Austritt aus der Pensionskasse: Das gilt für Grenzgänger
5. Jan 2022, Recht & Steuern | Grenzgänger

Grenzgänger: Darauf müssen Unternehmen achten

Arbeiten im benachbarten Ausland gehört für viele Menschen zum Lebensalltag. Wenn jemand nicht in dem Land wohnt, in dem er oder sie arbeitet und entlöhnt wird, ergeben sich Fragen zum Thema Sozialversicherung.

Was müssen Unternehmen beachten, die Grenzgängerinnen und Grenzgänger beschäftigen? Wie sind die Zuständigkeiten zwischen den Ländern geregelt? Wir haben die wichtigsten Regelungen mit einem Länderschwerpunkt Deutschland-Schweiz zusammengefasst.

2020 lebten rund 62’300 Personen in Deutschland und arbeiteten in der Schweiz. Deutschland und die Schweiz unterhalten ein Sozialversicherungsabkommen, in dem die Zuständigkeiten geregelt sind. Auch in den bilateralen Verträgen und im Abkommen über die Personenfreizügigkeit (FZA) mit der EU gibt es länderübergreifende Bestimmungen. Weiter besteht zwischen der Schweiz und Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA).

Ziel dieser Abkommen ist es, dass Angehörige beider Vertragsstaaten bezüglich Leistungsansprüche gleich behandelt werden. Zudem soll vermieden werden, dass Grenzgänger doppelt durch Sozialversicherungsbeiträge belastet werden. Grundsätzlich erfolgt die Unterstellung betreffend Sozialversicherungen an dem Ort, wo die Person erwerbstätig ist.

Drehscheibe AHV

In der Schweiz ist die AHV – die Alters- und Hinterlassenenversicherung – die Drehscheibe für die Sozialversicherungen. In Deutschland ist es die Krankenkasse. Die Bestimmungen des AHV-Gesetzes und dessen Verordnungen und Wegleitungen über die sozialversicherungsmässige Zugehörigkeit sind daher hierzulande auch für die meisten übrigen Sozialversicherungen bindend.

Die AHV stellt die Basis der finanziellen Altersvorsorge im Sinne einer Existenzsicherung dar. Sie ist obligatorisch und gilt auch für Grenzgängerinnen und Grenzgänger. Die AHV-Beiträge werden direkt vom Lohn abgezogen und vom Arbeitgeber zusammen mit seinen Beiträgen an die Ausgleichskasse bezahlt. Die Beitragspflicht beginnt mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, frühestens jedoch am 1. Januar nach Vollendung des 18. Lebensjahres. Als massgebendes Erwerbseinkommen gilt in der Regel das aus einer Tätigkeit erzielte Bar- und Naturaleinkommen, also auch Lohnzulagen, Provisionen, Gratifikationen. Auch Ferien- und Nebenjobs sind AHV-pflichtig.

Anspruch auf eine Altersrente entsteht, wenn mindestens während 12 Monaten Beiträge angerechnet werden können. Zum Bezug ordentlicher Altersrenten sind Frauen bei Erreichen des 64. Lebensjahres und Männer bei Erreichen des 65. Lebensjahres berechtigt.

Die schweizerischen Beitragsjahre werden für die Erfüllung der nach deutschem Recht vorausgesetzten fünfjährigen Wartezeit auf den Rentenanspruch angerechnet, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Die Berücksichtigung schweizerischer Beitragszeiten beeinflusst die Rentenhöhe nicht.

Invalidenversicherung (IV) in der Schweiz

Wer der AHV angehört, ist auch in der IV versichert. Die IV schützt ihre Versicherten gegen die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Invalidität. Die IV ist keine Versicherung für Behandlungskosten bei Krankheit oder Unfall.

Im Falle der Invalidität durch Krankheit oder Unfall haben Versicherte Anspruch auf Massnahmen zur Eingliederung bzw. Wiedereingliederung ins Erwerbsleben oder Rentenzahlungen. Dabei gilt: Eingliederung vor Rente.

Auch Grenzgänger aus der EU haben einen Anspruch auf Renten aus der IV, wenn sie bei Eintritt der Invalidität in der Schweiz versichert sind. Dafür müssen sie in den drei Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalles während insgesamt mindestens 12 Monaten Beiträge bezahlt haben. Im Übrigen gelten dieselben Vorschriften wie für Schweizer Bürger.

Berufliche Vorsorge (BV)

Die Berufliche Vorsorge (BV) ist auch für Grenzgänger eine Pflichtversicherung. Sie ist die 2. Säule der Schweizer Sozialvorsorge und ermöglicht den Versicherten nach der Pensionierung zusammen mit der AHV (1. Säule) die Fortsetzung ihrer gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise. Daneben versichert die BV die Risiken Tod und Invalidität.

Für den Abschluss der beruflichen Vorsorge ist der Arbeitgeber verantwortlich. Dieser ist dazu verpflichtet mindestens 50 Prozent der Gesamtkosten zu übernehmen. Von der Versicherungspflicht ausgeschlossen sind Arbeitnehmende, die ein befristetes Arbeitsverhältnis von höchstens 3 Monaten haben, nebenberuflich tätig und hauptberuflich bereits versichert sind oder mindestens zu 2/3 erwerbsunfähig sind. Die Höhe der Sparbeiträge, die pro Versicherten angesammelt werden, sind im Vorsorgereglement eines Unternehmens definiert. Neben den Sparbeiträgen kommen die Kosten für die Risikoversicherung, Verwaltung und den Sicherheitsfonds hinzu.

Bei der BV versichert sind alle Arbeitnehmenden, die bei der AHV versichert sind, das 17. Lebensjahr vollendet haben und einen Jahreslohn von mehr als CHF 21’510 Franken erhalten. Zu versichern ist mindestens der Teil des Jahreslohnes bis zu einer Höhe von CHF 86’040, wobei ein Betrag von CHF 25’095 abgezogen wird.

Dieser koordinierte Lohn beträgt maximal CHF 60’945 (Stand 2021). Jeder Arbeitgebende, der obligatorisch zu versichernde Arbeitnehmende beschäftigt, muss eine in das Register für die berufliche Vorsorge eingetragene Vorsorgeeinrichtung errichten oder sich einer solchen anschliessen. Da das BVG nur Minimalvorschriften kennt, muss dieser obligatorische Teil deshalb von allen BVG-Pensionskassen erfüllt sein (Schattenrechnung).

Berufsunfallversicherung auch für Grenzgänger obligatorisch

Neben der BV sind alle Arbeitnehmende in der Schweiz – auch Grenzgänger – über den Arbeitgeber gegen Berufsunfälle versichert. Die Berufsunfallversicherung (UVG) ist obligatorisch, für die Anmeldung ist der Arbeitgeber verantwortlich und die Kosten werden von ihm übernommen. Grenzgänger in der Schweiz, die mehr als acht Stunden in der Woche arbeiten, sind obligatorisch auch bei Nichtberufsunfällen versichert. In der Regel trägt der Arbeitnehmende diese Kosten. Viele Arbeitgeber schliessen zudem eine betriebliche (freiwillige) Krankentaggeldversicherung ab, die eine Lohnfortzahlung für in der Regel bis zu zwei Jahre gewährleistet.

Austritt aus der Pensionskasse: Das gilt für Grenzgänger

Grenzgänger, die ihre Tätigkeit in der Schweiz aufgeben und wieder in Deutschland arbeiten, können bei einem Austritt aus der schweizerischen beruflichen Vorsorge Ansprüche geltend machen. Für Personen, die in einen EU-Staat ziehen, dort erwerbstätig und einer obligatorischen Altersvorsorge angeschlossen sind, kommt das Barauszahlungsverbot von Freizügigkeitsleistungen zur Anwendung. Dies beschränkt sich aber nur auf das Guthaben der BVG-Minimalversicherung (obligatorische Vorsorge, Schattenrechnung).

Der Teil der Austrittsleistung aus der BVG-Minimalversicherung muss in der Schweiz auf eine Freizügigkeitspolice oder ein Freizügigkeitskonto überwiesen werden und kann bei Bestehen einer Erwerbstätigkeit frühestens fünf Jahre vor Erreichen des ordentlichen Rentenalters bezogen werden. Der Anteil der überobligatorischen Vorsorge kann mit schriftlicher Einwilligung des Ehegatten bar bezogen werden.

Bei der Besteuerung der Freizügigkeitsleistung ist zwischen dem Obligatorium und Überobligatorium zu unterscheiden. Daher ist es für Unternehmen empfehlenswert, alle Daten jedes einzelnen Versicherungsjahres nach Kapital, Zinsen, Beiträgen etc. getrennt nach Obligatorium und Überobligatorium detailliert aufzuführen.

Separate Kollektive für Grenzgänger

In vielen Bereichen ist es notwendig, zwischen obligatorischer und überobligatorischer Versicherung zu unterscheiden. Für Unternehmen lohnt es sich daher zu prüfen, ob sich für Grenzgänger eigene Kollektive oder separate Anschlüsse an eine Vorsorgeeinrichtung eignen. Eine Trennung erhält man, indem man die Kategorie «Grenzgänger» in eine BVG-Minimalversicherung und eine weitergehende Vorsorge (Kaderanschluss, überobligatorische Versicherung) aufteilt. Da jede registrierte Vorsorgeeinrichtung verpflichtet ist, die BVG-Minimalleistungen in Form einer Schattenrechnung durchzuführen, ist auch eine umhüllende Vorsorge möglich. In jedem Falle sollte man während der ganzen Zugehörigkeit zu einer Vorsorgeeinrichtung die persönlichen Versicherungsausweise eines jeden Jahres mit folgenden Daten archivieren: Stand des Altersguthabens am Anfang und Ende des Jahres, Altersgutschriften, Zinsgutschriften, Risikoprämien, Kosten für den Sicherheitsfonds und die Verwaltung, Einkäufe und Auszahlungen.

Die Aufstellung der einzelnen Buchungen ermöglicht es, beim Finanzamt detailliert über die einzelnen Komponenten einer Freizügigkeitsleistung Auskunft zu erteilen, beziehungsweise die zulässigen Abzüge geltend machen zu können. Das ist nötig für eine korrekte Besteuerung. Ebenso sollten die Beiträge (Finanzierung) der Quellensteuer nachvollziehbar und beweisbar vorgelegt werden können.

Einkommens- und Quellensteuer

Durch Art. 15a Abs. 1 des DBA wird das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat zugewiesen. Dies führt normalerweise beim Berufspendler von Deutschland in die Schweiz zu einer höheren und beim Berufspendler von der Schweiz nach Deutschland zu einer niedrigeren Besteuerung als am Arbeitsort. Der Staat, in dem der Pendler erwerbstätig ist, kann als finanzieller Ausgleich eine Quellensteuer (Grenzgängersteuer) von 4.5 % erheben.

Weiterversicherung nach Kündigung (Art. 47a BVG)

Seit dem 1. Januar 2021 sind die Pensionskassen verpflichtet, allen Versicherten ab 58 Jahren eine Weiterversicherung anzubieten, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgebenden aufgelöst wird (Art. 47a Abs. 1 BVG). Kündigen Arbeitnehmende aus freien Stücken oder endet ein befristetes Arbeitsverhältnis, besteht für ein Unternehmen keine Weiterversicherungspflicht. Für den Fall, dass eine Aufhebungsvereinbarung abgeschlossen wurde, kann ein Arbeitsverhältnis als von Arbeitgeberseite aufgelöst betrachtet werden, sofern die Initiative zur Vertragsbeendigung nachweislich von Arbeitgeberseite ausging. Kommt es zum Streit, liegt es beim Arbeitnehmenden, das nachzuweisen.




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