handelt sich somit um eine Fiktion, ohne tatsächliche Veräusserung. In der Folge wird der Veräusserungsgewinn der deutschen Besteuerung unterworfen. Dies betrifft alle wesentlichen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (ab 1 % Beteiligungshöhe).
Voraussetzung ist, dass die Person in den letzten zwölf Jahren mindestens sieben Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war. Es gibt ggf. Stundungsregelungen und Ausnahmen bei vorübergehender Abwesenheit aus Deutschland. Die neue, verschärfte Regelung des § 6 AStG wird schon bald die Gerichte beschäftigen.

 

3. Schenkung- und Erbschaftsteuer

Auch im Hinblick auf Schenkungen oder Erbschaften löst die unbeschränkte deutsche Steuerpflicht weitreichende Folgen aus. Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland müssen weltweit erhaltene bzw. getätigte Schenkungen oder Erbschaften in Deutschland versteuern.
Insbesondere sind hierbei Schenkungen im Fokus, denn hierfür gibt es kein DBA zwischen Deutschland und der Schweiz (Ausnahme bestimmtes Betriebsvermögen). Folglich unterliegen selbst (steuerfreie) Übertragungen Schweizer Vermögens der deutschen Schenkungssteuer. Schenkungen drohen in der Praxis in vielfältigen Bereichen, insbesondere innerhalb der Familie wie zwischen Ehegatten, Kindern etc.
Selbst bei Aufgabe der deutschen Ansässigkeit werden deutsche Staatsangehörige noch weitere fünf Jahre als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt. Damit sind auch in diesem Zeitraum erfolgende Schenkungen weiterhin der deutschen Schenkungsteuer zu unterwerfen. Selbst im Rahmen des Erbschaftsteuer DBA D-CH hat Deutschland wiederum weitreichende Besteuerungsrechte, selbst wenn der Erblasser ausserhalb Deutschlands wohnt. Analog zur überdachenden Besteuerung (vgl. Ziffer 2.1) kennt Art. 8 Abs. 2 Erb-DBA D-CH eine entsprechende Regelung . Diese greift nur dann nicht, wenn Erblasser wie Erben im Zeitpunkt des Todes die schweizerische Staatsbürgerschaft haben (Art. 8 Abs. 2 Satz 3 Erb-DBA D-CH).

 

4. Abgabepflicht Steuererklärung

In vielen Fällen ist in Deutschland eine (umfangreiche) Steuererklärung (etwa für Einkommensteuerzwecke) inklusive
Nachweis der Schweizer Besteuerung einzureichen. Die Nachweise sind regelmässig nur sehr zeitaufwendig zu führen. Langwierige Abklärungen sind unvermeidbar. Auch die Schenkung- und teilweise Erbschaftsteuer Deklarationspflichten gilt es nicht zu vergessen. Gerade in diesem Bereich geht eine fehlende Deklaration unter Vorsatz mit weitreichenden strafrechtlichen Folgen einher.

 

5. Fazit

Der Wohnsitzbegriff ist in Deutschland sehr weit gefasst und daher in der Praxis sehr schnell erfüllt. Zudem können auch regelmässige und damit gewöhnliche Aufenthalte in Deutschland eine unbeschränkte Steuerpflicht begründen. Das
Bestehen einer unbeschränkten Steuerpflicht ist daher im jeweiligen Einzelfall zu prüfen. Hier gibt es sehr umfangreiche
Rechtsprechung und viele Praxisfälle, die nicht bzw. erst später erkannt werden. Das DBA D-CH weist Deutschland zusätzliche Besteuerungsrechte (überdachende wie auch konkurrierende Besteuerung) zu. Gründe gibt es hierfür heute nicht mehr und sind rein fiskalisch motiviert.
Im Falle der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland ist weiterhin zu prüfen, ob selbst die Regelungen der Hinzurechnungsbesteuerung greifen. Auch umfangreiche Meldepflichten (z.B. Anzeige des Erwerbs ausländischer Kapitalgesellschaften) sowie ggf. anfallende Zeitwohnsitz- und Kirchensteuer sind zu beachten. Der Wohnort und gewöhnliche Aufenthalt einer Person kann zudem Bedeutung haben, in welchem Land eine Person der Sozialversicherung unterstellt wird.
Insbesondere im Hinblick auf Erbschaften oder geplante Schenkungen kann es zudem sinnvoll sein, die Aufgabe des Wohnsitzes in Deutschland anzustreben. Hierbei sind jedoch unter anderem die Regelungen der deutschen Wegzugsbesteuerung zu beachten.