Neuerungen bei grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen
4. Dez 2025, Recht & Steuern

Neuerungen bei grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen

Durch die mit dem Wachstumschancengesetz 2024 eingeführten Absätze 3d und 3e zum § 1 AStG wurden weitreichende Änderungen für grenzüberschreitende konzerninterne Finanzierungsbeziehungen eingeführt. Von Schuldentragfähigkeitstests bis hin zu Gruppenratings – die neuen Regelungen erfordern erhöhte Aufmerksamkeit. In dem nachfolgenden Artikel erfahren Sie, welche Auswirkungen diese Änderungen insbesondere auf grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen mit der Schweiz haben können und wie Sie sich darauf vorbereiten sollten. 

Gesetzliche Neuregelungen für grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen

§ 1 Abs. 3d AStG und § 1 Abs. 3e AStG normieren erstmals konkrete Grundsätze für grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen und -dienstleistungen innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe. Sie sollen sicherstellen, dass Gewinne trotz Finanzierungsbeziehungen dort angemessen besteuert werden, wo sie auf Basis der ausgeübten Geschäftstätigkeiten entstehen.

Als multinationale Unternehmensgruppe gelten wenigstens zwei zueinander nahestehende Gesellschaften, die in zwei verschiedenen Staaten ansässig sind.

Finanzierungsbeziehungen gemäß § 1 Abs. 3d AStG – ein Überblick

Nach § 1 Abs. 3d Nr. 1 AStG bleibt ein aus der Finanzierungsbeziehung resultierender Aufwand nur dann als Betriebsausgabe abzugsfähig, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft machen kann, dass er

a) den Kapitaldienst für die gesamte Laufzeit dieser Finanzierungsbeziehung von Anfang an hätte erbringen können (sog. Debt Capacity- oder Schuldentragfähigkeitstest); und
b) die Finanzierung wirtschaftlich benötigt und für den Unternehmenszweck verwendet (sog. Utilisation- oder Mittelverwendungstest).

Werden diese Kriterien nicht erfüllt, droht laut dem Gesetzeswortlaut ein vollständiges Versagen des Zinsabzugs.

Ein anteiliges Versagen des Zinsabzugs droht zudem gemäss § 1 Abs. 3d Nr. 2 AStG, soweit der Steuerpflichtige einen Zins für die Finanzierung zahlt, der über demjenigen Zins liegt, zu dem sich das Unternehmen unter Zugrundelegung des Ratings für die gesamte Unternehmensgruppe gegenüber fremden Dritten finanzieren könnte (sog. Group Rating- oder Konzernfinanzierungstest).

Finanzierungsfunktionen gemäß § 1 Abs. 3e AStG – ein Überblick

Funktionen, wie die Vermittlung oder Weiterleistung von Finanzierungen, aber auch ein Liquiditäts- oder Wechselkursrisikomanagement, gelten gem. § 1 Abs. 3e AStG regelmässig als Routinefunktionen, die ausweislich der Gesetzesbegründung auf Basis der Kostenaufschlagsmethode zu vergüten sind.

Entgegen der Rechtsprechung besteht von Gesetzes wegen einer Beweislastumkehr. Die Glaubhaftmachung der Fremdüblichkeit seiner Finanzierungsbeziehungen liegt nun beim Steuerpflichtigen. Dies gilt ebenso für den Nachweis, dass Finanzierungsdienstleistungen über das Niveau von Routinedienstleistungen hinausgehen.

Bestandsschutz für vor dem 01. Januar 2024 abgeschlossene Verträge

Um für bereits bestehende Verträge einen Bestandsschutz zu gewährleisten, ist § 1 Abs. 3d AStG nicht auf Finanzierungsaufwand anzuwenden, der im Jahr 2024 entsteht und auf Finanzierungsbeziehungen beruht, die vor dem 01. Januar 2024 zivilrechtlich vereinbart wurden und tatsächlich vor dem 01. Januar 2024 begonnen und bis zum 31. Dezember 2024 nicht (wesentlich) geändert wurde.

Vergleich zu den OECD- & Schweizer Regelungen

Insbesondere mit § 1 Abs. 3d AStG weicht Deutschland erheblich vom internationalen Konsens der OECD-Verrechnungspreisleitlinie 2022 ab. Nach dieser ist zum einen die Angemessenheit eines Zinssatzes nach dem individuellen Rating des Darlehensnehmers (wenn auch unter Einbezug des Konzernrückhalts) zu beurteilen und zum anderen führt das Nicht-Bestehen des Schuldentragfähigkeitstests regelmäßig lediglich zu einem anteiligen Zinsabzugsverbot. Damit drohen Doppelbesteuerungsrisiken, da der nationale Fremdvergleichsgrundsatz im Sinne des § 1 Abs. 3d AStG vom abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatz im Sinne des Art. 9 des OECD-Musterabkommens abweicht.

Im Vergleich zu den schweizerischen Regelungen für konzerninterne Darlehensfinanzierungen enthalten § 1 Abs. 3d und Abs. 3e AStG, insbesondere keine Nichtaufgriffsregelungen. Die Rundschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung enthalten explizite Angaben für Zinssätze, ab denen konzerninterne Finanzierungsbeziehungen nicht aufgegriffen werden.

Diese Sicherheit gilt zwar immer nur eindimensional und im Inbound-Fall, da diese Safe-Harbour-Regelung nur für die Schweiz gilt und ein Nicht-Aufgriff durch die gegenüberstehende Steuerverwaltung nicht garantiert wird. Es führt jedoch zumindest einseitig zu der erheblichen Vereinfachung der Strukturierung der konzerninternen Darlehensbeziehungen.

Erleichterungen durch Verwaltungsgrundsätze

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2024 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) eine Überarbeitung der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 veröffentlicht.

Offenbar hat das BMF erkannt, dass die Neuregelungen über die OECD-Verrechnungspreisleitlinien hinausgehen und einen möglichen Doppelbesteuerungskonflikt bergen. Dies zeigt sich in den folgenden, nicht abschliessenden Punkten in Bezug auf § 1 Abs. 3d AStG:

  • Beim Schuldentragfähigkeitstest stellt die Finanzverwaltung klar, dass ein Darlehen innerhalb der Laufzeit nicht vollständig getilgt werden muss, sondern auch Anschlussfinanzierungen möglich sind. Ausserdem können auch Liquiditätsreserven und Kapitalpuffer Berücksichtigung finden.
  • Das BMF stellt weiter klar, dass auch mit besonders hohen Risiken behaftete Finanzierungsbeziehungen nicht per se fremdunüblich sind und verweist dabei auf die Start-up-Finanzierung.
  • Der Mittelverwendungstest ist dahingehend auszulegen, dass dem Steuerpflichtigen nach den Finanzierungskosten eine begründete Aussicht auf Rendite verbleiben muss.
  • Eine Darlehensaufnahme für Zwecke einer Gewinnausschüttung widerspricht grundsätzlich nicht dem Unternehmenszweck und steht damit einhergehend nicht dem Mittelverwendungstest entgegen.
  • Wird die Schuldentragfähigkeit oder wirtschaftliche Notwendigkeit nicht glaubhaft gemacht, soll – entgegen dem Gesetzeswortlaut – nur noch der überschiessende fremdunübliche Teil einem Abzugsverbot unterliegen.
Folgen für Schweizer FinCos

In der Praxis finden sich oftmals in der Schweiz ansässige Finanzierungsgesellschaften, deren Tätigkeit darin besteht, Darlehen an andere Konzerngesellschaften dieser Gruppe zu vermitteln, weiterzuleiten und zu steuern. Entsprechende Gesellschaften sind nach der Neuregelung grundsätzlich als Routineunternehmen einzuordnen, deren Vergütung mit der Kostenaufschlagsmethode zu bestimmen ist. Lediglich besondere Risiken der Finanzierungsgesellschaften rechtfertigen auch die Zuweisung einer höheren Vergütung.

In der Schweiz ansässige Finanzierungsgesellschaften, die zentral die Darlehensmittel bei Banken aufnehmen und konzernintern weiterleiten, dürften grundsätzlich als Routineunternehmen einzustufen sein, weshalb ihre Leistungen grundsätzlich mit einem Kostenaufschlagssatz von 5 % bis 10 % zu bemessen sind.

Ferner bedeuten die Neubestimmungen für Konzernfinanzierungen, dass für neu abgeschlossene Darlehensbeziehungen der FinCos mit deutschen Gesellschaften nicht mehr das Stand-alone-Rating zugrunde zu legen ist, sondern in der Regel das Group-Rating. Nur in Ausnahmefällen kann auch das Stand-alone-Rating zugrunde gelegt werden. Im Vergleich zu den bisherigen Regelungen erfordert dies jedoch höhere Nachweispflichten für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung. Bei neu abgeschlossenen Darlehensbeziehungen zu deutschen Konzerngesellschaften ist daher davon auszugehen, dass ein niedrigerer Darlehenszins anzusetzen ist als nach den bisherigen Regelungen.

Ausblick

Die Konkretisierung im Rahmen der Verwaltungsgrundsätze 2024 ist insbesondere in Bezug auf § 1 Abs. 3d AStG zu begrüssen. Die Finanzverwaltung rudert in dieser Thematik zurück, um die Verwaltungspraxis – in Ansehung etwaiger Doppelbesteuerungskonflikte – in Einklang mit den Vorgaben der OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2022 zu bringen. Während die veröffentlichte Fassung in Bezug auf § 1 Abs. 3e AStG weitreichende Klarstellungen vermissen lässt, ist negativ in Bezug auf § 1 Abs. 3d und 3e AStG hervorzuheben, dass eine verfahrensrechtliche Beweislastumkehr zuungunsten der Steuerpflichtigen verbleibt, die zu deutlich höherem Dokumentationsaufwand führen wird.

Es ist davon auszugehen, dass grenzüberschreitende Finanzierungsstrukturen künftig verstärkt in den Prüfungsfokus der Finanzverwaltung im Rahmen steuerlicher Außenprüfungen geraten werden. Um den steuerlichen Abzug von Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben zu gewährleisten, sollten entsprechende Dokumentationen aktiv vorgehalten werden und bei der Begründung neuer Finanzierungsbeziehungen die geänderten Vorschriften zu berücksichtigen.




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