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29. Jan 2019, Recht & Steuern | Anti-Treaty Shopping

Deutschland – Schweiz aktuelle Steuerthemen für Privatpersonen und Unternehmen

Anti-Treaty Shopping Normen nicht EU-konform – Deutschland muss bei versagter Freistellung von Quellensteuern, u. a. auf Dividenden, nochmals nachbessern.
 
Deutschland kennt in den nationalen Steuergesetzen diverse Missbrauchsregelungen. Eine ist die sog. Anti-Treaty Shopping Regelung in § 50d Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Durch sie soll die Inanspruchnahme von «nicht erwünschten» Abkommens- und Richtlinienvorteilen (sog. Treaty- und Directive-Shopping) unterbunden werden. Bei der Anwendung dieser Norm wird die ausländische Gesellschaft rechtlich und steuerlich anerkannt. Allerdings werden die abkommensrechtlichen Vergünstigungen ggf. versagt. Die teilweise oder komplette Freistellung der Quellensteuer auf Zinsen, Lizenzen und Dividenden wird trotz entsprechender Regelungen in den diversen Doppelbesteuerungsabkommen (Treaty) – etwa dem zwischen Deutschland und der Schweiz – aufgrund dieser nationalen, deutschen Missbrauchsvorschrift verhindert.
 
Es können Fälle unterschiedlichster Art unter die Norm fallen. Typisch ist die nachstehende Fallkonstellation:
KPMG Grafik Treaty Shopping
Im Bereich dieser Anti-Treaty Shopping Regelung gab es in den letzten Jahren wichtige Rechtsänderungen, zuletzt mit Wirkung ab dem 1.1.2012. Diese Änderung per 1.1.2012 schwächte die von 2007 bis 2011 Anwendung findende Vorgänger-Regelung, insbesondere im Bereich der bis dahin geltenden sog. 10 %-Grenze eigener Wirtschaftstätigkeit, ab und sollte so der Kritik, auch jener der EU-Kommission, die auch zu einem Vertragsverletzungsverfahren geführt hat, Rechnung tragen. Kritik hielt sich jedoch auch an der abgeschwächten Norm.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in mehreren Verfahren (u.a. Rechtssache Deister Holding AG und Juhler Holding AG; Rs. C-504/16 und C-613/16) ebenfalls mit § 50d Abs. 3 EstG auseinander gesetzt. Mit Urteil vom 20.12.2017 hatte er in der Rs. Deister Holding AG und Juhler Holding AG erwartungsgemäss entschieden, dass die streitgegenständliche Regelung aus dem Jahr 2007 gegen EU-Recht verstösst.
 
Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat mit BMF-Schreiben vom 4.4.2018 (IV B 3 – S 2411/07/10016-14) auf das im Dezember 2017 ergangene Urteil des EuGH reagiert. Es war der Versuch, die grundlegende Überarbeitung des § 50d Abs. 3 EStG zu vermeiden. Dieses BMF-Schreiben sah – verkürzt – folgende Anpassungen vor:
  1. § 50d Abs. 3 EStG 2007 ist demnach nicht mehr anwendbar, sondern nunmehr wie folgt:
  2. Für Dividenden zwischen verbundenen Unternehmen innerhalb der EU ist § 50d Abs. 3 EStG 2012 per sofort in allen noch offenen Fällen mit der Massgabe anzuwenden, dass die sog. «stand-alone-Betrachtung» keine Anwendung mehr findet. Typisierend wird jedoch auch weiterhin unterstellt, dass wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft auch dann fehlen, wenn sich aus einer Gesamtwürdigung des Falles ergibt, dass mit der Einschaltung der ausländischen Gesellschaft im Wesentlichen nur ein steuerlicher Vorteil bezweckt wird.
  3. Zinsen und Lizenzen waren von dem Regelungsgehalt des BMF-Schreibens nicht explizit erfasst, was überhaupt nicht nachzuvollziehen und deswegen scharf zurückzuweisen ist.
Die Haltbarkeitsdauer des BMF-Schreibens war jedoch nur von kurzer Dauer. Mit Beschluss vom 14.6.2018 (C-440/17, Rechtssache GS) äusserte sich der EuGH nunmehr auch zu der neuen, ab 1.1.2012 geltenden Fassung des § 50d Abs. 3 EStG. Inhaltlich wiederholte der EuGH dabei seine bisher schon geäusserte Kritik an dem «alten» § 50d Abs. 3 EStG 2007 und übertrug sie nun auch auf den abgeschwächten § 50d Abs. 3 EStG 2012:
  1. Nationale Missbrauchsvermeidungsvorschriften sind zwar zulässig, insbesondere zur Verhinderung von rein künstlichen, jeder wirtschaftlichen Realität baren Konstruktionen mit dem Zweck, ungerechtfertigte Steuervorteile zu nutzen.
  2. § 50d Abs. 3 EStG 2007/2012 stellen jedoch jeweils eine allgemeine Missbrauchsvermutung auf,
  3. faktisch ohne der Möglichkeit eines Gegenbeweises für den Steuerpflichtigen.
  4. Weiterhin forderte der EuGH stets eine Würdigung der Gesamtverhältnisse der Umstände, insbesondere auch unter Berücksichtigung gegebenenfalls gegebener aussersteuerlicher Gründe für die gewählte Konzernstruktur.
 
Auch die abgeschwächte Norm von 2012 verstösst also gegen die Niederlassungsfreiheit sowie gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie. Durch den EuGH-Beschluss wird deutlich, dass die in dem BMF-Schreiben vorgenommenen Anpassungen nicht ausreichen, um die Vereinbarkeit mit Unionsrecht herzustellen. Stattdessen ist nunmehr eine Reaktion des Gesetzgebers und eine gesamthafte Überarbeitung des § 50d Abs. 3 EStG angesagt.
 
Die Schweiz als Drittstaat ist von dem Urteil sowie dem Beschluss noch nicht unmittelbar erfasst, da sich der EuGH in seiner Argumentation bisher nur auf die Mutter-Tochter Richtlinie sowie die Niederlassungsfreiheit bezog; Die Kapitalverkehrsfreiheit, welche auch gegenüber Drittstaaten greifen würde, sollte jedoch ebenfalls betroffen sein. Schweizer Investoren sollten daher in entsprechenden Fällen ebenfalls den Rechtsweg suchen.
 



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