Hackerangriffe (2/2)
4. Okt 2017, Finanzen | Online Banking

Hackerangriffe auf Bankkunden: Wer trägt den Schaden? (2/2)

Die Fälle von betrügerischen Banküberweisungen nehmen zu. Wie sieht die Risikoverteilung bei Fehlvergütungen aus – wo haftet die Bank und wo der Kunde?

Grundsätzliche Risikoverteilung bei Fehlvergütungen

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts erleidet bei betrügerischen Fehlüberweisungen grundsätzlich nicht der Kunde, sondern die Bank einen Schaden. Dies gilt im Grundsatz selbst dann, wenn der Bank keinerlei Verschulden bezüglich der Fehlvergütung vorgeworfen werden kann und sie gutgläubig an einen Betrüger geleistet hat.

Abwehrklauseln in Bankverträgen

Dieses Risiko der Doppelzahlung versuchen Banken vertraglich auszuschliessen oder zu minimieren. Daher enthalten die einschlägigen Bankverträge sowie die dazugehörigen AGB verschiedene branchenübliche Klauseln, die den Auszahlungsanspruch des Kunden nach einer Fehlüberweisung ausschliessen oder dessen Durchsetzung jedenfalls erschweren. Im Fokus stehen zwei Arten von Klauseln. 

1. Die Risikoverteilungsklausel

Im Fokus stehen zwei Arten von Klauseln: Sogenannte Risikoverteilungsklauseln regeln, dass im Falle einer Fehlüberweisung nicht die Bank, sondern der Kunde den Schaden zu tragen hat, sofern die Bank ihrerseits nicht grobfahrlässig gehandelt hat. Die Folge davon ist, dass die Bank dem Kunden bei einer Fehlüberweisung den Betrag nicht ein «zweites Mal» ausbezahlen muss. Risikoverteilungsklauseln sind nicht unbeschränkt gültig.

Im Verhältnis zu Firmenkunden setzt ihre Gültigkeit im Wesentlichen voraus, dass damit ein legitimes Ziel verfolgt wird, namentlich die Absicherung der Bank gegen schwer vermeidbare Risiken, die nicht in ihrem Machtbereich liegen, wie beispielsweise ein Hackerangriff auf die IT-Infrastruktur des Kunden. Unzulässig ist die Risikoüberwälzung auf den Kunden aber in jedem Fall dann, wenn die Fehlüberweisung einer groben Fahrlässigkeit der Bank zuzuschreiben ist. Eine solche liegt vor, wenn die Bank elementare Vorsichtsregeln nicht beachtet, die ein Kunde berechtigterweise erwarten darf. Grundsätzlich gilt allerdings, dass sich die Bank bei der Prüfung der Echtheit von Zahlungsaufträgen auf die vertraglich festgelegte Authentizitätsprüfung beschränken darf. Da ein rascher Zahlungsverkehr gewährleistet werden muss, hat sie Fälschungen nicht systematisch zu vermuten.

Erst wenn bei ordnungsgemässer Prüfung ernsthafte Indizien für eine Fälschung bzw. einen Hackerangriff vorliegen, muss die Bank zusätzliche Abklärungen vornehmen, beispielsweise indem sie den Auftrag vom Kunden telefonisch rückbestätigen lässt. Solche Indizien liegen insbesondere vor, wenn vertraglich nicht vorgesehene oder für den Kunden unübliche Handlungen verlangt werden oder andere ungewöhnliche Umstände vorliegen. Ignoriert die Bank solche Verdachtsmomente und tätigt sie in der Folge eine Fehlüberweisung, hat sie den Schaden auch bei Vorhandensein einer Risikoverteilungsklausel selbst zu tragen.

2. Schadenersatzanspruch der Bank

Für den Fall, dass die Risikoverteilungsklausel nicht greift, enthalten die von den Banken für den Zugriff auf ihre E-Banking-Systeme verwendeten Standardverträge und AGB jeweils detaillierte Regeln betreffend die Verwendung und Verwahrung persönlicher Legitimationsmittel (wie Passwörter, Vertragsnummern und dergleichen) für den Online-Zugriff auf das jeweilige E-Banking-System.

Liegt einem erfolgreichen Hackerangriff ein Verstoss des Kunden gegen solche Regeln zugrunde (etwa die unsichere Verwahrung eines Passworts), kann dies nach der Rechtsprechung zu einem Schadenersatzanspruch der Bank gegenüber dem Kunden führen, den diese mit dem Auszahlungsanspruch des Kunden verrechnen kann, so dass im Ergebnis wiederum der Kunde das Risiko der Fehlüberweisung trägt.

Unsichere Rechtslage beim E-Banking-Verkehr zwischen Banken und Firmenkunden

Die kundenfreundlichen Urteile zu E-Mail-Hacking-Fällen sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gerichte erstens jeden Einzelfall sorgfältig prüfen, und dass zweitens wichtige Rechtsfragen nicht höchstrichterlich geklärt sind. Letzteres gilt etwa für die Frage, welche Authentizitätsprüfung die Banken bei der Entgegennahme und Ausführung von per E-Banking übermittelten Zahlungsaufträgen vorneh- men müssen, und welches Verhalten in diesem Zusammenhang als grobfahrlässig gilt. Die bisherige Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Prüfung einer physischen Unterschrift kann hier nur bedingt weiterhelfen. Dasselbe gilt für die Rechtsprechung zu den Verdachtsmo- menten, die eine weitergehende Überprüfungspflicht der Bank auslösen. Die dies- bezüglich in den E-Mail-Hacking-Fällen als relevant betrachteten Umstände sind entweder bei der Kommunikation zwischen Computersystemen irrelevant (zum Beispiel gebrochene Sprache in einer E-Mail-Kommunikation) oder im Verkehr mit Firmenkunden wohl meistens weniger verdächtig als im Verkehr mit Privatkunden (etwa hohe Überweisungssummen ins Ausland). Der im Streitfall vom Kunden zu erbringende Beweis einer groben Fahrlässigkeit sei- tens der Bank ist deshalb nicht leicht zu führen.

Misslingt er, greift grundsätzlich die Risikoverteilungsklausel, was einem Auszahlungsanspruch des Firmenkunden gegen seine Bank entgegensteht. Weitgehend offen erscheint zurzeit, inwieweit die übrigen von den Banken ver- wendeten Abwehrklauseln wirksam sind. Dies gilt insbesondere für die den Kunden vertraglich auferlegten Regeln betreffend den Zugriff auf E-Banking-Systeme. Dazu hat das Bundesgericht nämlich festgehalten, dass in einer Zeit, in der selbst Regierungen gehackt würden, aus einem erfolgreichen Hackerangriff nicht ohne weiteres auf eine Sorgfaltspflichtverletzung des Opfers geschlossen werden könne. In der Tendenz scheinen die Gerichte zurzeit abgeneigt, den Kunden in diesem Zusammenhang einschneidende Sorgfaltspflichten aufzuerlegen.

Fazit

Das Doppelzahlungsrisiko von Banken bei Fehlüberweisungen im Zahlungsverkehr ist grundsätzlich hoch, wird aber in der Praxis durch die standardmässig verwendeten Abwehrklauseln erheblich reduziert. Im Bereich des elektronischen Zahlungsverkehrs über E-Banking und Offline-Zahlungssoftware sind die jeweiligen Sorgfaltspflichten von Banken und Kunden bis anhin nicht höchstrichterlich geklärt. Die Rechtslage hängt deshalb stark von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Rechtsprechung ist tendenziell kundenfreundlich, betrifft aber bis anhin primär Privatkunden und ist nur punktuell auf die Verhältnisse bei Firmenkunden übertragbar.




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