Führungskraft als Ressource
26. Sep 2019, Wirtschaft | Gesundheitsmanagement

Führungskraft als Ressource

Aktuelle Studien belegen, dass der Vorgesetzte und sein Führungsstil zu den häufigsten Kündigungsgründen zählen. Hingegen zeigen Ergebnisse, dass die Führungskraft eine der grössten und oft unterschätzte Ressourcen am Arbeitsplatz ist. Was aber macht gute Vorgesetzte aus und wo liegt die Verantwortung der Arbeitgeber? Gute Führung wirkt sich positiv auf die Motivation, Leistungsbereitschaft, Gesundheit und letztendlich auf die Leistung der Mitarbeitenden aus. 


Gute Führung ist gesunde Führung. Gerade bei älteren Mitarbeitenden hat der Führungsstil mehr Gewicht, da sie in Gehaltserhöhungen oder der Aussicht auf berufliche Herausforderungen keine Anreize mehr sehen. Diese Tendenz lässt sich mittlerweile aber auch bei jüngeren Mitarbeitenden, der Generation Y, erkennen. Für sie zählen die sogenannten weichen Faktoren mehr, getreu dem Diktum: «The soft factors are the hard ones». Gute Vorgesetzte gewinnen so in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels und Wettbewerbs um qualifizierte Nachwuchskräfte immer mehr an Bedeutung.

Vera Bregger ist die Leiterin von vivit, dem Kompetenzzentrum für Gesundheit und Prävention der CSS Versicherung. Im Gespräch mit dem Redaktionsteam der Handelskammer Deutschland-Schweiz beantwortet sie Fragen zum Thema Führung und betriebliches Gesundheitsmanagement.

Was macht eine gute Führungskraft aus?
Vertrauen schaffen
Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Führungsperson und Mitarbeitendem ist Voraussetzung für eine konstruktive Zusammenarbeit und kann einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeitenden und deren Leistung habe. Der Aufbau von Vertrauen erfordert das persönliche Gespräch, in dem der Vorgesetzte dem Mitarbeitenden zuhört, ihn ernst nimmt und echtes Interesse zeigt. Für Mitarbeitende ist es wichtig, zu spüren, dass die Führungskraft hinter ihnen steht. Dies zeigt sich auch im Übertragen von Verantwortung und Freiräumen. Oft sind Misstrauen oder übermässige Kontrolle die Ursache von Konflikten. Für das Gelingen einer vertrauensvollen Arbeitsbeziehung braucht es von beiden Seiten Verlässlichkeit, Konsistenz, Klarheit und Offenheit. Vertrauen ist ein sehr kostbares Gut, das geht oft vergessen. Störungen des Vertrauens sind meist tiefschürfend und lassen sich nicht oder nur mit grossem Engagement beider Seiten beheben. Deshalb tut man gut daran, in tragfähige Zusammenarbeit viel zu investieren.

Soziale Unterstützung und Wertschätzung geben
Die positive Wirkung von sozialer Unterstützung im Arbeitskontext wurde in diversen Studien nachgewiesen. Soziale Unterstützung kann bei Mitarbeitenden die subjektive Wahrnehmung von Belastungen reduzieren und als stärkende Ressource erhöhte Belastungen auffangen. Dadurch können die Stress- sowie die Belastungsresistenzerhöht werden – man spricht von einem «Puffer- Effekt». Es ist wichtig, dass soziale Unterstützung erwünscht und angebracht ist. Andernfalls kann der Selbstwert der Mitarbeitenden gefährdet odernegativer Stress ausgelöst werden.

Wertschätzung zu erfahren, ist ein grundlegendes Bedürfnis des Menschen. Werden Mitarbeitende als Person anerkannt sowie deren Einsatz und Leistungswert geschätzt, führt dies zu höherer Zufriedenheit. In der Folge nimmt die Freude an der Arbeit zu und die Bindung an das Unternehmen steigt. Auch die Leistungsfähigkeit und Motivation können positivbeeinflusst werden. Anerkennung geben ist kostenlos, und oft sind es kleine Gesten, die grosse Wirkung entfalten. Es lohnt sich, sich hierfür Zeit zu nehmen. Wichtig dabei ist, dass die Art und Weise, wie Wertschätzung und Anerkennung ausgedrückt werden, der Führungskraft entspricht und dadurch authentisch wirkt.

Taten sagen mehr als tausend Worte» –im positiven wie im negativen Sinne. Besonders das gelebte Verhalten auf der Chefetage prägt die Unternehmenskultur stark. Führungskräfte, welche auf ihre Worte auch Handlungen folgen lassen, werden langfristig als glaubwürdig wahrgenommen. Dieser Umstand lässt sich gezielt als Führungsinstrument einsetzen. Wer seine Werte bewusst vorlebt, zeigt dadurch, welches Verhalten er von den Mitarbeitenden erwartet, und bietet somit Orientierungshilfe. Das reicht vom respektvollen Umgang miteinander über eine gelebte, transparente und offene Kommunikation und praktiziertes Feedbackverhalten bis hin zum konstruktiven Umgang mit eigenen Schwächen und Rückschlägen. Führungskräfte sollten sich darüber im Klaren sein, dass aus ihren Handlungsweisen unausgesprochene Erwartungen resultieren.

Ein einfaches Beispiel ist der Versand von E-Mails an Wochenenden oder in den Ferien. Ist eine Führungskraftselbst ständig erreichbar, kann dies als Aufforderung verstanden werden, es ihr gleichzutun, auch wenn sie dies nicht explizit verlangt. Das gilt insbesondere in belastenden Phasen mit hohem Arbeitsdruck. Wirkt der Vorgesetzte selbst entmutigt und resigniert, dauert es vermutlich nicht lange, bis sich Demotivation und Hilflosigkeit auch im Team breitmachen. Hingegen kann eine Führungskraft ebenso eine Atmosphäre von Zuversicht und Engagement verbreiten, welche auch die Mitarbeitenden über sich hinauswachsen lässt.

Vera Bregger, Leiterin vivit

Self-Care als Voraussetzung für Staff-Care
Nur wer gelernt hat, die eigenen Belastungsgrenzen und Bedürfnisse wahr- und ernst zu nehmen, erkennt diese auch bei anderen. Weil von Führungskräften – insbesondere der mittleren Führungsstufe –immer mehr erwartet wird, ist es wichtig, dass diese mit ihren Ressourcen achtsam umgehen, um selbst langfristig leistungsfähig zu bleiben. Gerade diese Zielgruppe ist einerseits Verursacher von gesundheitsbezogenen negativen Konsequenzen und andererseits selbst oft hoch belastet. Es ist somit wichtig, zu lernen, sich abzugrenzen und auf seine eigenen Bedürfnisse zu achten. Denn wer dauernd selbst an seine Grenzen kommt, hat den Blick nicht dafür, was um ihn herum geschieht, und sieht Bedürfnisse der Mitarbeitenden nicht oder nicht mehr in ausreichendem Mass. Auch hier hat die Führungskrafteine Vorbildfunktion und ist gleichsam auch ihr eigenes «Werkzeug» im anspruchsvollen Führungskontext.

Wie wird die Führungskraft zur Ressource?

Die Persönlichkeit und die eigene Haltung beeinflussen den Führungsstil und den Umgang mit Mitarbeitenden und Kollegenwesentlich. Dies ist ein Grund dafür, weshalb sich gute Führung nicht in einem Seminar erlernen lässt. Oft wird der eigene Führungsstil von selbst erlebtem Führungsverhalten geprägt. Diese Wirkung gilt es regelmässig zu reflektieren. Hilfreich für einen konstruktiven und leistungsfördernden Führungsstil sind unter anderem ein hoher Grad an Selbstreflexion, kritisches Hinterfragen, Offenheit für Feedback und Achtsamkeit im Umgang mit sich und anderen. Das bedingt Selbstvertrauen und ermöglicht eine stetige persönliche Weiterentwicklung und Anpassung der eigenen Verhaltensweisen. Rein kommunikative Kompetenzen können mit Aus- und Weiterbildungsprogrammen erfolgreich trainiert und sukzessive verbessert werden.

Welche Verantwortung trägt der Arbeitgeber?
Je höher die Führungsstufe und je grösser das Unternehmen, desto mehr treten die fachlichen Qualifikationen der Führungskraft in den Hintergrund. Hingegen spielen Persönlichkeitsmerkmale sowie die Einstellung der führenden Person eine zentrale Rolle. Hier sind die Arbeitgeber bei der Rekrutierung und Weiterentwicklung von Mitarbeitenden mit Führungsaufgabengefordert, ihr Augenmerk neben den reinen Fachkenntnissen vermehrt auf die immer wichtiger werdenden Persönlichkeitsmerkmale und «Soft»-Faktoren zulegen. Es lohnt sich, geeignete Persönlichkeiten zu rekrutieren und ihnen ausreichend Ressourcen für die Führungsarbeit zur Verfügung zu stellen. Eine Reihe von Studien belegen den Einfluss der Persönlichkeitsmerkmale auf die Führungsarbeit und zeigen, dass Führungskräfte mit niedriger Gewissenhaftigkeit und mangelnder Selbstkontrolle zu destruktivem Führungsverhalten neigen. Das Ziel ist eine Organisationskultur, welche erwünschtes Verhalten durch Anreize bestärkt und destruktives nicht toleriert. Hier stehen die Human Resources und die Linie gleichermassen in der Verantwortung.
 
 
vivit, das Kompetenzzentrum für Gesundheit und Prävention der CSS Versicherung, berät Sie in allen Fragen rund um das betriebliche Gesundheitsmanagement. www.vivit.ch



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