Aktien
21. Nov 2022, Recht & Steuern

Aktienrechtsrevision

Kurzübersicht über die wesentlichen Änderungen des Aktienrechts per 1. Januar 2023

Während ein Teil der umfassenden Aktienrechtsrevision bereits in Kraft getreten ist, namentlich die Regelungen betreffend die Geschlechterquote und die Transparenzvorschriften für Rohstoffunternehmen, tritt nun per 1.Januar 2023 die Aktienrechtsrevision vollständig in Kraft. Vornehmlich relevant sind die grössere Flexibilität des Aktienkapitals und bei der Durchführung der Generalversammlung sowie die Stärkung der Aktionärsrechte. Im Folgenden werden die wichtigsten Änderungen in groben Zügen aufgezeigt, wobei der Schwerpunkt auf nicht börsenkotierten Aktiengesellschaften liegt.

Mehr Flexibilität bei den Kapitalvorschriften
Mit der Revision werden verschiedene Bestimmungen hinsichtlich des Aktienkapitals aufgehoben, geändert oder präzisiert. So wird der bisherige Mindestnennwert von CHF0.01 aufgehoben und muss lediglich noch grösser als null sein. Zudem wurde der qualifizierte Gründungstatbestand der (beabsichtigten) Sachübernahme ersatzlos gestrichen. Des Weiteren hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der Ausschüttung einer Zwischendividende explizit kodifiziert. Damit kann die Generalversammlung basierend auf einem geprüften Zwischenabschluss eine Zwischendividende beschliessen. Die Prüfung ist nicht erforderlich, wenn die Gesellschaft auf die eingeschränkte Revision verzichtet hat. Ferner muss keine Prüfung durchgeführt werden, wenn sämtliche Aktionäre darauf verzichten und die Forderungen der Gläubiger dadurch nicht gefährdet werden.

EINER DER HAUPTPFEILER DER AKTIENRECHTSREVISION IST DIE STÄRKUNG DER AKTIONÄRSRECHTE.»

Bereits unter dem bisherigen Recht war die Buchführung und Rechnungslegung der Gesellschaft in der funktionalen Währung zulässig – das Aktienkapital musste jedoch zwingend auf Schweizer Franken lauten. Neu darf das Aktienkapital in einer für die Geschäftstätigkeit wesentlichen ausländischen Währung lauten, wobei es im Zeitpunkt der Gründung bzw. Umwandlung einem Gegenwert von mindestens CHF 100'000 entsprechen muss. In diesem Fall müssen die Buchführung und die Rechnungslegung ebenfalls in der gleichen Währung erfolgen. Bei der Festlegung der Währung des Aktienkapitals handelt es sich um eine unentziehbare Kompetenz der Generalversammlung, welche dem qualifizierten Mehr unterliegt. Die zulässigen Fremdwährungen legt der Bundesrat fest – zurzeit sind dies der Euro, der US-Dollar, der japanische Yen und das britische Pfund. Das neu eingeführte Kapitalband ersetzt die bisherige Regelung betreffend die genehmigte Kapitalerhöhung und schafft zusätzliche Flexibilität. Neu kann der Verwaltungsrat für einen Zeitraum von maximal fünf Jahren ermächtigt werden, eine Kapitalerhöhung bzw. -herabsetzung durchzuführen. Die Generalversammlung legt somit fest, in welchen Grenzen – oder Bandbreite – der Verwaltungsrat das Aktienkapital erhöhen und/oder herabsetzen kann, wobei das eingetragene Aktienkapital um höchstens die Hälfte erhöht bzw. herabgesetzt werden darf. Zudem ist nun die Verrechnungsliberierung explizit im Gesetz erwähnt. Ein Aktionär kann seiner Liberierungspflicht mittels Verrechnung einer Forderung, welche er gegenüber der Gesellschaft hat, nachkommen, selbst wenn sie nicht mehr durch Aktiven gedeckt ist. Jedoch müssen bei der Verrechnungsliberierung die Statuten den Betrag der zur Verrechnung gebrachten Forderung, den Namen des Aktionärs und die ihm zukommenden Aktien angeben. Damit wird die Publizitätswirkung einer Verrechnungsliberierung unter dem revidierten Recht erheblich erhöht.

Neue Formen der Generalversammlung
Grundsätzlich sind neu vier Formen einer Generalversammlung möglich: 1) die Präsenz-GV, 2) die hybride GV, 3) die virtuelle GV sowie 4) die Generalversammlung auf dem Zirkularweg. Unabhängig von der Form der Durchführung bestimmt der Verwaltungsrat den Tagungsort; jedoch darf dadurch keinem Aktionär die Ausübung seiner Rechte im Zusammenhang mit der Generalversammlung in unsachlicher Weise erschwert werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass der Katalog für den zwingenden Protokollinhalt ergänzt wurde. Unter dem revidierten Aktienrecht kann die Präsenz-GV einerseits an mehreren Tagungsorten gleichzeitig abgehalten werden. In diesem Fall müssen die Voten der Teilnehmenden unmittelbar in Bild und Ton an alle Tagungsorte übertragen werden. Andererseits kann die Generalversammlung auch an einem Tagungsort im Ausland durchgeführt werden, wozu es jedoch unter anderem einer entsprechenden Statutenbestimmung bedarf.

Des Weiteren steht es dem Verwaltungsrat frei, eine hybride GV durchzuführen. Eine statutarische Grundlage ist hierfür nicht nötig. Bei einer hybriden GV besteht zwar ein physischer Tagungsort, gleichzeitig können Aktionäre ihre Rechte aber auch ohne physische Teilnahme auf dem elektronischen Weg ausüben. Bei der virtuellen GV findet die Generalversammlung ohne Tagungsort und ausschliesslich mittels elektronischen Mitteln statt. Im Gegensatz zur hybriden GV bedarf es für die Durchführung einer virtuellen GV zwingend einer statutarischen Bestimmung. Neu kann eine Generalversammlung – nebst der bereits bisher zulässigen Universalversammlung – auch auf demZirkularweg in schriftlicher oder elektronischer Form abgehalten werden. Voraussetzung dafür ist, dass kein Aktionär die mündliche Beratung verlangt.

Stärkung der Aktionärsrechte
Einer der Hauptpfeiler der Aktienrechtsrevision ist die Stärkung der Aktionärsrechte. Die untenstehende Tabelle gibt eine Übersicht über die Schwellenwerte der Kontroll- und Mitwirkungsrechte der Aktionäre. Bereits heute können Aktionäre und die Gesellschaft die Rückerstattung von Dividenden, Tantiemen, anderen Gewinnanteilen, Bauzinsen oder anderen Leistungen von den übrigen Aktionären und dem Verwaltungsrat verlangen, sofern sie diese ungerechtfertigt und in bösem Glauben bezogen haben. Das revidierte Aktienrecht ermöglicht nun auch die Rückerstattung von Vergütungen, gesetzlichen Kapital- und Gewinnreserven oder anderen Leistungen, sofern diese ungerechtfertigt bezogen wurden. Zudem wird der Kreis der Passivlegitimierten auf die mit der Geschäftsführung befassten Personen und Mitglieder des Beirats und diesen nahestehenden Personen erweitert. Spiegelbildlich wird der oben erwähnte Personenkreis rückerstattungspflichtig, wenn die Gesellschaft von ihnen Vermögenswerte übernimmt oder sonstige Rechtsgeschäfte mit diesen abschliesst, soweit ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Die Rückerstattung ist unabhängig vom Kläger an die Gesellschaft zu leisten.

In erster Linie hat der Verwaltungsrat die Rückerstattung von ungerechtfertigt bezogenen Leistungen im Namen der Gesellschaft geltend zu machen. Das revidierte Aktienrecht hält nun jedoch explizit fest, dass auch die Generalversammlung über die Klageerhebung entscheiden kann. Sie kann sowohl den Verwaltungsrat als auch einen Dritten mit der Prozessführung betrauen. Schliesslich können die Statuten neu eine Schiedsklausel enthalten, womit für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten ein Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz bezeichnet werden kann.

Sanierung und Insolvenz
Die bereits im Gesetz verankerte Finanzverantwortung des Verwaltungsrates wird neu durch die Pflicht zur Überwachung der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft präzisiert. Droht die Gesellschaft zahlungsunfähig zu werden, so hat der Verwaltungsrat sofortige Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit zu ergreifen. Allenfalls sind Sanierungsmassnahmen einzuführen oder es ist ein Gesuch um Nachlassstundung einzureichen. Der Verwaltungsrat muss bei einem Kapitalverlust nicht mehr sofort eine Generalversammlung einberufen, sondern hat in einem ersten Schritt Massnahmen zur Beseitigung des Kapitalverlusts zu ergreifen. Bei Auftreten eines Kapitalverlusts ist die letzte Jahresrechnung vor Durchführung der Generalversammlung zwingend von einer Revisionsstelle bzw. einem Revisor zu prüfen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Gesellschaft auf die eingeschränkte Revision verzichtet hat. Besteht begründete Besorgnis, dass die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr durch die Aktiven gedeckt sind, so erstellt der Verwaltungsrat unverzüglich je einen Zwischenabschluss zu Fortführungs- und Veräusserungswerten. Auf den Zwischenabschluss zu Veräusserungswerten kann verzichtet werden, wenn die Annahme der Fortführung gegeben ist und der Zwischenabschluss zu Fortführungswerten keine Überschuldung aufweist. Ist diese Annahme nicht gegeben, genügt ein Zwischenabschluss zu Veräusserungswerten.

 

Wenger Vieli

Diese Abschlüsse sind zwingend durch eine Revisionsstelle oder – bei Fehlen einer solchen – durch einen Revisor zu prüfen. Ist die Gesellschaft gemäss beiden Zwischenabschlüssen überschuldet,so ist das Gericht zu benachrichtigen, welches den Konkurs eröffnet. Die Benachrichtigung kann jedoch unterbleiben, wenn Gesellschaftsgläubiger im Ausmass der Überschuldung im Rang hinter alle anderen Gläubiger zurücktreten und ihre Forderungen stunden, sofern der Rangrücktritt den geschuldeten Betrag und die Zinsforderungen während der Dauer der Überschuldung umfasst oder solange die begründete Aussicht besteht, dass die Überschuldung innert angemessener Frist, spätestens aber innert 90 Tagen nach Vorliegen der geprüften Zwischenabschlüsse, behoben werden kann und die Forderungen der Gläubiger nicht zusätzlich gefährdet werden. Das Instrument des Konkursaufschubs steht nicht mehr zur Verfügung.

Übergangsbestimmungen und Anpassung der Statuten
Die Übergangsbestimmungen sehen eine Frist von zwei Jahren vor, in welcher die Statuten und Reglemente anzupassen sind. Die Bestimmungen der Statuten und Reglemente, die mit dem neuen Recht nicht vereinbar sind, bleiben bis zur Anpassung, längstens aber noch zwei Jahre, in Kraft. Dies kann unter anderem dazu führen, dass gewisse altrechtliche Bestimmungen, insbesondere Mitwirkungs- und Kontrollrechte, noch während zwei Jahren anwendbar bleiben. Die Aktienrechtsrevision wurde so konzipiert, dass Gesellschaften nicht zu Statutenänderungen gezwungen werden. Um von den neuen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, bedarf es jedoch u.U. einer Anpassung oder Ergänzung von Statutenbestimmungen. Ebenso ist zu überprüfen, ob gewisse Dokumente, bspw. Protokollvorlagen der Generalversammlung, einer Anpassung an die neuen Bestimmungen bedürfen. Gerne unterstützt Sie das Team von Wenger Vieli bei der Umsetzung der Aktienrechtsrevision.

 

Keyfacts

01 Die Aktienrechtsrevision bringt eine grössere Flexibilität des Aktienkapitals sowie eine Stärkung der Aktionärsrechte mit sich.

02 Statutenbestimmungen, welche der neuen Gesetzgebung widersprechen, sind noch während zwei Jahren anwendbar – per 1. Januar 2025 werden sie automatisch ungültig.

03 Um von den neuen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, bedarf es u.U. einer Statutenanpassung.

 




Schliessen Button
Immer erstklassig informiert

Melden Sie sich für den Newsletter der Handelskammer Deutschland-Schweiz an.