Selbstanzeige durch Unternehmen im Schweizer Steuerrecht – Teil 1
14. Mär 2016, Recht & Steuern | Steuerdelikt

Selbstanzeige durch Unternehmen im Schweizer Steuerrecht (1/2)

Überblick und Fallstricke im Schweizer Steuerrecht. Werden nachträglich Sachverhalte in Unternehmen entdeckt – welche gegenüber den Steuerbehörden nicht bekannt gegeben wurden – stellt sich die Frage, ob ein Steuerdelikt vorliegt. Dieses gilt es dann zu bereinigen.

Auch ist fraglich, ob sich die Organe einer Gesellschaft – insbesondere die Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsführung – persönlich strafbar gemacht haben. Bevor jedoch voreilig eine eventuell unvollständige Selbstanzeige eingereicht wird, sollte der Sachverhalt möglichst vollständig ermittelt werden. Dabei kommt gerade bei Unternehmen folgender Abgrenzung grosse Bedeutung zu:

  • Sachverhalte, welche nur auf Nachfrage der Steuerbehörden offen zu legen sind.
  • Sachverhalte, welche durch das Unternehmen spontan offen gelegt hätten werden müssen.

Nur in letzterem Fall kann ein Steuerdelikt vorliegen – beziehungsweise sollte nur dann eine Selbstanzeige über sämtliche betroffenen Steuern in Erwägung gezogen werden.

1. Täterkreis und Strafregistereintrag

Die Zahl der in den letzten Jahren verfolgten Steuer- beziehungsweise Abgabebetrugsdelikte ist im Vergleich zu den verfolgten Steuerhinterziehungsdelikten verschwindend klein.

  • Gewinn- und Kapitalsteuern

Mit Bezug auf Steuerdelikte im Unternehmensbereich bedeutet dies, dass Steuerhinterziehungsverfahren bei den Gewinn- und Kapitalsteuern gegen die Gesellschaften selbst, nicht aber gegen deren Organe – wie Verwaltungsräte oder Geschäftsführer – geführt werden.

Hintergrund dabei ist, dass es sich im Bereich der Gewinn- und Kapitalsteuern bei der Steuerhinterziehung um ein sogenanntes echtes Sonderdelikt handelt. Dieses kann nur durch die steuerpflichtige Person selbst erfüllt werden, nicht durch dessen Organe. Diese könnte jedoch wegen Anstiftung oder Gehilfenschaft (Beihilfe) verfolgt werden – was in der Praxis selten vorkommt.

  • Verrechnungssteuer, Stempelabgaben, Mehrwertsteuer

Demgegenüber sind folgende Hinterziehungsdelikte als sogenannte gemeine Delikte ausgestaltet:

  • Verrechnungssteuer
  • Stempelabgaben – insbesondere die Emissionsabgabe sowie die Umsatzabgabe
  • Mehrwertsteuer

Eine Strafverfolgung richtet sich damit gegen die Organe, nicht gegen die Gesellschaft selbst. Die gleichzeitige Einreichung einer Selbstanzeige durch alle Organe (sowie weiterer, involvierten Personen) kommt hier eine besondere Bedeutung zu – insofern verhindert werden soll, dass einzelne Organe (oder andere Personen) nicht in den Genuss einer strafbefreienden Selbstanzeige kommen.

Eine ersatzweise Verurteilung der Gesellschaft anstelle der Organe ist nur möglich, wenn die Busse höchstens CHF 5.000 betragen würde. Diese Grenze liegt im Bereich der Hinterziehungsdelikte bei der Mehrwertsteuer bei CHF 100.000.

2. Höhe der Busse

Bei Hinterziehungsdelikten orientiert sich die Busse typischerweise an der hinterzogenen Steuer – oder entspricht dieser. Daher dürfte bei grösseren hinterzogenen Steuerbeträgen eine ersatzweise Verurteilung der Gesellschaft ausgeschlossen sein.

Werden beispielsweise verdeckte Gewinnausschüttungen im Konzern vorgenommen,  die den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen, haben die Organe selbst ein persönliches Interesse an einer Bereinigung der Situation mittels Selbstanzeige.

Im Gegensatz zu Verurteilungen wegen Verstössen gegen kantonale Strafbestimmungen, werden – vereinfacht dargestellt – unter anderem Bussen aufgrund von Verurteilungen natürlicher Personen wegen Verstössen gegen Bundessteuerstrafbestimmungen im Strafregister eingetragen. Dies geschieht sofern die Busse mehr als CHF 5.000 beträgt. Bezugnehmend auf den vorangehenden Absatz bedeutet dies, dass Organe insbesondere bei Steuerdelikten in den Bereichen der Verrechnungssteuer, der Stempelabgaben sowie der Mehrwertsteuer Gefahr laufen, einen Strafregistereintrag zu riskieren.

3. Verjährungsfristen

Im Bereich der steuerstrafrechtlichen Verjährungsfristen herrscht zurzeit ein Wirrwarr. So geben die Steuergesetze allein nicht mehr Auskunft über die anwendbaren Verfolgungsverjährungsfristen. Das heisst, derjenigen Frist, in welcher eine Strafverfügung der Behörden (oder ein erstinstanzliches Urteil) vorliegen muss, damit eine Verurteilung noch möglich ist.

Mit Inkrafttreten dieser genannten Bestimmungen im Jahr 2002 fand zudem ein Systemwechsel bei der Berechnung der Verfolgungsverjährungsfrist statt. Dieser Systemwechsel führte dazu, dass beispielsweise eine Steuerhinterziehung später als ein Steuerbetrug (als qualifiziertes, das heisst schwereres Delikt) verjährte. Diese Unstimmigkeiten wurden durch das Bundesgericht im Bereich der Zoll- und Mehrwertsteuerdelikte korrigiert. Auch in anderen Steuerbereichen dürfte der Grundsatz gelten, dass die Verjährung für ein Grunddelikt nicht länger sein kann als für ein qualifiziertes Delikt. 

Dabei gilt es zu beachten, dass die genannten Fristen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu laufen beginnen – grösstenteils mit Ablauf der betreffenden Steuerperiode, teilweise aber auch zu einem anderen Zeitpunkt. Um das eingangs erwähnte Wirrwarr etwas zu entschärfen und das Fristenverhältnis unterschiedlich schwerer Delikte wieder aufeinander abzustimmen, wurde für die Direkten Steuern (vorliegend relevant für die Gewinn- und Kapitalsteuern) eine Anpassung der Fristen beschlossen.

>> zum ersten Teil der Artikelreihe «Selbstanzeige durch Unternehmen im Schweizer Steuerrecht».

(Bildquelle: © DragonImages/iStockphoto)




Schliessen Button
Immer erstklassig informiert

Melden Sie sich für den Newsletter der Handelskammer Deutschland-Schweiz an.