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22. Jul 2014, Wirtschaft | Abkommenspolitik

Liechtenstein ist berechenbar

Die offensive Abkommenspolitik Liechtensteins wurde vor fünf Jahren beschlossen und mündet heute in über 30 Abkommen. Dr. Heinz Frommelt erklärt, ob und wie diese neuen Rahmenbedingungen in der Praxis Eingang finden.

Herr Frommelt, was bedeutet die neue Abkommenspolitik Ihrer Regierung für den Standort Liechtenstein und für Steuer- und Wirtschaftsberatungskanzleien?

Herausforderungen. In erster Linie aber Chancen. Die liechtensteinische Regierung hat richtig entschieden, als sie frühzeitig den Weg der Transparenz in Steuerfragen eingeschlagen hat. Das hat einerseits den internationalen Druck vom Finanzplatz genommen, andererseits war es aber auch ein Wake-up-Call für alle Finanzplatzteilnehmer. Ein frühzeitiger Richtungswechsel hat dem Standort gut getan, um den sich anbahnenden Transformationsprozess bewältigen zu können. Die Abkommenspolitik ist dabei das A und O eines erfolgreichen Finanzplatzes. Dabei geht es nicht nur um den Austausch von Steuerinformationen, sondern eben auch um die Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Jedoch müssen diese neuen Rahmenbedingungen nun in der Praxis mit Leben gefüllt werden.

Heisst das, dass die Wandlung lediglich aufgrund des internationalen Drucks möglich war?

Nein, das würde ich so nicht bestätigten. Liechtenstein wusste seit Ende der achtziger Jahre – als die OECD begann, internationale Zusammenhänge auch steuerlich vermehrt unter die Lupe zu nehmen – dass sich diesbezüglich vieles verändern wird. Der erste markante Vorstoss kam dann allerdings Ende der neunziger Jahre mit der FATF im Bereich der Bekämpfung der Geldwäscherei. Und hier hat Liechtenstein sehr vieles unternommen. Allerdings wurden bereits damals die Themen Geldwäscherei und Steuerthematik politisch eng verknüpft. Dennoch konnte wohl kaum jemand vor zehn und mehr Jahren voraussehen, dass Steuerhinterziehung einmal als Vortat zur Geldwäscherei erklärt wird. Heute stehen wir genau dort.

Neu ist auch, dass international zwar nach wie vor Druck ausgeübt wird, der konstruktive Weg und Einbezug inzwischen jedoch dem «name and shame»-Verfahren vorgezogen wird.

Inzwischen hat sich Liechtenstein auch zum automatischen Informationsaustausch bekannt und will diesen ebenfalls zügig einführen. Welche Konsequenzen wird dies haben?

Der automatische Informationsaustausch wird in spätestens drei Jahren weltweit Standard sein. Es wäre falsch, hier nicht mitmachen zu wollen. Ein kleines Land wie Liechtenstein kann und sollte sich nicht internationalen Entwicklungen entziehen. Diese Erkenntnis ist bei uns im Land sehr früh gereift. Es geht jetzt darum, die Standards richtig umzusetzen und die dafür nötigen Abkommen auch grössenverträglich abzuschliessen. Schlussendlich bedeutet die Einführung des AIA insbesondere für die Banken – aber auch für die gesamte Finanzbranche – einen erhöhten technischen und administrativen Aufwand.

Soweit unsere Kontakte mit der OECD zeigen, will sie einen pragmatischen Weg gehen, der auch für die Finanzdienstleister nachvollziehbar ist. Liechtenstein wird dies einmal mehr als Chance sehen und die Vorteile des Finanzplatzes weiter stärken.

In Deutschland ist zeitweilig der Eindruck entstanden, Liechtenstein sei «weg vom Fenster» – da das Bankgeheimnis als einziges Geschäftsmodell galt.

Das kann man keineswegs sagen. Das Bankgeheimnis ist zwar im Bereich Steuern international eingeschränkt, doch gilt es nach wie vor zum Schutz der Privatsphäre. Nicht jeder kann einfach die Bankunterlagen eines Kunden einsehen. Andererseits ist Liechtenstein inmitten Europas und als Mitglied zweier Wirtschaftsräume – dem EWR und der Schweiz – ausserordentlich attraktiv. Das Fürstentum ist zudem international ausgerichtet und gut vernetzt. Weltweit tätige Unternehmen brauchen für ihre Aktivitäten einen global vernetzten Finanzplatz.

Welche Geschäftsfelder ergeben sich aus diesem neuen steuer- und gesellschaftsrechtlichen Umfeld?

Zahlreiche. Liechtenstein beginnt wieder, an Reputation zu gewinnen – wenn es um legale Strukturierungen von Vermögen oder Unternehmen im internationalen Umfeld geht. Wir haben heute mehr internationale Mandate mit grösserem Beratungsaufwand, da komplexe Fälle im internationalen Steuerrecht zu beraten sind. Die Totalrevision des Steuerrechts und die Anpassungen im Stiftungsrecht haben Liechtensteins noch attraktiver gemacht.

Nach wie vor werden mit Liechtenstein vielfach Stiftungen in Verbindung gebracht. Dabei bietet das liechtensteinische Gesellschaftsrecht weit mehr Gestaltungsmöglichkeiten im steuerkonformen Bereich. So gibt es beispielsweise auch bei uns die in Deutschland sehr beliebte GmbH & Co KG.

Warum sollten deutsche Unternehmen mit internationaler Ausrichtung Liechtenstein als Standort in ihre Überlegungen einbeziehen?

Unsere deutschen Kollegen bestätigen uns, dass Liechtenstein aufgrund seiner Lage und Einbindung in die EU über die Mitgliedschaft im EWR an Strukturierungs-Bedeutung für Unternehmen gewinnt. Liechtenstein arbeitet derzeit an einer weiteren Verbesserung des Steuerrechts und wird als Standort auch wegen seiner Stabilität und Berechenbarkeit geschätzt. Das ist allerdings eine Daueraufgabe, an der das Land selbst permanent arbeiten muss. Die jüngsten Abstimmungen in der Schweiz haben gezeigt, wie schnell gerade international tätige Unternehmen verunsichert werden können, die Berechenbarkeit brauchen.

Liechtenstein ist zudem eines der industrialisiertesten Länder der Welt mit professioneller Verwaltung und mitteleuropäischer Infrastruktur. Das stärkt den Wirtschaftsstandort als Ganzes. Und nicht zuletzt verfügt Liechtenstein aufgrund seiner Kleinheit über einen sehr dynamischen Finanzplatz. Für deutsche Unternehmen kommt die kulturelle und sprachliche Nähe Liechtensteins als Vorteil dazu. Deutschland hat zudem Ende 2012 ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Liechtenstein abgeschlossen, dass gerade für deutsche Investoren interessant ist.

Inwiefern?

Das DBA unterstützt die ohnehin schon guten Beziehungen mit unserem wichtigsten Handelspartner. Es bringt Rechts- und Planungssicherheit für Investoren beider Länder. So werden insbesondere grenzüberschreitende Beteiligungen von Quellensteuern entlastet – indem unter bestimmten Umständen Nullsätze für Quellensteuern auf bestimmte Dividenden, Zinsen und Lizenzen vereinbart wurden, die zwischen Deutschland und Liechtenstein fliessen. Auch verhinderten die Verhandlungspartner mit einer Missbrauchsklausel, dass beispielsweise Briefkastenfirmen zur Steuervermeidung benutzt werden können. Wollen Unternehmen vom DBA profitieren, braucht es in Liechtenstein echte unternehmerische Substanz.

Ist denn das notwendige Know-how am Finanzplatz Liechtenstein überhaupt vorhanden?

Ich kann hier naturgemäss nur für unser Unternehmen sprechen. Wir haben zahlreiche Fachspezialisten im Team, die sich in Bereichen des Wirschafts- und Gesellschaftsrechts sowie im Finanz- und Steuerrecht sehr gut auskennen. Zudem pflegen wir eine enge Zusammenarbeit mit den renommierten Kanzleien Flick Gocke Schaumburg in Deutschland sowie LeitnerLeitner in Österreich. Aber wir sind permanent dabei, weiteres Know-how aufzubauen. Einerseits rekrutieren wir Spezialisten, andererseits bauen wir durch aktive Weiterbildung auch intern das bestehende Kompetenzen weiter aus. Liechtensteins Finanzwirtschaft gehört nach wie vor zu den attraktiven Arbeitgebern und investiert in den Know-how-Zuwachs.

Stichwort Vergangenheitsbewältigung: Das deutsche Bundesfinanzministerium, wie auch die Finanzminister der Länder haben inzwischen mehrfach darauf hingewiesen, dass die Selbstanzeige der einzige noch verbleibende Weg ist, um in die Steuerkonformität zu ge

Das Scheitern des Abkommens zwischen Deutschland und der Schweiz hat auch in Liechtenstein zu einem Umdenken geführt. Bereits vorher war Liechtenstein zu weiterreichenden Abkommen bereit – wie das Abkommen mit Grossbritannien zeigt. Die sogenannte Liechtenstein Disclosure Facility (LDF) schliesst eine Anonymität aus. Das Fürstentum wäre auch an einer Abgeltungssteuerlösung mit Deutschland interessiert gewesen, wie es die Schweiz vorhatte. Mit Österreich konnte ein solches abgeschlossen werden.

Wir haben aber in Alternativen gedacht. Zudem reift bei den Finanzplatzteilnehmern in Liechtenstein die Einsicht, dass der Weg über eine Selbstanzeige der richtige Weg ist. Viele Kunden werden daher auch aktiv angehalten, die bestehende Gelegenheit zu nutzen, ihre Vermögenssituation in Deutschland zu bereinigen.

Auch in Liechtenstein ändern sich die Sichtweisen. So hat das Parlament jüngst – ein wie es aussieht letztes Mal – beschlossen, nochmals eine Art Steueramnestie zuzulassen. Wird das Bankgeheimnis in Liechtenstein nun auch für Inländer obsolet?

Wenn man die Debatte zur Steueramnestie und Selbstanzeige im Liechtensteinischen Landtag verfolgt hat, kann es keinen Zweifel darüber geben, dass die Tage der Steuerhinterziehung im Inland gezählt sind. Den Steuerbehörden in der Schweiz und in Liechtenstein den Zugang zu steuerlich relevanten Informationen aufgrund des Bankgeheimnisses zu verwehren, ist in Liechtenstein meiner Einschätzung nach eher ein Auslaufmodell – auch wegen der internationalen Entwicklungen.

In der Schweiz gibt es bereits Bestrebungen, die Kontrolle von Bankdaten durch die Steuerbehörden zuzulassen. Liechtenstein wird in diesem Fall folgen, da bin ich mir ziemlich sicher. Die beste, jedenfalls schnellste Möglichkeit in Liechtenstein reinen Tisch zu machen, bietet noch bis Ende 2014 die Steueramnestie gemäss Art. 156 Steuergesetz – neben der gleichzeitig zur Verfügung stehenden einmaligen Selbstanzeige.

(Bildquelle: © BrianAJackson/iStockphoto)




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