Einführung einer Pflicht zur Mitteilung von Steuergestaltungen
3. Sep 2019, Recht & Steuern

Deutschland-Schweiz: Aktuelle Steuerthemen für Privatpersonen und Unternehmen

Im Rahmen des EU-Massnahmenpakets zur Bekämpfung von Steuermissbrauch und der Sicherstellung einer fairen Besteuerung in der EU rücken nunmehr Steuerberater und andere Intermediäre in den internationalen Fokus.

Zur Umsetzung der EU-Amtshilferichtlinie (sog. DAC6) hat das deutsche Bundesfinanzministerium (BMF) Anfang Februar 2019 den Entwurf eines «Gesetzes zur Einführung einer Pflicht von Steuergestaltungen » vorgelegt. Ziel dieser Anzeigepflicht ist es, einen Informationsaustausch von bestimmten grenzüberschreitenden Steuergestaltungen in der EU zu gewährleisten. Über die EU-Vorgaben hinaus, enthält der Gesetzesentwurf zusätzlich selbst eine Anzeigepflicht für rein innerstaatliche Gestaltungen in Deutschland. Im Kern sollen potenziell aggressive grenzüberschreitende sowie innerstaatliche Steuergestaltungen der deutschen Finanzverwaltung angezeigt werden, wenn mindestens eines der allgemeinen (sog. generic Hallmarks) oder spezifischen Kennzeichen (sog. specific Hallmarks) erfüllt ist. Während bei Erfüllung einiger Kennzeichen stets eine Anzeigepflicht besteht (siehe nachfolgende Auflistung), erfordern insbesondere allgemeine Kennzeichen zusätzlich die Erlangung einen Steuervorteils, der durch den so genannten Main-benefit-Test (sog. MbT) zu prüfen ist.
 
Diese Kennzeichen lassen sich vereinfachend wie folgt zusammenfassen (Kategorie A = Allgemeine Kennzeichen; Kategorie B bis E = Spezifische Kennzeichen):
  • Kategorie A (+ Main-benefit-Test): Vereinbarung einer Vertraulichkeitsklausel, erfolgsabhängige Vergütung, standardisierte Dokumentationen und/oder Strukturen
  • Kategorie B (+ Main-benefit-Test): Verlustnutzung, Umwandlung von Einkünften in niedrig besteuerte/steuerbefreite Einnahmearten, zirkuläre Transaktionen
  • Kategorie C: Grenzüberschreitende Zahlungen mit Begünstigung beim Empfänger (teilweise + Main-benefit-Test), mehrfache Beantragung von Abschreibungen, mehrfacher Antrag auf Befreiung von Doppelbesteuerung, Übertragung von Vermögenswerten
  •  Kategorie D: Automatischer Informationsaustausch, wirtschaftlicher Eigentümer
  •  Kategorie E: Verrechnungspreisgestaltung (z.B. «Ein Modell, das unilaterale Safe-Harbor-Regeln nutzt.»)
 
Die Anzeigepflicht betrifft alle direkten Steuerarten wie beispielsweise Einkommen-, Körperschaft-, Erbschaft- und Schenkungssteuer. Ausgenommen sind hingegen die (Einfuhr-)Umsatzsteuer, Verbrauchsteuern, Zölle, etc. aber auch Sozialabgaben. Bei grenzüberschreitenden Gestaltungen erfolgt im Rahmen eines EU-weiten Informationsaustausches die Offenlegung der Modelle zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. Ziel des Informationsaustausches ist es, die Behörden in die Lage zu versetzen zeitnah gegen schädliche Steuerpraktiken vorzugehen und Schlupflöcher zu schliessen. Aber auch eine gewisse Abschreckung durch die frühzeitige Anzeige vor tatsächlicher Anwendung des Modells ist beabsichtigt. Anzeigepflichtig sind sog. Intermediäre mit EU-Bezug wie z.B. Steuerberater, Rechtsanwälte oder sonstige Berater (hierunter können bspw. auch Finanzinstitute fallen). Selbst für die beispielsweise ausschliesslich in der Schweiz domizilierten Finanzinstitute, Steuerberater etc. könnte sich aus DAC6 eine Informations- oder Anzeigepflicht ergeben:
  1. Schweizer Intermediäre sollten zumindest ihre in der EU ansässigen Kunden (bspw. in Deutschland) über ihre möglichen Anzeigeverpflichtungen informieren (vgl. auch nachfolgend). Angesichts der weiten Definition des Begriffs «Intermediär» umfasst dies sowohl grenzüberschreitende Vereinbarungen, die von den Schweizer Intermediären selbst angeboten werden, als auch Situationen, in denen Schweizer Intermediäre als Berater in Bezug auf Vereinbarungen von Dritten auftritt.
  2. Schweizer Intermediäre mit verbundenen Unternehmen in der EU müssen evaluieren, ob die von den Letzteren angebotenen Dienstleistungen für Kunden die o.g. Voraussetzungen für eine Anzeigepflicht erfüllen.
  3. Schweizer Intermediäre mit verbundenen Unternehmen in der EU werden weiterhin potenzielle Anzeigepflichten aus konzerninternen Transaktionen analysieren müssen.
 
Die Anzeigepflicht kann aber auch Steuerpflichtige selbst treffen, z.B. dann, wenn sie die anzeigepflichtige Gestaltung selbst entwickelt haben oder der Intermediär von DAC6 nicht erfasst oder von seiner Anzeigepflicht befreit ist.
 
Die Anzeigefrist beträgt 30 Tage, beginnend an dem Tag, an dem die grenzüberschreitende Gestaltung bereitgestellt bzw. umsetzungsbereit ist oder an dem der erste Schritt der Gestaltung vollzogen wird. Wenn der Anzeigepflicht nicht oder nicht rechtzeitig nachgekommen wird oder Daten nicht vollständig übermittelt werden, drohen gemäss Gesetzesentwurf Geldbussen bis zu 25‘000 EUR. Anzuwenden ist die Anzeigepflicht grundsätzlich zwar erst ab dem 1.7.2020; die Anzeigepflicht entfaltet jedoch bereits für vor diesem Zeitpunkt liegende Sachverhalte Wirkung. Der Grund: Steuerpflichtige und Intermediäre müssen Gestaltungen, deren erster Umsetzungsschritt zwischen Inkrafttreten von DAC6 (dem 25.6.2018) und dem 1.7.2020 erfolgt, bis zum 31.8.2020 melden.
Beispiele zur Anwendung der Anzeigepflicht von Steuergestaltungen
Die nachfolgenden Beispiele sollen die Auswirkungen verdeutlichen:
Beispiel 1: Die M-AG in der Schweiz gründet die Tochtergesellschaft T-GmbH in Deutschland und stattet diese mit Kapital aus, um anschliessend Anteile (an einer anderen Kapitalgesellschaft) auf die T-GmbH zu übertragen. Selbst dieser einfache steuerliche Vorgang, die Übertragung der Anteile auf die Tochtergesellschaft, ist von der Anzeigepflicht bereits erfasst.
Beispiel 2: Der Steuerpflichtige S hat im Jahr 2010 eine Immobilie in Deutschland mit der Absicht erworben, diese nach Ablauf der gesetzlichen Spekulationsfrist von 10 Jahren im Jahr 2020 steuerfrei zu veräussern. Das Abwarten des Ablaufs einer gesetzlichen Frist oder eines gesetzlichen Zeitraums, nach der bzw. nach dem eine Transaktion steuerfrei realisiert werden kann, ist nach den aktuellen Plänen nicht von der Anzeigepflicht erfasst.
Beispiel 3: Eine Schweizer Steuerberatungsgesellschaft berät ein international tätiges mittelständiges Unternehmen in Deutschland (KMU) zu einer Übertragung von schwer zu bewertenden immateriellen Wirtschaftsgütern an eine Schweizer Tochtergesellschaft T-GmbH. Der Vorgang ist ebenfalls anzeigepflichtig. In diesem Fall ist das KMU anzeigepflichtig (hier: Nutzer der Gestaltung), wenn der Intermediär
  1. im Drittstaat (vorliegend in der Schweiz) ansässig ist,
  2. keine Anknüpfungspunkte in Deutschland besitzt (z. B. Betriebsstätte; öffentliches Register wie Handelsregister; deutschem Recht unterliegt, Mitglied eines Berufsverbands) und
  3. der Nutzer nicht nachweisen kann, dass die Schweizer Steuerberatungsgesellschaft in einem anderen EU-Mitgliedsstaat die Gestaltung angezeigt hat
Abwandlung zu Beispiel 3: Wie oben, nur wird die deutsche Tochtergesellschaft T-GmbH direkt von einer deutschen Steuerberatungsgesellschaft beraten. Anzeigepflichtig ist in diesem Fall 1. für abstrakte Informationen zur Gestaltung: die deutsche Steuerberatungsgesellschaft 2. für bestimmte individuelle Angaben: das KMU, wenn die deutsche Steuerberatungsgesellschaft mit der Mitteilung gegen gesetzliche Verschwiegenheitspflichten verstossen würde und nicht von der Verschwiegenheit entbunden wurde.
Steuerliches Fazit und Kritik an der Regelung
Die Kriterien für eine Anzeigepflicht lassen sich vereinfachend wie folgt zusammenfassen:
  1. neue Gestaltung oder der erste Schritt der Gestaltung wurde nach dem 24.6.2018 umgesetzt
  2. direkte Steuern betroffen
  3. anzeigepflichtig, sofern mindestens eins der in Gliederungspunkt 1 genannten Kennzeichen (gegebenenfalls + Main-benefit- Test) erfüllt sind
Derzeit ist sicher, dass die Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Gestaltungen eingeführt wird, da dies eine zwingende Vorgabe von DAC6 ist. Es bleibt weiter zu hoffen, dass der deutsche Gesetzgeber von einer Anzeigepflicht für innerstaatliche Gestaltungen absieht.
 
Die Offenlegung durch DAC6 ist zu kritisieren. Neben dem Verstoss gegen Mandats- bzw. Kundengeheimnis geht es zu weit, wenn sich die Gesetzgeber in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten entsprechende, weitreichende Informationen gesetzlich, d. h. mit Zwang vorlegen lassen können, ohne dass eine Begrenzung auf echte Missbrauchsfälle vorliegt. Die Gerichte werden sich schon bald mit der Thematik auseinandersetzen müssen.
 
Die deutsche Bundessteuerberaterkammer sowie Bundesrechtsanwaltskammer Deutschland kritisieren die Anzeigepflicht auch folgerichtig als Bürokratieflut ohne Mehrwert, die auch alltägliche und legale Steuerberatung trifft. Die Anzeigepflicht verlangt daher sowohl vom Steuerberater als auch von dem Steuerpflichtigen ein erhebliches Mass an Aufmerksamkeit, das rechtstaatlich nicht zu rechtfertigen ist.



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