Darf das Schweizer Kreuz auf den Turnschuh, wenn der Schuh nicht in der Schweiz produziert wurde?
15. Apr 2021, Recht & Steuern | Swissness

Das Kreuz mit dem Kreuz

Im Juli 2020 stellte ein prominenter Schweizer Sportler den von ihm mitentwickelten Sportschuh vor, der von einem Zürcher Unternehmen hergestellt und vertrieben wird. Aufmerksamen Beobachtern fiel ein kleines Detail auf: Während auf verschiedenen Videoclips deutlich zu sehen war, dass ein Schweizerkreuz den Schuh ziert, fehlte das Kreuz auf den in der Schweiz gezeigten Schuhen.

Die Juristen hatten schnell einen möglichen Grund für diesen Umstand gefunden: Da der Schuh nicht in der Schweiz, sondern in Vietnam hergestellt wird, hätte eine Vermarktung des Modells mit dem Schweizerkreuz in der Schweiz gegen die «Swissness»-Regeln des Markenschutzgesetzes verstossen. Im Ausland ist jedoch die Anwendbarkeit der Schweizer gesetzlichen Schutzregeln limitiert, weshalb das Unternehmen es wagen konnte, das Schweizerkreuz auf ihren Schuhen anzubringen.

«Swissness sells» – nicht nur in der Schweiz, auch international können Produkte, die auf die Schweizer Herkunft hinweisen, zu höheren Preisen verkauft werden. Das ist natürlich für viele Anbieter von Produkten, die mit der Schweiz wenig zu tun haben, sehr verlockend. Aus den Medien sind viele solcher Fälle bekannt. Wie steht es nun mit dem Schweizerkreuz in der Werbung für Produkte und Dienstleistungen? Was ist erlaubt und was nicht?

Grundlage sind die Artikel 47ff. des Schweizer Markenschutzgesetzes. Diese fassen den Schutz der «Swissness», d.h. Bezeichnungen, die auf eine Schweizer Herkunft von Produkten und Dienstleistungen hinweisen, relativ weit. Danach gelten sowohl Wortzeichen wie «Schweiz», «Schweizer Qualität», «Made in Switzerland», wie auch Bildzeichen, wie das Schweizerkreuz, das Matterhorn oder die üblichen Darstellungen von Wilhelm Tell, der Landesmutter Helvetia etc. als Schweizer Herkunftsangaben. Zur Verwendung dieser Herkunftsangaben wird keine vorgängige Bewilligung benötigt, sie müssen aber zutreffend sein. Zutreffend sind sie wiederum, wenn die gesetzlichen Mindestanforderungen für eine Schweizer Herkunft erfüllt sind.

Bei Industrieprodukten, wie eben dem betreffenden Schuh, gelten zwei Voraussetzungen:


a) mindestens 60% der Herstellungskosten müssen in der Schweiz anfallen. «Herstellungskosten» wird dabei relativ weit verstanden, insb. weil auch die Forschungs- und Entwicklungskosten, Kosten für Marketing und Verkauf, Kosten für Qualitätssicherung etc. darunterfallen. Auch bei einer Produktion des Schuhs in Vietnam könnte das Unternehmen also den reinen Produktionskosten wesentliche Kosten, die in der Schweiz anfallen, entgegenstellen. Zudem gibt es Ausnahmen (z.B. für Rohstoffe, die in der Schweiz nicht vorhanden oder nicht produziert werden) und günstige Berechnungsregeln (z.B. für importierte Halbfabrikate). Schliesslich ist die Schweizer Herkunftsangabe dann erlaubt, wenn diese «dem Verständnis der massgebenden Verkehrskreise entspricht», d.h. wenn das Produkt einfach generell als «schweizerisch» betrachtet wird.

b) es muss eine «wesentliche Tätigkeit» in der Schweiz stattgefunden haben, d.h. die Tätigkeit, die dem Produkt seine wesentlichen Eigenschaften verliehen hat. Im Falle des Schuhs wäre das das Design.

Offenbar war es nicht möglich, eine Schweizer Herkunft des betreffenden Schuhs zu begründen, so dass er in der Schweiz nicht mit dem Schweizerkreuz vermarktet werden darf. Im Ausland gilt das Schweizer Markenschutzrecht jedoch nicht direkt, so dass das Unternehmen von einer zulässigen Verwendung des Kreuzes ausging.

Für Anbieter von Produkten und Dienstleistungen von echter Schweizer Herkunft ist es sehr ärgerlich, wenn konkurrierende Anbieter im Ausland mit einer Schweizer Herkunft werben, obwohl die Voraussetzungen des Schweizer Markenschutzgesetzes nicht erfüllt sind. Ist das nun, wie das Beispiel des betreffenden Schuhs vermuten lassen könnte, schrankenlos möglich? Oder was gilt bezüglich Schweizer Herkunftsangaben im Ausland?

International gelten mehrere internationale Abkommen, in denen sich die Vertragsstaaten üblicherweise verpflichten, ausländische Herkunftsangaben im gleichen Umfang zu schützen wie die nationalen. In den Ländern, in denen das nationale Recht keinen oder nur einen schwachen Schutz der nationalen Herkunftsangaben vorsieht, sind natürlich Schweizer Herkunftsangaben ebenso wenig oder ebenso schwach geschützt. Um den Schutz zu verbessern, hat die Schweiz einige bilaterale Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und den Schutz von geographischen Angaben sowie Herkunftsangaben abgeschlossen. In den entsprechenden Vertragsstaaten dürfen Schweizer Herkunftsangaben nur verwendet werden, wenn sie den Voraussetzungen des Schweizer Rechts entsprechen. Insb. bestehen solche Vereinbarungen mit Deutschland, Frankreich, Ungarn, Portugal, Tschechien und Russland.

Für ein Schweizer Unternehmen, das sich mit einem Konkurrenten, der «fake Swiss» Produkte oder Dienstleistungen im Ausland anbietet, konfrontiert sieht, ist es zu teuer und aufwendig, selbst dagegen anzukämpfen. Es kann jedoch dem Schweizer Institut für Geistiges Eigentum («IGE»: das Schweizer Patent- und Markenamt) auf den Umstand hinweisen. Dieses führt aufgrund seines gesetzlichen Auftrags, im öffentlichen Interesse Missbräuche der «Swissness» im Ausland zu bekämpfen, recht energische und erfolgreiche Interventionen z.B. in China und in Indien.

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