Auswirkungen des neuen Sanierungsrechts auf Leasingverträge
10. Jan 2014, Recht & Steuern | Revision

Auswirkungen des neuen Sanierungsrechts auf Leasingverträge

Auf den 01.Januar 2014 ist in der Schweiz die Teilrevision des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts in Kraft getreten. Mit der Revision sollen Schwächen und Rechtsunsicherheiten des bisherigen Rechts behoben sowie die Sanierung von Unternehmen allgemein begünstigt werden. Anlass für die Revision war unter anderem auch die Swissair-Insolvenz.(1)

Revision des Sanierungsrechts

Neu kann einem Not leidenden Schuldner die Nachlassstundung einfacher und rascher bewilligt werden – das heisst die gerichtliche Schonfrist des Schuldners vor dem Zugriff der Gläubiger(2). Zudem muss diese auch nicht mehr zwingend in einen Nachlassvertrag oder einen Konkurs münden. In diesem Sinne kann die Nachlassstundung neu zu reinen Sanierungszwecken genutzt werden – ähnlich dem Chapter 11 Verfahren in den USA. Bei einer erfolgreichen Sanierung und Einigung mit den Hauptgläubigern kann diese vom Richter wieder aufgehoben werden.(3)

Mit der Revision werden nun auch die Auswirkungen von Konkurs und Nachlassstundung auf Dauerschuldverhältnisse wie Leasingverträge explizit geregelt.

Bisherige Regelung

Konkurs und Nachlassstundung hatten nach bisheriger Rechtslage keine Auswirkung auf laufende Dauerschuldverhältnisse. Das heisst ohne Regelung im materiellen Recht (z.B. Art. 266h OR, Kündigungsrecht des Vermieters im Konkurs des Mieters(4)) liefen die Verträge deshalb ganz normal weiter und galten mangels Regelung als fortgesetzt.(5) Für den Fall des Konkurses haben die Parteien folglich regelmässig vertraglich Beendigungsklauseln vorgesehen – was Lehre und Rechtsprechung als zulässig erachten.(6) Ohne vertragliche Regelung lag es am Konkursverwalter oder am Sachwalter, zu erklären, ob die Masse in die laufenden Dauerverträge eintrete und Forderungen als Masseforderungen vorab voll entschädigt werden oder nicht (Art. 211 SchKG und Art. 310 Abs. 2 SchKG).

In diesem Sinne hat beispielsweise der Sachwalter der Swissair kurz nach Bewilligung der Nachlassstundung gegenüber den Leasinggebern etwas sibyllinisch erklärt, dass keine Zustimmung zu den Verbindlichkeiten erfolge (und Forderungen der Leasinggeber folglich nur mit einer Quote entschädigt werden). Die Leasingverträge seien deswegen aber nicht aufgelöst und Zahlungen nicht als Eintritt in die Verbindlichkeit zu verstehen.(7)

Die bisherige Regelung führte zu Rechtsunsicherheit, insbesondere hinsichtlich der Frage, bis zu welchem Umfang Forderungen aus Dauerschuldverhältnissen im Konkurs zuzulassen sind.(8) Die Gebundenheit an langfristige Verträge, wie Leasingverträge, erachtete der Gesetzgeber sodann als erhebliches Hindernis für erfolgreiche Sanierungen.(9)

Neue Regelung im Konkursfall

Bei einem Konkurs des Vertragspartners besteht, gleich wie vor der Revision, auch im neuen Recht kein generelles Kündigungsrecht. Das Dauerschuldverhältnis läuft also normal weiter.(10) Die neue Regelung Artikel 211a SchKG hält aber klarstellend fest, dass ein Gläubiger seine Forderungen im Konkurs des Schuldners höchstens bis zum nächsten Kündigungstermin oder bis zum Ende der festen Vertragsdauer als Konkursforderung geltend machen kann - d.h. mit Anspruch auf eine Konkursdividende (Art. 211a Abs. 1 SchKG).

Nur in dem Umfang, wie die Konkursmasse sodann Leistungen aus dem Dauerschuldverhältnis tatsächlich in Anspruch genommen hat, sind diese von der Konkursverwaltung voll als Masseverbindlichkeit zu entschädigen (Art. 211a Abs. 2 SchKG). Für die restlichen Forderungen kann der Gläubiger lediglich eine Konkursforderung geltend machen.

Von Gesetz wegen steht dem Leasinggeber im Konkurs des Leasingnehmers zwar auch nach der Revision kein Kündigungsrecht zu, ein solches ist aber regelmässig in den allgemeinen Leasingbedingungen oder im Leasingvertrag vorgesehen. Allfällige Schadenersatzansprüche oder vereinbarte Schadenspositionen bei einer vorzeitigen Auflösung sind innerhalb eines Monats nach Konkurspublikation als Konkursforderung bei der Konkursverwaltung anzumelden (Art. 232 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG).

Neue Regelung im Nachlassrecht

Wesentlich geändert hat sich die Situation in der Nachlassstundung. Neu sieht das Nachlassrecht in Art. 297a SchKG ein ausserordentliches Kündigungsrecht vor. Dieses kann als zwingendes Recht im Rahmen des internationalen Privatrechts sogar unabhängig von der Anwendbarkeit des geltenden Sachrechts angerufen werden.(11)

Ist dem Schuldner die Nachlassstundung bewilligt worden, kann dieser deshalb mit Zustimmung des Sachwalters - und wenn ansonsten der Sanierungszweck vereitelt würde - ein Dauerschuldverhältnis jederzeit auf einen beliebigen Zeitpunkt gegen Entschädigung kündigen. Etwas verschämt fügt das Gesetz ergänzend bei: Die Entschädigung ist eine Nachlassforderung. Was in der Botschaft etwas vollmundig als «volle» Entschädigung bezeichnet wurde, ist tatsächlich eine quotale Entschädigung bei Misslingen der Sanierung.(12)

Kritisiert wurde im Vorfeld der Revision auch, dass sich der Schuldner durch die «Flucht» ins Nachlassverfahren missliebiger oder ungünstiger langzeitiger Verpflichtungen entledigen könne.(13) Dem Bundesrat war dies bewusst. Er betonte aber die zentrale Funktion bei einer Sanierung und verwies im Übrigen auf das moderne Sanierungsrecht anderer Staaten (14). Etwas trotzig fügte das Parlament dann – entgegen der ausdrücklichen Empfehlung des Bundesrates – die zweite Voraussetzung ein, dass die Kündigung für die Sanierung erforderlich sein müsse.(15)

Ein Leasingnehmer, dem die Nachlassstundung bewilligt wurde, hat deshalb neu die Möglichkeit, den Vertrag ausserordentlich zu kündigen - ungeachtet der konkreten vertraglichen Bestimmungen im Leasingvertrag. Leasingverträge sind, anders als Mietverträge, üblicherweise auf eine feste Vertragszeit abgeschlossen. Insbesondere Verträge im Finanzierungsleasing(16) sind in der Regel(17) nicht vorzeitig kündbar. Entsprechend schafft die Revision des Sanierungsrechts einen neuen gesetzlichen Kündigungstatbestand bei Leasingverträgen.

Für den Abschluss von neuen Verträgen hat insbesondere der Leasinggeber das neue Kündigungsrecht zu berücksichtigen und allgemeine Leasingbedingungen oder entsprechende Leasingverträge notfalls mit einer Klausel zu ergänzen - welche diesen Fall der vorzeitigen Kündigung entsprechend abdeckt.

Ob das neue ausserordentliche Kündigungsrecht eine Sanierung tatsächlich erleichtert, wird sich erweisen müssen. Das Kündigungsrecht alleine wird dem Not leidenden Schuldner in finanzieller Hinsicht wohl noch keine Linderung verschaffen, denn der langfristigen Verbindlichkeit wird neu aus der vorzeitigen Vertragsbeendigung unter Umständen eine noch höhere kurzfristige Verbindlichkeit gegenüberstehen, z.B. aufgrund einer vereinbarten Vertragsstrafe. Zudem wird auch das Kriterium der Sanierungserforderlichkeit noch zu präzisieren sein - nötigenfalls durch die Gerichte.

Die Auswirkungen zusammengefasst

Im Konkursfall hat das neue Sanierungsrecht auf Leasingverträge keine Auswirkungen. Künftig hat der Leasinggeber aber darüber Klarheit, wie seine Leasingforderung folglich behandelt wird – vorbehaltlich erfolgreicher Aussonderung! Die Leasingzinsen ab Konkurs bis zum nächsten Kündigungstermin bzw. bis zum Ende der Leasingdauer können als Konkursforderung angemeldet werden. Anders ist die Situation bei der Nachlassstundung: gestützt auf Art. 297a SchKG können Leasingverträge nun ausserordentlich gekündigt werden. Der notleidende Leasingnehmer kann damit nach Bewilligung der Nachlassstundung diesen jederzeit fristlos kündigen – auch ohne explizite Regelung im Leasingvertrag.

Quellen:

1. F. Lorandi, Vorgeschlagene Änderungen zum Sanierungsrecht, BlSchK 2011, S. 95. 
2. Die Nachlassstundung führt unter anderem dazu, dass der Gläubiger keine Möglichkeit mehr hat, gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung einzuleiten, sodann werden neu Zivilprozesse sistiert und gewisse Sicherungsmittel wie die Arrestlegung sind nicht mehr möglich (Art. 297 SchKG). 
3. D. Hunkeler, Neues Sanierungsrecht verabschiedet – voraussichtliches Inkrafttreten bereits am 1. Januar 2014, in: Jusletter 8. Juli 2013. 
4. gesetzliche Regelungen im Konkursfall finden sich nicht nur im Mietrecht, sondern auch bei der Schenkung (Art. 250 OR), der Pacht (Art. 297a OR), dem Auftrag (Art. 405 OR) und der einfachen Gesellschaft (Art. 545 Ziff. 3 OR). 
5. Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Sanierungsrecht) vom 8. September 2010, nachfolgend «Botschaft», S. 6462 und S. 6472; Schwob, Basler Kommentar, Band II, Art. 159-352, Basel 2010, Art. 211 N 7. 
6. Schwob, a.a.O., N 12.
7. Mitteilung des Liquidators an die Leasingfirmen vom 1. November 2001, auf der Website abrufbar: http://www.liquidator-swissair.ch/de/%20archiv/informationen-fuer-vertragspartner-von-%20flugzeugleasingvertraegen.htm
8. F. Lorandi, a.a.O., S. 102.
9. Botschaft, S. 6472: «Dauerschuldverhältnisse bestehen somit im Insolvenzfall grundsätzlich unverändert weiter. Das kann eine Sanierung erheblich erschweren oder sogar verunmöglichen, beispielsweise bei einem langfristigen Leasing von Maschinen, die bei einer Redimensionierung des Betriebes nicht mehr gebraucht werden.»
10. Botschaft, S. 6473.
11. sog. «lois d’application immédiate» des Vollstreckungsrechts, F. Lorandi, a.a.O., S. 103.
12. Botschaft, S. 6488.
13. 
Botschaft, S. 6463.
14. Botschaft, S. 6468, S. 6488.
15. Botschaft, S. 6489.
16. Beim Finanzierungsleasing werden mittel bis langfristige Vertragslaufzeiten abgeschlossen, die Leasingdauer ist nahe an der wirtschaftlichen Nutzungsdauer, d.h. das Leasinggut wird fast 17 vollständig amortisiert und aufgrund des tiefen Restwertes wird häufig von der Möglichkeit Ge- brauch gemacht, das Leasinggut am Ende der Leasingdauer zu erwerben. Der Leasingvertrag ist während der Vertragslaufzeit in der Regel nicht vorzeitig kündbar. Nach SWISS GAP FER 13 ist das Leasinggut in der Bilanz des Leasingnehmers zu erfassen. Das Operating Leasing hat üblicherweise eine kurze bis mittelfristige Vertragslaufzeit, das Leasingobjekt weist nach der Vertragslaufzeit ein relativ hohen Restwert auf und wird entsprechend in der Regel nach Vertragsende dem Leasinggeber wieder zurückgegeben oder es wird ein Anschlussleasingver- trag abgeschlossen. Das Leasinggut ist beim Leasinggeber zu bilanzieren (Meyer/Dünhaupt, Leasinggeschäfte nach SWISS GAP FER, in: Der Schweizer Treuhänder 2009/04, S. 194ff, S. 195; Vontobel, Leasingmarkt Schweiz, Credit Suisse Economic Research, 2013, S. 9.
17. Das Konsumkreditgesetz räumt dem privaten Konsumenten und Leasingnehmer von Gesetzes wegen ein vorzeitiges Kündigungsrecht ein (Art. 17 Abs. 3 KKG).

(Bildquelle: © ahavelaar/iStockphoto)




Schliessen Button
Immer erstklassig informiert

Melden Sie sich für den Newsletter der Handelskammer Deutschland-Schweiz an.