Beispiel grenzüberschreitender Erbfall
6. Feb 2019, Recht & Steuern

Teil 1: Tücken im Schweizer Erbrecht – Auch für deutsche Staatsangehörige

In der Schweiz lebten im Juni 2018 307'082 deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Einige davon sind Doppelbürger, andere sind mit einem Schweizer Staatsangehörigen verheiratet. Zahlreiche deutsche Staatsangehörige besitzen in der Schweiz auch ein Unternehmen. Durch den im Berufs- und auch im Privatleben immer stärker werdenden internationalen Bezug werden auch Erbfälle stetig komplexer. Dieser Beitrag erklärt wichtige Aspekte und Stolpersteine eines Unternehmer Erbfalls in der Schweiz mit deutschem Auslandbezug anhand eines modellhaften Beispiels.
 
Beispiel: Ein deutsch/schweizerisches Ehepaar E (Ehefrau A und Ehemann B sind seit 1991 verheiratet) lebt mit seinen beiden Kindern (C und D) in der Nähe von Zürich. Die Ehefrau A ist Schweizerin. Ehemann B ist deutscher Staatsangehöriger und hat in der Schweiz erfolgreich einen Schreinerbetrieb aufgebaut. Ehemann B stirbt überraschend bei einem Verkehrsunfall. Beim Todesfall des deutschen Staatsangehörigen B handelt es sich um einen Sachverhalt mit internationalem Bezug. Bei solchen Todesfällen ist vorab die behördliche und gerichtliche Zuständigkeit und das auf den Nachlass anwendbare Recht zu bestimmen. Bereits dieser Schritt kann mit gewissen Schwierigkeiten verbunden sein.
 
Anwendbares Recht: In der EU trat am 17. August 2018 die EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) in Kraft, welche u.a. die Vereinheitlichung über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht innerhalb des EU-Rechtsraums (ohne GB, IR, DK) regelt. Aus Schweizer Perspektive werden internationale Sachverhalte im Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) erfasst. Die beiden rechtlichen Grundlagen sind (noch) nicht koordiniert. Damit für Bürger und Einwohner der Schweiz vorab aus europäischer Perspektive mehr Rechts- und Planungssicherheit entsteht, hat die Schweizer Regierung am 14. Februar 2018 mit einer IPRG Revision begonnen, welche ein «Finetuning» des schweizerischen internationalen Erbrechts mit der EU-ErbVO bringen soll.
 
Güter- und Erbrecht: In der Schweiz wird ein Nachlass beim Tod eines verheirateten Erblassers mit Schweizer Wohnsitz in zwei rechtlichen Schritten abgehandelt. In einem ersten Schritt wird das eheliche Vermögen güterrechtlich entflochten, erst dann findet die erbrechtliche Zuteilung des Nachlasses statt. Im Gegensatz dazu erfolgt im Deutschen Recht im Rahmen der Zugewinnsgemeinschaft die güterund erbrechtliche Auseinandersetzung in einem Schritt. Dieser Unterschied bleibt auch nach der Revision des Schweizer IPRG bestehen.
Grafik Erbrecht neu
Exkurs Güterrecht: Gemäss IPRG ist das Recht des Staates für die Bestimmung des auf die Ehe anwendbaren Güterrechts massgebend, in welchem beide Ehepartner ihren Wohnsitz haben. Eine Abweichung davon ist nur möglich, wenn die Ehegatten dies durch einen Ehevertrag vereinbart haben. In unserem Beispiel hat das Ehepaar E keine Vereinbarungen getroffen (es hätte aber in einem Ehevertrag auch das deutsche Heimat-Güterrecht von B wählen können). Somit ist die wirtschaftliche Seite der Ehe Schweizer Güterrecht unterstellt. Ohne Vereinbarung untersteht das Ehepaar zudem dem ordentlichen (gesetzlichen) Schweizer Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung.
 
Exkurs Erbrecht: Die Abwicklung des Nachlasses eines Verstorbenen mit letztem Wohnsitz in der Schweiz sowie die Bestimmung der im Erbfall massgebenden Gerichte und Behörden fallen gemäss IPRG in die rechtliche Zuständigkeit der Schweiz. Vorbehalten sind unter Umständen einzig Liegenschaften im Ausland. B hatte kein Testament verfasst. Er hätte – als deutscher Staatsangehöriger – seinen Nachlass auch dem deutschen Recht unterstellen können. Wäre er aber schweizerisch-deutscher Doppelbürger gewesen, so wäre er nicht befugt gewesen, seinen Nachlass einer ausländischen Rechtsordnung zu unterstellen. Mit der erwähnten Revision des IPRG soll auch ein Doppelbürger in der Schweiz in Zukunft neu die Möglichkeit erhalten, seinen Nachlass dem Recht eines seiner Heimatstaaten zu unterstellen. Insofern wird das Schweizer Recht der EU-ErbVO angeglichen. In vorliegendem Beispiel wird also auch der Nachlass von B nach Schweizer Recht abgewickelt.
 



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