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19. Sep 2013, Recht & Steuern | DBA-Schiedsverfahren

«Unbekannte» mit lukrativen Vorzügen

Das «neue» DBA-Schiedsverfahren bietet in der Praxis viele Vorteile. Die grosse Unbekannte blieb bei der letzten Revision des Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland–Schweiz zwar noch unbeachtet, doch mit dem Schattendasein ist es nun vorbei - dafür sind die Vorteile auch viel zu lukrativ.

Im Fokus der letzten Revision des Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland–Schweiz standen die Änderungen zur Umsetzung der damaligen OECD-Vorgaben zum Informationsaustausch und die Anpassung der sogenanten Nullregelung für bestimmte Dividendenausschüttungen.

Trotz der vielen Vorzüge blieb die für die Beratungspraxis sehr wichtige Einführung eines Schiedsverfahrens bzw. einer Schiedsklausel größtenteils unbeachtet. Dabei ist das Schiedsverfahren bereits seit dem Austausch der Ratifikationsurkunden am 21. Dezember 2011 anwendbar - auch dann, wenn ein Verständigungsverfahren zwar eingeleitet, aber an diesem Stichtag noch nicht abgeschlossen wurde.

Der bisherige Nachteil: fehlender Einigungszwang

Das Verständigungsverfahren sah und sieht vor, dass sich die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten über die Vermeidung der Doppelbesteuerung in Einzelfällen verständigen, und Auslegungs- oder Anwendungsschwierigkeiten in gegenseitigem Einvernehmen beseitigen können.

Allerdings – und das war für die Steuerpflichtigen immer das elementare Problem, verpflichtete das Verständigungs- verfahren die beiden Vertragsstaaten nicht, eine Verständigungslösung herbeizuführen. Vielmehr stand und steht im Vordergrund dieser Regelung ausschliesslich «ein sich Bemühen» («Soll- Vorschrift»).

Die Abhilfe: das Schiedsverfahren

Zwar bleibt auch weiterhin zunächst der Weg über das Verständigungsverfahren (Art. 26 Abs. 1 bis 4 DBA D-CH) mit seinem fehlenden Einigungszwang. Doch durch die Erweiterung des Art. 26 DBA um die Absätze 5,6 und 7 wurde die Einführung eines Schiedsverfahrens neu beschlossen. Können sich die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten nicht einigen, so soll neu im Schiedsverfahren eine Entscheidung fallen.

Eine mögliche fehlende Übereinkunft zwischen den beiden Staaten wird somit nicht mehr auf dem Rücken der Steuerpflichtigen ausgetragen. Sehr erfreulich ist, dass das Schiedsverfahren sogar weiter geht als das entsprechende Pendant der EU. Es erfasst grundsätzlich alle möglichen Fragestellungen, die sich aus dem DBA D-CH ergeben können – von Privatpersonen wie Unternehmen.

Um ein Schiedsverfahren zu eröffnen wird vorausgesetzt, dass

  1. zumindest in einem der beiden Staaten im Streitjahr mindestens eine Steuererklärung abgegeben oder ein Steuerabzug vorgenommen wurde, 
  2. die zuständigen Behörden nicht gemeinsam übereinkommen, dass der entsprechende Fall für ein Schiedsverfahren ungeeignet ist und 
  3. die betroffenen Personen (inklusive ihrer bevollmächtigten Vertreter) vorab zustimmen, keine Informationen, die sie im Laufe des Schiedsverfahrens von einem der beiden Vertragsstaaten oder von der Schiedsstelle erhalten haben, Dritten offenzulegen. Hiervon ist jedoch die Schiedsentscheidung selbst ausgenommen. 

Die Erfüllung der ersten und der dritten Voraussetzung wird in den meisten Fällen unproblematisch sein. Nach Auffassung des Verfassers gilt dies auch für die zweite Voraussetzung. Nur wenn beide Staaten gemeinsam zum Ergebnis gelangen, der Fall ist nicht für das Schiedsverfahren geeignet, würde dieses nicht eingeleitet. Diese Übereinkunft sollte regelmässig auf Sachverhalte beschränkt sein, in denen der Steuerpflichtige durch missbräuchliche Strukturen ungerechtfertigte Steuervorteile in beiden Ländern erzielen möchte, bzw. beide Länder auch gegeneinander auszuspielen versucht.

Vorgehensweise - das Schiedsverfahren in der Praxis.

Das Schiedsverfahren kann auf Verlangen des Steuerpflichtigen eingeleitet werden, wenn durch ein Verständigungsverfahren innerhalb von 3 Jahren bis zur Einleitung des Schiedsverfahrens keine Lösung gefunden wurde. Zu kritisieren ist die lange Dauer von 3 Jahren - zumal das OECD-Musterabkommen für das Verständigungsverfahren lediglich 2 Jahre vorsieht.

Der Schiedsspruch ist dann für alle Beteiligten verpflichtend - es sei denn eine Person, deren Steuerpflicht durch die Regelung unmittelbar betroffen ist oder durch die das Schiedsverfahren eröffnet wurde, erkennt diesen nicht an.

Nach Art. 26 Abs. 7 DBA D-CH sollen Einzelheiten zur Durchführung von den zuständigen Behörden geregelt werden (noch ausstehend). Es besteht zwischen den beiden Ländern aber wohl Einigkeit, dass die Vorgehensweise analog zu dem Verfahren ablaufen soll, welches zwischen den USA und der Schweiz vereinbart wurde. Dieses sieht vor, dass jeder Vertragsstaat einen Lösungsvorschlag der Schiedsstelle unterbreiten kann, welche sich dann für einen der beiden Vorschläge entscheidet. Folglich ist kein «Mittelweg» zwischen den beiden unterbreiteten Lösungsansätzen vorgesehen. Vielmehr wird einer der beiden Vertragsstaaten obsiegen, der andere wird dagegen vollständig sein proklamiertes Besteuerungsrecht verlieren. Es ist somit davon auszugehen, dass mit der Einführung der Schiedsklausel de facto der Druck auf beide Vertragsstaaten wachsen wird, sich bereits im Verständigungsverfahren zu einigen. Wird dagegen nur ein Vorschlag eingereicht, ist dieser zwingend als Schiedsspruch zu übernehmen. Letztere Variante dürfte in der Praxis eher von theoretischer Natur sein.

Das Verständigungsverfahren steht grundsätzlich parallel zum nationalen Rechtsweg offen. D.h, es ist nicht von der Erschöpfung des nationalen Rechtsweges abhängig. Daher ist auch zu empfehlen, parallel zum Schiedsverfahren den nationalen Rechtsweg einzuleiten.

Unbekannte mit vielen Vorzügen

Die Einführung eines Schiedsverfahrens ist sehr zu begrüssen. Sie ist ein wichtiger Schritt, um die Rechts- und Planungssicherheit sowie die grundsätzliche Situation für die Steuerpflichtigen zu verbessern. So werden Streitigkeiten der beiden Vertragsstaaten über die Besteuerung zukünftig nicht mehr auf dem Rücken der Steuerpflichtigen ausgetragen. Vielmehr wird es zwingend eine Einigung geben - und somit eine Mehrfachbesteuerung vermieden.

Das Schiedsverfahren ist sicherlich derzeit noch eine «Unbekannte» – ihre Vorzüge werden sich aber bald schon in der Praxis zeigen.

(Bildquelle: © Kuzma/iStockphoto)




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