Bei international tätigen Arbeitnehmern gibt es in Deutschland immer wieder grosse steuerliche Gefahren. Das höchste deutsche Finanzgericht, der Bundesfinanzhof (BFH), hatte zu einer Fallkonstellation erneut zu urteilen. Nachfolgend
werden die wichtigsten Kernaussagen erläutert.

Inhalt des Urteils
Im Urteil vom 4.11.2021 (VI R 22/19) befasst sich der BFH mit der Frage zum wirtschaftlichen Arbeitgeber. Ein in der
Schweiz ansässiger Geschäftsführer der Schweizer Muttergesellschaft war zusätzlich als Geschäftsführer für die deutsche
Tochtergesellschaft tätig. Ein Arbeitsvertrag mit der deutschen Tochtergesellschaft wurde nicht geschlossen. Aufgrund
des fehlenden Arbeitsvertrags war strittig, ob die deutsche Gesellschaft steuerlich als sog. wirtschaftliche Arbeitgeberin des
Geschäftsführers anzusehen ist. In diesem Falle ergibt sich eine Verpflichtung zur Abführung der deutschen Lohnsteuer; Ohne Einbehalt haftet die deutsche Gesellschaft für diese.

Begriff des wirtschaftlichen Arbeitgebers
In Deutschland müssen Arbeitgeber auf Gehaltszahlungen und Dergleichen Lohnsteuer einbehalten. Um bei fehlenden Arbeitsverträgen den Lohnsteuereinbehalt sicherzustellen, wurde der Begriff des wirtschaftlichen Arbeitgebers eingeführt. Hiernach muss ein Unternehmen Lohnsteuer einbehalten, wenn es den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt oder hätte tragen müssen. Letzteres gilt durch eine Gesetzesänderung erst für alle «Steuerjahre» seit 2020. Unbedeutend ist folglich, wer den Arbeitslohn tatsächlich an den Arbeitnehmer auszahlt. Im Urteil stellt der BFH klar, dass folgende Merkmale zu prüfen sind:

1. Wirtschaftliches Tragen des Arbeitslohns durch das deutsche Unternehmen
2. Arbeitgebereigenschaft des deutschen Unternehmens

Wirtschaftliches Tragen des Arbeitslohns
Im entscheidungsrelevanten Fall erfolgt die Geschäftsführertätigkeit für das deutsche Unternehmen aufgrund einer Dienstleistungsvereinbarung zwischen der Schweizer Muttergesellschaft und der deutschen Tochterunternehmung. Hiernach hatte das Tochterunternehmen monatlich eine pauschale Vergütung an die Schweizer Muttergesellschaft zu zahlen. Die deutsche Finanzverwaltung sah in dieser Zahlung eine (indirekte) Zahlung des Arbeitslohns des Geschäftsführers. Der BFH stellte aber klar, dass weitergehende Prüfungen vorzunehmen sind. Kein wirtschaftlicher Arbeitgeber läge nämlich bei Dienstleistungsverträgen vor. Hierbei schuldet eine Gesellschaft eine Dienstleistung, beispielsweise die Übernahme der Geschäftsführung. Der Arbeitslohn des Geschäftsführers ist dann nur ein Preisbestandteil der Gesamtvergütung. Sämtliche Preisbestandteile werden dann unter Einschluss eines Gewinnaufschlags fakturiert bzw. weiterbelastet. In solchen Fällen besteht keine Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug.

Arbeitgebereigenschaft
Der BFH führt weiter aus, dass zum deutschen Unternehmen auch faktisch eine Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Stellung bestehen muss. Hierzu ist u.a. zu prüfen, ob der Einsatz des Mitarbeiters im Interesse des deutschen Unternehmens erfolgt. Dies sei zwar bei Geschäftsführern der Grundsatz; Ausnahmen, in denen der Einsatz im Interesse der Muttergesellschaft liegt, können jedoch vorliegen. Weitere Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf des deutschen Unternehmens eingebunden und dessen Weisungen unterworfen ist. Eine solche Einbindung und Weisungsgebundenheit ergibt sich im Regelfall durch den Abschluss eines Arbeitsvertrages. Im vorliegenden Fall ist mangels eines solchen Vertrages mit der deutschen Gesellschaft auf andere Regelungen, beispielsweise im Gesellschaftsvertrag, abzustellen. Ferner führte der BFH aus, dass im Falle von fehlenden Regelungen zu den Rechten und Pflichten des Arbeitnehmers die Tätigkeit des Geschäftsführers auch als eine selbständige Tätigkeit zu qualifizieren sein könnte. Dies ist insbesondere möglich, wenn der Geschäftsführer an der Muttergesellschaft beteiligt ist und diese 100%ige Anteilseignerin der deutschen Gesellschaft ist. Bei einer selbständigen Tätigkeit läge ebenfalls keine Verpflichtung zur Abführung von Lohnsteuern vor.

Was bedeutet dies für die Praxis?
Ob eine Verpflichtung zum Einbehalt von deutscher Lohnsteuer bei zivilrechtlich im Ausland angestellten Geschäftsführern vorliegt, ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Aus dem vorliegenden Urteil ergeben sich somit verschiedene Fälle, bei denen keine Lohnsteuerabzugsverpflichtung vorliegen sollte:

1. Die Tätigkeit des Geschäftsführers erfolgt im überwiegenden Interesse der ausländischen Muttergesellschaft, beispielsweise, um die Durchsetzung der von der Muttergesellschaft vorgegebene Strategie sicherzustellen.
2. Der Geschäftsführer ist nicht in den Arbeitsablauf der deutschen Gesellschaft eingebunden bzw. nicht weisungsgebunden.

Ferner ist nach Auffassung der BFH Richter bei konzerninterner internationaler Mitarbeitertätigkeit Folgendes zu beachten:

  • Die Zahlungen zwischen den Konzerngesellschaften müssten drittvergleichskonform sein. Zu hohe Zahlungen der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft sind regelmässig eine verdeckte Gewinnausschüttung und wären zusätzlich steuerlich nicht als Betriebsausgaben bei der deutschen Gesellschaft abzugsfähig.
  • Bei Tätigkeiten für mehrere Gesellschaften seien die Vergütungen auf die einzelnen Konzerngesellschaften angemessen zu verteilen. Für die drittvergleichskonforme Aufteilung sei der vom Mitarbeiter tatsächlich erzielte Arbeitslohn und die für die Gesellschaft tatsächlich ausgeübte Tätigkeit zu berücksichtigen.