Exklusivitätsklausel
27. Sep 2019, Wirtschaft | Kooperationen

Exklusivitätsklauseln- Zwischen zulässigem Schutz und kartellrechtlichen Schranken

Kooperationen von Unternehmen erfordern regelmässig einen gewissen Schutz von vertragsspezifischen Investitionen und von geistigem Eigentum. Dies wird unter anderem mittels Exklusivitätsverpflichtungen erreicht. Zudem können über eine Exklusivitätsvereinbarung wirtschaftliche Anreize geschaffen werden, welche ansonsten aufgrund des Trittbrettfahrerproblems nicht greifen würden. Zum Beispiel hat ein Alleinimporteur einen grösseren Ansporn in Marketingaktivitäten zu investieren, wenn im Wesentlichen nur er und kein anderer Importeur davon profitieren kann.

Exklusivitätsvereinbarungen können eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken, weshalb kartellrechtliche Schranken zu beachten sind. Der Grat zwischen zulässiger Exklusivität und unzulässiger Wettbewerbsabrede ist schmal und hängt insbesondere (i) vom Wettbewerbsverhältnis der beteiligten Unternehmen und (ii) von der Effizienz-Rechtfertigung ab. Entsprechende Effizienz- Argumente haben die involvierten Unternehmen zu dokumentieren und im Streitfall vorzubringen. In der Praxis haben sich einige typische Fälle von zulässigen und kritischen Exklusivitätsvereinbarungen herausgebildet, welche in diesem Beitrag dargestellt werden. Allgemein anzumerken ist, dass sobald ein Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung erreicht, Regelungen zur Ausschliesslichkeit nur selten akzeptiert werden.

Schweizer oder deutsches Recht?
Für die Anwendung des Kartellrechts spielen das von den Parteien gewählte Recht und der vereinbarte Gerichtsstand keine Rolle. Im Kartellrecht ist vielmehr entscheidend, ob sich eine Verhaltensweise (also eine Abrede oder der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung) auf den schweizerischen oder den deutschen Markt auswirkt. Denkbar ist daher auch die parallele Anwendung des Kartellgesetzes beider Länder bzw. der EU.

 Das Schweizer Bundesgericht hat zum Anwendungsbereich kürzlich klargestellt, dass für die Anwendung des Schweizer Kartellgesetzes keinerlei tatsächliche Effekte nachgewiesen werden müssen, sondern potentielle Auswirkungen genügen. Diese Regelung geht tendenziell über die Regelung in Deutschland und der EU hinaus und führt dazu, dass Exportverbote in die Schweiz (z. B. Verbot ausserhalb des EWR oder der EU zu exportieren, was auch die Schweiz betrifft), von der Eidgenössischen Wettbewerbskommission aufgegriffen werden können und zwar grundsätzlich unabhängig davon, ob das Exportverbot tatsächlich wesentliche Importe verhindert. Daraus folgt, dass sich eine kartellrechtliche Prüfung eines Vertrags mit möglichen Effekten auf die Schweiz aufdrängt, selbst dann, wenn die Parteien deutsches Privatrecht für anwendbar erklären und der Vertrag zivilrechtlich auch sonst nichts mit der Schweiz zu tun hat.

Abreden zwischen Wettbewerbern

Ausschliesslichkeitsvereinbarungen zwischen Wettbewerbern stehen unter der massiven Sanktionsdrohung des Kartellgesetzes. In der Schweiz beträgt der Sanktionsrahmen bis zu 10 % des Gesamtumsatzes des Unternehmens (Konzernbetrachtung) in der Schweiz während der letzten drei Jahre. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Unternehmen übereinkommen, auf gewisse Waren und Dienstleistungen in ihrem Angebot zu verzichten. Beschaffungsseitig kann sich eine Exklusivität sodann wie ein Boykott eines Lieferanten auswirken, was ebenfalls als heikel angesehen wird. Unternehmen sind Wettbewerber, wenn sie tatsächlich oder der Möglichkeit nach im Wettbewerb zu einander stehen. Dafür muss der relevante Markt abgegrenzt werden. Ein Unternehmen, das kurzfristig in den relevanten Markt eintreten könnte und somit eine gewisse disziplinierende Wirkung auf aktuelle Wettbewerber hat, wird als potentieller Wettbewerber angesehen. Wenn beispielsweise Unternehmen, welche nicht auf denselben, aber auf geografisch benachbarten Märkten tätig sind, eine Gebietsexklusivität vereinbaren, wird dies als harte Kartellabrede verfolgt – selbst wenn die Unternehmen tatsächlich keinerlei Pläne haben, auf den jeweils benachbarten Markt einzutreten.

Zulässig können Exklusivitätsvereinbarungen zwischen Wettbewerbern im Rahmen von Unternehmenstransaktionen sein. Beispielsweise gelten Wettbewerbsverbote zu Lasten des Verkäufers während zwei Jahren grundsätzlich als zulässige Nebenabrede zu einem Unternehmensverkauf. Bei einem Joint- Venture sind Beschränkungen zwischen den Joint-Venture- Müttern allerdings zu vermeiden. Im Verhältnis zwischen Joint-Venture-Müttern und Joint-Venture können Wettbewerbsverbote während der Dauer des Joint-Ventures hingehend gerechtfertigt sein. Um günstige Konditionen mit Lieferanten auszuhandeln, sind Einkaufsgemeinschaften regelmässig darauf angewiesen, dass ihre Mitglieder auch tatsächlich ein gewisses Volumen über die Einkaufsgemeinschaft beziehen. Daher können entsprechende Abnahmepflichten der Mitglieder (welche auf dem Beschaffungsmarkt als Nachfrager Wettbewerber sind) unter Umständen zulässig sein, selbst wenn sich diese Abnahmepflichten wie Exklusivitätsvereinbarungen auswirken. Während die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft beispielsweise in Bezug auf ein konkretes Bau- oder Forschungsprojekt zulässig ist, sofern die beteiligten Unternehmen allein nicht in der Lage wären, die notwendigen Arbeiten auszuführen, können weitergehende Beschränkungen in Bezug auf zukünftige Projekte oder die Verwertung der Forschungsergebnisse von den Wettbewerbsbehörden kritisch geprüft werden. Eine Exklusivlizenz von einem Lizenzgeber an einen Wettbewerber fällt bis zu einer Marktanteilsschwelle von gemeinsam 20 % in den Anwendungsbereich der Gruppenfreistellung über Technologietransfers der EU. Oberhalb dieser Schwelle ist zu prüfen, welche wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen von einer solchen Exklusivlizenz zu erwarten sind. Typischerweise können aus wirtschaftlichen Gründen auch Exklusivlizenzen zwischen Unternehmen mit einem höheren Marktanteil gerechtfertigt werden.
Dies insbesondere, wenn die Exklusivität erforderlich ist, damit der Lizenznehmer in die lizenzierte Technologie investiert, um daraus resultierende Produkte zügig auf den Markt zu bringen. Die kartellrechtliche Rechtslage in der Schweiz in Bezug auf Lizenzvergaben ist nicht eindeutig. Es darf jedoch davon ausgegangen werden, dass sich die Schweizer Wettbewerbsbehörden an den entsprechenden europäischen Leitlinien orientieren. Beschränkungen im Zusammenhang mit Lizenzen können allerdings in der Regel nur dann gerechtfertigt werden, wenn und solange effektiv geistiges Eigentum oder geheimes Know-how besteht. Dieser Überlegung folgend, darf einem Lizenznehmer nur insoweit eine Beschränkung auferlegt werden, als die lizenzierten Rechte nicht abgelaufen, erloschen oder für ungültig erklärt worden sind oder – im Falle von lizenziertem Know-how – solange das Know-how geheim bleibt. Wird bisher geheimes Know-how öffentlich bekannt, entfällt auch die Rechtfertigung für die Einschränkung des Lizenznehmers.

In Vertriebsverträgen
Die exklusive Zuweisung eines Gebietes oder von Kundengruppen in einem Vertriebsvertrag ist zulässig, soweit passive Verkäufe von anderen Vertriebspartnern nicht ausgeschlossen werden. Somit darf der aktive Verkauf, also z. B. die Direktwerbung und die Errichtung von Verkaufslokalen im entsprechenden Gebiet beschränkt werden. Passive Verkäufe, d.h. die Erledigung von unaufgeforderten Bestellungen einzelner Kunden, dürfen dagegen nicht eingeschränkt werden. Generell gelten Exklusivitätsvereinbarungen im Verhältnis zwischen Herstellern und Händlern ohne detaillierte Prüfung als zulässig, sofern die Parteien gemeinsam nicht einen Marktanteil von über 30 % halten. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass solche Abreden nicht zu einem absoluten Gebietsschutz führen dürfen.

Ausserdem sind Wettbewerbsverbote für eine Dauer von mehr als fünf Jahren grundsätzlich kritisch und müssen einzelfallweise gerechtfertigt werden. Halten die beteiligten Unternehmen einen Marktanteil von weniger als 15 %, ist auch ein längeres Wettbewerbsverbot in der Regel unerheblich. Schliesslich ist bei selektiven Vertriebssystemen in Bezug auf Exklusivitätsvereinbarungen erhöhte Vorsicht geboten, da einerseits solche Vertriebssysteme grundsätzlich nicht mit einem Exklusivvertrieb vereinbar sind und andererseits die Einschränkung von Mehrmarkenvertrieb in dieser Vertriebsform kritisch angesehen werden kann.

Schlussfolgerung
Steht bei der Vertragsverhandlung eine Exklusivität beispielsweise hinsichtlich der Verwendung von technischem Wissen oder geistigem Eigentum, des Bezugs oder des Vertriebs von Waren oder Dienstleistungen oder ein Konkurrenzverbot zur Diskussion, sollten folgende Punkte beachtet werden:
– Welche Märkte könnten durch das (verhinderte) Wettbewerbsverhalten der Parteien betroffen sein? Beispiel: Exportverbot ausserhalb der EU wirkt sich auf die Schweiz aus;
– Wie ist das Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien? Aktuelle/potentielle Wettbewerber oder Unternehmen auf verschiedenen Marktstufen;
 – Vermeiden Sie Exklusivitätsvereinbarungen, welche auf die Verminderung von Wettbewerb zwischen den Parteien abzielen;
 – Vermeiden Sie die Untersagung von passiven Verkäufen; – Prüfen und dokumentieren Sie Gründe der wirtschaftlichen Effizienz, welche eine Exklusivität rechtfertigen.



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