BFSG
17. Jul 2025, Recht & Steuern

BFSG: Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – Was Unternehmen jetzt wissen müssen

Seit dem 28. Juni 2025 gilt in Deutschland das BFSG verbindlich. Es setzt die EU-Richtlinie über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen um (EAA-Akt). Ziel ist es, Menschen mit Behinderungen gleichberechtigten Zugang zu digitalen Produkten und Dienstleistungen zu ermöglichen – insbesondere im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs (E-Commerce). Für Unternehmen bedeutet das: Webseiten, Online-Shops und digitale Dienste müssen künftig so gestaltet sein, dass sie für alle Nutzer wahrnehmbar und bedienbar sind.

Wer ist betroffen?

Das Gesetz gilt für Hersteller, Händler und Importeure der in § 1 Absatz 2 BFSG genannten Produkte sowie für Dienstleister gemäss § 1 Absatz 3 BFSG, insbesondere im Bereich des E-Commerce. Auch Unternehmen mit Sitz ausserhalb der EU – beispielsweise in der Schweiz – sind betroffen, wenn sie bestimmte Produkte oder Dienstleistungen Verbraucher in der EU anbieten.

Ausnahme: Kleinstunternehmen

Nicht betroffen sind Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens 2 Millionen Euro, sofern sie ausschliesslich Dienstleistungen anbieten oder erbringen. Kleinstunternehmen, die Produkte in Verkehr bringen, müssen das BFSG dennoch einhalten.

Gilt das BFSG auch im B2B-Bereich?

Das Gesetz gilt ausschliesslich im B2C-Bereich, also für Angebote, die sich an Verbraucher richten. Wer ausschliesslich im B2B-Bereich tätig ist, fällt nicht unter das BFSG.

Welche Produkte sind betroffen?

Zu den vom BFSG erfassten Produkten zählen Computer, Notebooks, Tablets, Smartphones und andere Hardwaresysteme für Verbraucher. Auch Selbstbedienungsterminals wie Zahlungsterminals, Geldautomaten, Fahrkartenautomaten oder Check-in-Automaten fallen darunter. Weiterhin sind Verbraucherendgeräte für Telekommunikationsdienste wie Router sowie Geräte für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten wie Smart-TVs betroffen. Ebenfalls erfasst sind E-Book-Reader.

Ab dem 28. Juni 2025 dürfen solche Produkte nur noch in Verkehr gebracht werden, wenn sie barrierefrei sind. Dazu gehören eine CE-Kennzeichnung, eine EU-Konformitätserklärung und eine Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache. Produkte, die vor diesem Stichtag auf dem Markt waren, müssen nicht nachträglich angepasst werden – es sei denn, sie erhalten ein Software-Update, das neue Funktionen einführt oder bestehende Funktionen wesentlich verändert.

Welche Dienstleistungen sind betroffen?

Zu den vom BFSG erfassten Dienstleistungen gehören Telekommunikationsdienste, Bankdienstleistungen für Verbraucher, E-Book-Angebote sowie sämtliche Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr, etwa Webseiten und Apps mit Verkaufs- oder Buchungsfunktion.

Was sind Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr?

Gemeint sind alle digitalen Dienste, die über Webseiten oder mobile Apps auf Anfrage von Verbrauchern erbracht werden, mit dem Ziel, einen Vertrag zu schliessen oder einen Vertragsabschluss vorzubereiten. Entscheidend ist nicht das konkrete Angebot, sondern die Funktion der Plattform als Zugang zu einem Vertrag. Beispiele sind Online-Shops oder Buchungsplattformen. Diese Dienstleistungen werden von den Anforderungen des BFSG erfasst.

Was bedeutet Barrierefreiheit für Websites?

Barrierefrei müssen ausschliesslich transaktionsbezogene Seiten sein – das heisst Bereiche wie Online-Shops, Buchungsformulare, Login- und Registrierungssysteme. Reine Informationsseiten, etwa Blogs oder Nachrichtenseiten ohne Verkaufsfunktion, sind nicht betroffen.

Barrierefreie Websites müssen mit assistiven Technologien kompatibel sein, eine einfache Navigation ermöglichen und verständlich gestaltet sein. Sie sollen alternative Bedienformen für Menschen mit visuellen, auditiven, motorischen oder kognitiven Einschränkungen bieten. Dazu gehören auch der Schutz der Privatsphäre bei Nutzung barrierefreier Funktionen, Alternativen zu Farben, Spracheingabe oder biometrischen Eingaben sowie flexible Einstellungen wie Schriftgrösse, Kontrast oder Lautstärke. Fotosensitive Reize sollen vermieden werden, während die Unterstützung von Hilfsgeräten und barrierefreier Software sicherzustellen ist.

EU-Konformitätserklärung und CE-Kennzeichnung

Bevor ein betroffenes Produkt in Verkehr gebracht wird, muss der Hersteller eine EU-Konformitätserklärung erstellen. Diese muss den Vorgaben aus § 19 BFSG entsprechen, in deutscher Sprache verfasst sein und die Angaben gemäss Anlage 2 enthalten. Werden Ausnahmen nach § 16 oder § 17(siehe nächsten Absatz) in Anspruch genommen, sind diese ausdrücklich anzugeben.

Zusätzlich ist das Produkt mit einer CE-Kennzeichnung zu versehen. Diese muss sichtbar, dauerhaft und gut lesbar am Produkt selbst, auf der Verpackung oder in den Begleitunterlagen angebracht sein.

Ausnahmen bei grundlegender Veränderung oder unverhältnismässiger Belastung

Eine Ausnahme von der Barrierefreiheitspflicht besteht, wenn deren Umsetzung zu einer grundlegenden Veränderung des Produkts oder der Dienstleistung führen würde oder eine unverhältnismässige wirtschaftliche Belastung für das Unternehmen darstellt. In diesen Fällen müssen die Gründe sorgfältig dokumentiert, begründet und für fünf Jahre aufbewahrt werden. Die Marktüberwachungsbehörde kann diese Nachweise anfordern.

Wie wird das Gesetz durchgesetzt?

Die Durchsetzung erfolgt ab dem 28. Juni 2025 durch die neue Marktüberwachungsstelle der Länder für Barrierefreiheit (MLBF) mit Sitz in Magdeburg. Unternehmen müssen auf Anfrage nachweisen können, dass sie die Anforderungen erfüllen.

Bei Verstössen drohen Bussgelder, Verkaufsverbote, die Entfernung oder Abschaltung digitaler Angebote.

Fazit

Das BFSG ist am 28. Juni 2025 vollständig in Kraft getreten. Die Regelung betrifft nicht nur grosse E-Commerce-Plattformen, sondern auch kleinere Anbieter mit Buchungs-, oder Verkaufsfunktionen. Unternehmen sollten ihre digitalen Angebote prüfen und gegebenenfalls anpassen oder die Ausnahmen stringent dokumentieren.




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