News aus dem Rechts- und Steuerbereich der Handelskammer
15. Apr 2019, Recht & Steuern | Aktuelles

Aktuelles aus dem Rechts- und Steuergeschehen Schweiz – Deutschland / EU

Schweiz: Urteil des Schweizerischen Bundes-gerichts zu Lohnzahlungen an Grenzgänger in Euro
Das schweizerische Bundesgericht hatte in den Urteilen 4A_215/2017 und 4A_230/2018 vom 15. Januar 2019 darüber zu entscheiden, ob eine Lohnzahlung an Grenzgänger zu einem nachteiligen Wechselkurs in Euro zulässig ist. Da die Arbeitnehmer bewusst einer Vertragsänderung, die Lohnzahlungen zu einem nachteiligen Umrechnungskurs in Euro vorsieht, zugestimmt hatten, wurde eine Nachforderung angesichts der besonderen Umstände der Fälle als rechtsmissbräuchlich eingestuft. Das von den Medien diskutierte und von Arbeitgebern teils befürchtete Verbot von Lohnzahlungen in Euro auf Grund des Freizügigkeitsabkommens wurde durch die Rechtsprechung des Bundesgerichts weder bekräftigt noch dementiert. Schlussendlich hat das Bundesgericht die Diskussion um die Drittwirkung des Verbots der Arbeitnehmerdiskriminierung auf private Arbeitgeber offen gelassen und auch keine Aussage zu einer unzulässigen Arbeitnehmerdiskriminierung getroffen, da dem Rechtsbegehren der Arbeitgeber aus anderen Gründen stattgegeben wurde.
Deutschland: Verlängerung der Anwendungsregelungen für grenzüberschreitende Warenlieferungen in ein inländisches Konsignationslager
Das Bundesfinanzministerium hat in seinem Schreiben vom 31. Oktober 2018 (III C 3 – S 7103-a/15/10001) die Anwendungsregelungen zu grenzüberschreitenden Warenlieferungen in ein inländisches Konsignationslager nach dem Schreiben vom 10. Oktober 2017 erneut verlängert. Die Frist der Übergangsregelung wurde auf den 1. Januar 2020 festgesetzt.
Änderungen im Bereich der Umsatzsteuer für die Betreiber von elektronischen Marktplätzen
Zum 1. Januar 2019 trat § 22 f des deutschen Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Kraft, der besondere (Aufzeichnungs-) Pflichten für Betreiber eines elektronischen Marktplatzes (Betreiber) enthält. Soweit eine steuerbare Lieferung im Inland vorliegt, muss der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes die persönlichen Daten und Adresse der Unternehmer, die Steuernummer / Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, den Ort des Beginns der Beförderung oder Versendung, den Bestimmungsort sowie den Zeitpunkt und die Höhe des Umsatzes aufzeichnen. Zusätzlich wird eine Bescheinigung benötigt, die die steuerliche Registrierung dokumentiert. Die Bescheinigung wird vom zuständigen Finanzamt auf Antrag des liefernden Unternehmers erteilt. Die Gültigkeit der Bescheinigung ist längstens auf drei Jahre befristet. Bei Händlern, die keine Unternehmer sind, ist zusätzlich das Geburtsdatum aufzuzeichnen.

Des Weiteren wurde in § 25 e UStG eine neue Haftungsregelung für die Betreiber elektronischer Marktplätze eingeführt. Danach haftet der Betreiber für die nicht entrichtete Steuer aus Lieferungen eines Unternehmers, wenn er die vorgenannte Bescheinigung nicht vorlegen kann, ausser der Betreiber wusste oder hätte wissen müssen, dass der leistende Unternehmer seine steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Ist der Lieferant kein Unternehmer, haftet der Betreiber nicht, wenn er seinen Aufzeichnungspflichten nachgekommen ist. Dies gilt nicht, wenn der Betreiber nach Art, Menge und Höhe der Umsätze wusste oder hätte wissen müssen, dass die Umsätze im Rahmen eines Unternehmens erbracht werden. Wenn der Lieferant seinen steuerlichen Pflichten nicht oder nicht in wesentlichem Umfang nachkommt, kann das Finanzamt dem Betreiber eine Mitteilung zustellen.  Nach Zugang der Mitteilung haftet der Betreiber für die Steuer auf Umsätze, soweit das dem Umsatz zugrunde liegende Rechtsgeschäft nach dem Zugang der Mitteilung abgeschlossen worden ist. Der Betreiber wird dann nicht in Anspruch genommen, wenn der Betreiber nachweist, dass der Lieferant über seinen elektronischen Marktplatz keine Waren mehr anbieten kann.
Deutschland / Schweiz Konsultationsvereinbarung zu Grenzgängern
In der Konsultationsvereinbarung vom 12. Oktober 2018 zum Doppelbesteue-rungsabkommen Deutschland-Schweiz (DBA D-CH) haben die deutsche und Schweizer Finanzverwaltung Fragen zur Anwendung und Auslegung von Nichtrückkehrtagen von Grenzgängern geklärt. Von der Vereinbarung betroffen sein sollen Sachverhalte ab dem 1. Januar 2019. Eine Nichtrückkehr aufgrund der Arbeitsausübung ist dann gegeben, wenn die Rückkehr an den Wohnsitz aus beruflichen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Bei der Benutzung eines PKWs ist die Rückkehr nicht zumutbar, wenn die kürzeste Entfernung für die einfache Wegstrecke mit dem PKW mehr als 100 Kilometer oder die schnellste Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln für die einfache Wegstrecke bei üblichen Pendelzeiten mehr als 1,5 Stunden beträgt. Von einem Nichtrückkehrtag ist bei vor-liegender Unzumutbarkeit der Rückkehr nur dann auszugehen, wenn die unselbständig erwerbstätigen Personen glaubhaft machen, dass sie tatsächlich nicht an ihren Wohnsitz zurückgekehrt sind.
EU: Quick fixes im Bereich der Mehrwertsteuer
Mit dem Ziel, die Vorzüge des Binnenmarktes im Bereich innergemeinschaftlicher Warenbewegungen zu stärken, hat der Rat der Europäischen Union für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN-Rat) die Einführung sogenannter Quick Fixes beschlossen. Die Änderungen, die ab 2020 Anwendung finden sollen, betreffen vor allem folgende Bereiche:
  • Vereinfachungsregelungen für Konsignationslager: Nach der Konsignations-lagerregelung liegt neu eine steuerfreie innergemeinschaftliche Direktlieferung des Lieferers und ein korrespondierender innergemeinschaftlicher Erwerb beim Empfänger im Zeitpunkt der Entnahme der Ware aus dem Konsignationslager vor. Hierfür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein (z. B. Entnahme innerhalb von 12 Monaten, fehlende Ansässigkeit des Lieferanten im Bestimmungsmitgliedstaat usw.).
     
  • Einheitliche Zuordnung der bewegten und ruhenden Lieferung bei Reihenge-schäften: Geregelt wird nur die Konstellation, dass ein Zwischenhändler die Gegenstände selbst oder auf seine Rechnung durch einen Dritten versendet oder befördert. Grundsätzlich ist die bewegte Lieferung der Lieferung des ersten Unternehmers an den Zwischenhändler zu zuordnen, ausser der Zwischenhändler teilt dem ersten Lieferanten eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) mit, die ihm vom Abgangsmitgliedstaat mitgeteilt wurde. In diesem Ausnahmefall ist die bewegte Lieferung der Lieferung des Zwischenhändlers an den letzten Unternehmer zu zuordnen. Nicht aufgenommen worden die Fälle, in denen der erste Händler in der Kette transportiert oder der letzte Abnehmer die Ware abholt.
     
  • Materiell-rechtliche Voraussetzungen (z. B. USt-IdNr.) für die Steuerbefreiung: Künftig wird die USt-IdNr. sowie Zusammenfassende Meldung (ZM) materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuer-befreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen. D. h. der Erwerber, der im anderen Mitgliedsstaat als dem Abgangsmitgliedstaat ansässig ist, muss über eine gültige USt-IdNr. verfügen und diese dem Lieferanten auch mitteilen.
     
  • Einheitliche Nachweise für die Anwendung der Steuerfreiheit: Sind die neu geforderten Nachweise erbracht, wird nun (durch die Finanzverwaltung widerlegbar) vermutet, dass die Gegenstände von einem Mitgliedstaat an einen Bestimmungsort ins übrige Gemeinschaftsgebiet versandt oder befördert wurden.
 
Urteil des europäischen Gerichtshofs zur Wegzugsbesteuerung
In seinem Urteil C-581/17 (Martin Wächtler gegen Finanzamt Konstanz) vom 26. Februar 2019 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die deutsche Wegzugsbesteuerung in der vorliegenden Situation gegen das Freizügigkeitsabkommen Schweiz – EU verstösst, wenn die für die latenten Zuwächse von Gesellschaftsanteilen geschuldete Steuer im Zeitpunkt der Wohnsitzverlagerung erhoben wird. Es ging um eine natürliche Person, die in der Schweiz einer Erwerbstätigkeit nachging, und ihren Wohnsitz von Deutschland in die Schweiz verlegte. Die Person war Geschäftsführer einer GmbH mit Sitz in der Schweiz und übte in diesem Rahmen eine Tätigkeit im Bereich der IT-Beratung aus. Gleichzeitig hielt er 50 % der Gesellschaftsanteile. Das Gericht entschied, dass im Freizügigkeitsabkommen zwi-schen der Schweiz und der EU ein ähnliches Schutzniveau bestehe, wie es das EU-Recht unter den Mitgliedsstaaten statuiert. Die Wegzugssteuer führe somit zu einer ungerechtfertigten steuerlichen Benachteiligung.
 
Co-Autor: Giulio Biaggini



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