Der Schritt ins Ausland führt 65 Prozent aller Schweizer Firmen in den süddeutschen Raum. Dass die meisten von ihnen nach Bayern gehen, hängt damit zusammen, dass der Freistaat in besonderer Weise branchenübergreifende Innovationen ermöglicht – und so einzigartige unternehmerische Entwicklungschancen schafft. Vier in dieser Kombination äusserst seltene Faktoren spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Zwei Konzerne. Zwei Standortentscheidungen mit grosser Symbolwirkung: Google und Apple liessen kurz hintereinander verlautbaren, ihre Standorte in München massiv ausbauen zu wollen. Google machte mit seinem Investment Deutschland zum Drehkreuz für Datenschutz und mit Apple kündigte das wertvollste Unternehmen der Welt im März letzten Jahres an, sein Europäisches Zentrum für Chip-Design in München zu etablieren.
Zahlreiche Unternehmen zieht es aus dem Ausland nach Bayern
Die beiden Technologie-Giganten sind nur die Spitze des Eisberges. Denn es zieht auch immer mehr kleinere und mittelständische Tech-Firmen in die Region. Bayern ist ein attraktiver Standort – das hat zum Beispiel auch das Schweizer Start-up Embotech erkannt. Genau zwischen den Entscheidungen von Google und Apple kündigte das bereits 2013 von der ETH Zürich ausgegründete Unternehmen an, ein Office in der bayerischen Landeshauptstadt zu eröffnen.
Die Software des Schweizer Unternehmens ermöglicht es Fahrzeugen, selbstständig Entscheidungen zu treffen und unterstützt so das automatisierte Fahren. Anwendung findet diese Art der Technologie nicht nur bei PKWs z.B. auf Fabrikarealen, sondern auch bei Nutzfahrzeugen und bei der Automatisierung von Industrierobotik. «Mit unseren neuen Geschäftsräumen im Münchner Technologiezentrum MTZ rücken wir näher an unsere deutschen Kunden heran», hiess es dazu in einer Meldung der Schweizer.
Viele ihrer Landsleute denken und handeln ganz ähnlich: Wenn kleine und mittelständische Unternehmen aus der Schweiz ins Ausland expandieren, dann führt dieser Schritt Schweizer KMU für 65 Prozent von ihnen in den süddeutschen Raum. Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen. Naheliegend ist natürlich die geographische und kulturelle Nähe – die beiden Wirtschaftsräume ticken ähnlich, gerade im Hinblick auf die hohen Qualitätsansprüche.
Bayern schafft ein besonderes Klima für Innovation
«Ausserdem spielt aber vor allem die Grösse des sehr interessanten deutschen Marktes eine Rolle: Näher am Kunden zu sein, ist einfach ein Wettbewerbsvorteil. Und nicht zu vergessen ist die Stärke in Sachen B2B, die viele ausländische Unternehmen – gerade auch aus der Schweiz – nach Bayern zieht», weiss Gudrun Weidmann. Sie leitet Invest in Bavaria, die Ansiedlungsagentur des Freistaates Bayern. Die Hauptaufgabe ihres Teams ist es, ausländische Firmen bei ihren ersten Schritten im Freistaat mit Rat und Tat zu unterstützen. Ein weiterer Grund für die Umsiedelung, den sie aufführt: Immer wieder beeindruckt die Innovationskraft im Freistaat. «Egal ob Life Science oder Industrie 4.0, Bayern gilt als Hotspot. Unternehmen auf Wachstumskurs finden hier das Innovationsklima und die Ressourcen, die sie brauchen, um nach vorn zu kommen.»
Nun könnte man meinen, das sei beides auch an vielen anderen grossen Wirtschaftsstandorten in und ausserhalb der Europäischen Union zu finden. Doch München unterscheidet sich deutlich von europäischen Innovations Locations wie London, Paris oder Berlin. «Bayern ist unheimlich stark in Sachen Cross-Industry Innovation. Wir sind in Bayern aussergewöhnlich gut darin, durch ungewöhnliche, neue und branchenübergreifende Partnerschaften voranzukommen», erläutert Gudrun Weidmann die Vorteile des Freistaates.
Kompetente Partner für Kollaborationen direkt in der Region
Denn Kollaborationen – gerade über die Grenzen des eigenen Geschäftsfeldes hinaus – führen immer wieder zu einem Austausch von technologischem oder industriespezifischem Wissen, der Innovationen anschiebt. Bayern bietet gleichermassen Chancen für Outside-in- und Inside-out-Prozesse. Diese bezeichnen die Suche nach Kooperationspartnern, unterscheiden aber, von welcher Seite diese Suche ausgeht. Bei Outside-in-Prozessen zieht man das Know-how anderer Industrien hinzu, um Herausforderungen im eigenen Unternehmen lösen zu können – etwa wenn Touch-Technologien in Bedienkonzepte von Fahrzeugen integriert werden. Bei zweiteren suchen Unternehmen dagegen proaktiv nach neuen Absatzmärkten für ihr Wissen und ihre Technologien, um ihr eigenes Produktportfolio zu diversifizieren – ein Beispiel dafür ist der Weg, den Anbieter von Extended Reality (XR) und Robotik in den Operationssaal gefunden haben.
In beiden Fällen ist es gut, wenn man kompetente Kooperationspartner direkt in der Region findet. Und genau das macht Bayern in Europa so besonders. Hier können junge FinTech-Startups mit etablierten Finanzdienstleistern zusammenarbeiten und dadurch neue Geschäftsmodelle oder Prozesse entwickeln. Hier treffen Experten in Sachen 3D-Druck und Wearables auf Fertigungsspezialisten. Hier können KI-Innovatoren mit weltweit führenden Automobilherstellern kooperieren. Dass solche Cross-Industry Innovationen in Bayern so gut funktionieren, ist im Wesentlichen auf vier Faktoren zurückzuführen.
Bayern – ein starker Wirtschaftsstandort mit nachhaltigem Wachstum
Erstens ist der Freistaat einer der erfolgreichsten und vielseitigsten Produktionsstandorte weltweit und ein echter Wirtschaftsmotor für Europa. Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 610 Milliarden Euro trug Bayern im Jahr 2020 ein Fünftel zur deutschen Wirtschaftsleistung bei: zwischen 2000 und 2020 stieg das BIP um 70 Prozent. Zahlen, die auf die bayerische Stärke in einer Vielzahl zukunftsorientierter Industrien sowie nicht-industrieller Branchen zurückzuführen sind. Diese Vielfalt schafft einzigartige, branchenübergreifende Geschäftsmöglichkeiten und sorgt dafür, dass der Wachstumstrend nachhaltig ist.
Nicht zufällig sehen zahlreiche Studien Bayern als einen der zukunftsfähigsten Standorte in Europa: Etablierte Unternehmen wie BMW, Munich RE oder Siemens haben den Freistaat mit ihrem Erfindergeist gross gemacht – und verkörpern bis heute Innovation made in Bavaria. Aber auch auf Innovationsfeldern wie Künstlicher Intelligenz, Extended Reality, Industrie 4.0, Life Sciences oder Cybersecurity ist Bayern heute weltweit konkurrenzfähig. Und das ist noch nicht alles. Hinzu kommen grosse Dienstleister im Finanzsektor, der Logistikbranche, dem Gesundheitswesen und vielen weiteren nicht-industriellen Sparten, die sich als feste Säulen der florierenden bayerischen Wirtschaft etabliert haben. Sie alle machen den Freistaat zu einer einzigartigen Kooperations- und Kollaborationsplattform.
Cluster zu Megatrends fördern branchenübergreifende Kooperation
Zweitens hatte Bayern schon immer ein Händchen dafür, verschiedene Player miteinander zu vernetzen: ob Forschung, Regierung oder etablierte Unternehmen und Start-ups – alle wurden und werden mit einbezogen, um gemeinsam Innovationen voranzutreiben. 2006 wurde diese Kultur der Kooperation sogar unter dem Namen «Cluster-Offensive Bayern» institutionalisiert. Die Initiative bietet – unterstützt durch die Bayerische Staatsregierung – Vernetzungsplattformen, die lokale Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und unabhängige Experten zusammenbringen. So sind insgesamt 17 Cluster rund um die fünf zentralen Megatrends Digitalisierung, Energie, Gesundheit, Werkstoffe und Mobilität entstanden. Das Ergebnis: preisgekrönte Partnerschaften.
Drittens ist Bayern die Heimat weltweit führender Universitäten und Forschungsinstitute: von der Ludwig-Maximilians- Universität und der TU München bis hin zum Max-Planck-Institut und der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Derzeit sind über 400.000 Studierende an den hiesigen Hochschulen eingeschrieben – eine Zahl, die sich in den letzten 20 Jahren fast verdoppelt hat. Rund 15 Prozent der Studierenden kommen aus dem Ausland. Das bayerische Hochschulsystem ist also nicht nur qualitativ herausragend, sondern auch international geprägt: So bereitet es Tausende aufgeschlossener junger Menschen auf den Arbeitsmarkt und eine Karriere am Innovationsstandort vor. Hinzu kommt ein exzellent ausgebildeter Nachwuchs, der im Rahmen einer strategischen Kombination aus betrieblicher und schulischer Bildung vor allem an die Praxis herangeführt wird. Eine solche Berufsausbildung machen derzeit rund 240.000 junge Menschen in Bayern.
35 der 50 innovativsten Unternehmen der Welt sitzen in Bayern
Viertens gilt der Freistaat weltweit als ein besonders attraktiver Standort für Global Player: Laut einem Ranking der Boston Consulting Group haben 35 der 50 innovativsten Unternehmen der Welt eine Niederlassung in Bayern. Entsprechend kurz sind die Wege zu den internationalen Märkten – für heimische, aber auch ausländische Firmen: Im Jahr 2019 wurden beispielsweise Waren im Wert von rund 190 Milliarden Euro exportiert und für rund 193 Milliarden Euro importiert. Diese Zahlen belegen den regen Austausch Bayerns mit der Welt. Und sie zeigen: Auch wenn die bayerischen Unternehmen sehr heimatverbunden sind, blicken sie doch über den Tellerrand des eigenen Markts hinaus.
Diese Erfahrungen teilt Andreas Kyrtatos, der CEO des Schweizer Startups Embotech. Er zieht nach einem Jahr in Bayern eine positive Bilanz: «Die Nähe zu Kunden im Automotive Bereich ist für uns enorm wertvoll. Besonders positiv ist auch, dass uns der Zugang zu den wichtigsten Branchennetzwerken erstaunlich leichtfiel. Das Interesse an Kollaboration ist gross.»
Ob es nun an der gemeinsamen Lust auf kooperative Innovationsprojekte liegt, oder doch an der «Seelenverwandtschaft» zwischen Bayern und Schweizern: der Standort Bayern bietet Schweizer Unternehmen in Zukunftsbranchen einzigartige Perspektiven.