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20. Mai 2021, Wirtschaft | Nachhaltigkeit

Nachhaltige Finanzinstrumente – von der Nische ins Rampenlicht

Die Bedeutung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg wächst spürbar.

Immer mehr Unternehmen reagieren auf den erkennbaren politischen und gesellschaftlichen Wandel, indem sie ihre Produkte, Produktionsprozesse und Wertschöpfungs- bzw. Lieferketten nachhaltiger gestalten. Doch was fällt alles unter «nachhaltig»? Nur klimaschonende Initiativen – oder viel mehr? Und welche nachhaltigen Finanzprodukte stehen aktuell zur Verfügung? Marc Steinkat, CEO der Commerzbank Schweiz, nimmt im Interview mit der CH-D Wirtschaft Stellung.

Wie kann man es erklären, dass sich Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren vom Nischenthema zu einem der wichtigsten Punkte auf der Agenda der Finanzabteilungen von Unternehmen entwickelt hat?

Marc Steinkat: Dafür sorgte zunächst ein erhöhter gesellschaftlicher Druck und vor allem ein immer strengeres Regelwerk. Meilensteine waren natürlich das Pariser Abkommen von 2015, der Aktionsplan der Europäischen Kommission für ein nachhaltiges Finanzwesen von 2018 und der EU Green Deal vom Dezember 2019, der das Ziel vorgab, bis 2050 in der Europäischen Union die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null zu reduzieren.

Die EU möchte den Finanzsektor dabei noch stärker als bisher als Hebel zur Transformation der Unternehmen aus der Realwirtschaft nutzen, unter an derem mithilfe der neuen Taxonomie, die auf europäischer Ebene eine allgemein verbindliche Definition für ökologisch nachhaltige Investitionen umfasst. Die Bedeutung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten – kurz ESG – für einen langfristigen wirtschaftlichen Erfolg wächst also spürbar.

Welche Aufgabe haben dabei die Banken?

Marc Steinkat: Banken, die als Hebel zur Transformation dienen, spielen dabei eine Schlüsselrolle. Wir sind uns in der Commerzbank unserer Verantwortung gegenüber Kunden, Mitarbeitern und Gesellschaft bewusst. Deshalb bauen wir fortlaufend unsere eigene Nachhaltigkeitsagenda aus. Neben einer weiteren Reduzierung unseres ökologischen Fussabdrucks beinhaltet das vor allem auch die Unterstützung unserer Kunden auf deren Weg zu mehr Nachhaltigkeit.

Verantwortungsvolles Handeln ist bereits seit vielen Jahren in unserer DNA verankert, Nachhaltigkeit ist ein integraler Bestandteil unserer Unternehmensstra- tegie. Als Partner unserer Firmenkunden sehen wir darin die Chance, unsere Kunden mit passgenauen Produkt- und Beratungsangeboten in ihrem Transformationsprozess zu begleiten und mögliche Risiken zu mitigieren. Wir stehen bereit, um Unternehmen bei aktuellen Projekten ebenso zu unterstützen wie bei langfristigen Nachhaltigkeitszielen – zum Wohle der Umwelt, der Menschen und der Wirtschaft. Diese Ziele schliessen sich keineswegs aus, sondern sind untrennbar miteinander verbunden. Wir wollen mit unserem Kerngeschäft Einfluss auf eine
nachhaltige Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft nehmen und unsere Kunden fair und kompetent beraten.

Aufbauend auf den Green Bond Principles haben wir unser eigenes Green Bond Framework aufgesetzt und uns so selbst einem ebenso strengen wie nachhaltigen Framework bei der Emission eigener grüner Anleihen unterworfen. Auf dieser Grundlage haben wir auch unsere beiden Green Bonds begeben.

Aber es geht ja nicht nur um nachhaltige Anleihen. Seit mehr als drei Jahrzehnten sind wir in der Finanzierung von erneuerbaren Energien aktiv. Mit unserem Competence Center Energy in Hamburg gehören wir zu den grössten Finanzierern erneuerbarer Energien in Europa. Und wir beteiligen uns aktiv am CO2-Zertifikatehandel. Immer mehr Unternehmen stehen unter dem Druck, den eigenen CO2-Fussabdruck zu verringern. Wir unterstützen sie dabei durch den Kauf und die Stilllegung von CO2-Zertifikaten. Auf dem europäischen Emissionsrechtemarkt rangieren wir unter den führenden Banken.

Auf welche nachhaltigen Finanzinstrumente können Unternehmen bei Ihnen zurückgreifen?

Marc Steinkat: Auf bereits eine ganze Reihe. Beginnen wir chronologisch mit den Sustainable Bonds, zu denen auch Green Bonds und Social Bonds gehören. Green Bonds, deren Finanzmittel ausschliesslich zur Finanzierung neuer oder bestehender förderungswürdiger Umweltvorhaben verwendet werden, sind übrigens keine ganz neue Idee: Den ersten Green Bond weltweit begab die Europäische Investitionsbank mit dem «Climate Awareness Bond» bereits 2007.

Nicht in solche Umwelt- oder Klimaschutzvorhaben, sondern in soziale Projekte fliessen die Finanzmittel von Social Bonds. Im Mittelpunkt stehen hier Investitionen, die z.B. den Zugang zu Gesundheitsvorsorge, Bildung und bezahlbarem Wohnraum fördern oder die Versorgung mit Nahrungsmitteln verbessern sollen. Andere Anleihen, die sowohl grüne als auch soziale Projekte finanzieren, werden allgemein als Sustainable Bonds bezeichnet.

Darüber hinaus sehen wir seit einigen Monaten auch einen Anstieg von sogenannten Sustainability-Linked Bonds, nachhaltigen Anleihen, die nicht an einen bestimmten Verwendungszweck, sondern an die Nachhaltigkeitsentwicklung des Emittenten insgesamt anknüpfen.

Das Gesamtvolumen aller Green und Social Bonds, deren Emission die Commerzbank 2020 begleitete, betrug 46,3 Mrd. Euro. 2019 waren es erst 12 Mrd. Euro.

Gibt es Vergleichbares auch auf der Kreditseite?

Marc Steinkat: Auch auf der Kreditseite lässt sich Nachhaltigkeit durch einen entsprechenden grünen oder sozialen Verwendungszweck erreichen – beispielsweise bei Sustainable Loans und nachhaltigen Schuldscheinen. Beide Instrumente stehen ausschliesslich zur vollständigen oder teilweisen Finanzierung oder Refinanzierung neuer und/oder bestehender förderfähiger nachhaltiger Projekte zur Verfügung.

Darüber hinaus hat sich im Markt für syndizierte Kredite das Instrument des Sustainability-Linked Loans etabliert. Hier kann der Kredit ohne Vorgaben für allgemeine Unternehmenszwecke verwendet werden – allerdings richtet sich die Marge des Kredites danach, wie weit das Unternehmen nachhaltigkeitsbezogene Leistungsindikatoren (Key Perfomance Indicators – KPIs) erfüllt. Diese KPIs können ein Nachhaltigkeitsrating oder andere Kriterien umfassen, die aus der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens abgeleitet werden. Je besser sich die KPIs entwickeln und die gesteckten Ziele erfüllen, desto geringer fällt die Marge aus – und umgekehrt.

Bei den letztgenannten Finanzinstrumenten gab es in den vergangenen Jahren eine rasche Entwicklung, angefangen 2017 mit dem ersten Sustainability-Linked RCF, bei dem die Verzinsung an das ESG Rating geknüpft war, bis hin zur Veröffentlichung der Sustainability-Linked Loan Principles im Jahr 2020. Als einer der wichtigsten Arrangeure für Sustainable und Sustainability-Linked Loans in Europa war die Commerzbank 2020 an 27 Green oder ESG-Linked Loans mit einem Gesamtvolumen von 44,4 Mrd. Euro beteiligt.

Wie entwickelt sich der Markt – sind grüne Finanzprodukte Ladenhüter oder Bestseller?

Marc Steinkat: Eindeutig Bestseller. Der Markt für nachhaltige Anleihen wächst enorm. Gut möglich, dass im Jahr 2021 die Marke von umgerechnet 500 Mrd. Euro Gesamtvolumen überschritten wird. Dabei entfällt das grösste Emissionsvolumen auf Europa. Bemerkenswert ist auch die Verschiebung der Verhältnisse am Primärmarkt für nachhaltige Anleihen. Gemessen am Emissionsvolumen belief sich der Anteil der Social Bonds 2013 gerade mal auf 1 Prozent, während 99 Prozent auf Green Bonds entfielen. Inzwischen haben die Social Bonds deutlich aufgeholt und 2020 einen Anteil von rund 30 Prozent erreicht. Auf Green Bonds entfielen ca. 50 Prozent und 20 Prozent auf gemischte nachhaltige Anleihen.

Sind alle grünen Finanzprodukte wirklich «grün»?

Marc Steinkat: Sie sprechen das sogenannte Green Washing an, also die grüne Verkleidung von im Kern ganz und gar nicht grünen Produkten. Um das zu vermeiden, sind Transparenz und einheitliche Standards wichtig, wie sie sich in den vergangenen Jahren für unterschiedliche Produkte herausgebildet haben. Für grüne Anleihen sind das beispielsweise die Green Bond Principles, die erstmals 2014 veröffentlicht wurden, um die Standardisierung, Integrität und Transparenz im Markt für Green Bonds zu fördern. Auch die Commerzbank ist seit 2014 Mitglied dieser Principles. Eine im Einklang mit den Green Bond Principles begebene Anleihe muss dabei gewisse Kriterien erfüllen, u.a. in Bezug auf Definition des Verwendungszwecks, Projektbewertung und -auswahl, Management der Emissionserlöse und Reporting.

Seit 2020 sind wir auch Partner der Climate Bonds Initiative, einer gemeinnützigen internationalen Initiative, an der sich weltweit mehr als 100 Partner aus dem Finanzdienstleistungsbereich beteiligen. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, mit dem globalen Bondmarkt einen Beitrag zu einer CO2-effizienten und klimaresistenten Wirtschaft zu leisten. Um einen Climate Bond nach den Definitionen der Initiative begeben zu können, muss der Emittent nachweisen, dass mit dem Emissionserlös klimaschädliche CO2-Emissionen reduziert werden oder die Klimaresistenz der Wirtschaft erhöht wird.

Weitere Fortschritte in Sachen Transparenz erwarten wir von der schon erwähnten Taxonomie-Verordnung der Europäischen Union. Sie soll die Kriterien dafür definieren, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. So lässt sich der Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermitteln. Es lohnt sich also, mehr Daten offenzulegen, um die Nachhaltigkeitsaspekte eines Projekts oder einer Transaktion aufzuzeigen und Kapitalströme auf dieses Projekt zu lenken.

Die Taxonomie hat eine einheitliche Terminologie für nachhaltige Finanzierer geschaffen und erlaubt gleichzeitig ein effektives Benchmarking. Zusammen mit branchenweiten Initiativen wie den Green Bond Principles könnte die Taxonomie zum grundlegenden Rahmen für Emissionen werden, nicht nur in Europa, sondern weltweit.

Mehr Transparenz durch Offenlegung ist übrigens auch das Ziel der EU-Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor. Sie ist am 10. März 2021 in Kraft getreten. Die Konsequenz, die wir als Commerzbank daraus gezogen haben: Wir stellen noch mehr Informationen zur Verfügung – sowohl zur Nachhaltigkeit in Investitionsentscheidungen als auch zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken.

Marc Steinkat, CEO Commerzbank Schweiz
Ganz generell: Was können Firmenkunden in der Schweiz von der Commerzbank in Sachen Nachhaltigkeit erwarten?

Wir bieten unseren Kunden Strukturierungs- und Beratungsservices im Zusammenhang mit nachhaltigen bzw. Sustainability-Linked Loans und Schuldscheindarlehen sowie entlang des gesamten Emissionsprozesses nachhaltiger Anleihen. Dafür bringen wir reichlich Erfahrung mit. Im Schweizer Franken-Markt haben wir beispielsweise Emissionen von Bonds der Berlin Hyp, Münchener Hypothekenbank und Otto federführend begleitet. Ausserdem bieten wir Projektzertifikate nach Thema und Region an, mit denen Unternehmen gezielt Emissionen kompensieren können. Und wir haben bereits beim Aufsatz grüner Garantielinien mitgewirkt.

Kurz: Unser Ziel ist es, unsere Firmenkunden mit Blick auf ein nachhaltiges Geschäftsmodell als Bankpartner umfassend zu beraten und neue Geschäftsimpulse zu setzen.

Aktuelle Artikel der Commerzbank zum Thema Nachhaltigkeit finden Sie unter diesem Link.




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