Steuerstandort Deutschland besser als sein Ruf
17. Apr 2014, Recht & Steuern | Unternehmenssteuerreform 2008

Steuerstandort Deutschland besser als sein Ruf

Seit Jahrzehnten hat Deutschland den Ruf ein Hochsteuerland für Unternehmen und Privatpersonen zu sein. Zu unrecht, bedenkt man, dass die Steuersätze in den letzten Jahren nachhaltig gesenkt wurden. Und das nicht erst seit der Unternehmenssteuerreform 2008.

Im Unternehmensbereich wurde die Gesamtsteuerbelastung bereits durch die Unternehmenssteuerreform 2008 auf durchschnittlich 30 Prozent herabgesetzt (insbesondere für Kapitalgesellschaften). Wählt man zudem die oft genutzte Organschaftstruktur – ein bereits seit Jahren vorteilhaftes Besteuerungsregime, das die Schweiz nicht kennt – können die Ergebnisse der Organgesellschaften auf Ebene der Organträgerin steuerlich konsolidiert werden.

Zudem wurde mit der Abgeltungsteuer für natürliche Personen im Zuge der Unternehmenssteuerreform 2008 eine «Flat Tax» eingeführt. Nach dieser werden «private Kapitaleinkünfte» pauschal mit 26.375 Prozent (25 Prozent Einkommensteuer zuzüglich 5.5 Prozent Solidaritätszuschlag) besteuert – gegebenenfalls zuzüglich acht oder neun Prozent Kirchensteuer (gesamt rund 28 Prozent). Bereits seit 1997 wird in Deutschland keine Vermögensteuer mehr erhoben. Und Eingangs- sowie Spitzensteuersatz der Einkommensteuer werden seit Ende der 90er Jahre sukzessive reduziert. Der Spitzensteuersatz beträgt derzeit 42 Prozent und wird um die sogenannte Reichensteuer um drei Prozentpunkte erhöht (bei Ledigen für Einkünfte ab 250.731 Euro und bei Verheirateten ab 501.462 Euro).

Seitens der Bundesregierung sind derzeitigen Aussagen zufolge keine grösseren, steuerlichen Gesetzesänderungen geplant. Die genannten Steuersätze sollten als Grundpfeiler des deutschen Steuerrechts bestehen bleiben. Dies gilt allerdings auch für die grössten Baustellen – wie ein vereinfachtes deutsches Steuerrecht oder sichergestellte Planungs- und Rechtssicherheit. Diese Bereiche bleiben ungelöst und kosten dem Steuerstandort Deutschland wichtige Punkte im internationalen Standort-Ranking.

Unternehmenssteuern bereits 2008 nachhaltig gesenkt

Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei der Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften im Mittelfeld.

Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften im internationalen Vergleich

Mit der Unternehmenssteuerreform 2008 sollte auch die rechtsformunabhängige Besteuerung erreicht werden. Seither können zum Beispiel Personengesellschaften mittels der sogenannten Thesaurierungsbegünstigung im Thesaurierungsfall mit dem Spitzensteuersatz steuerlich statt mit dem Spitzensteuersatz ähnlich günstig wie Körperschaften besteuert werden. Bei Gewinnentnahme aus der Personengesellschaft greifen die Mechanismen vergleichbar zur Abgeltungsteuer.

Über den Gewerbesteuerhebesatz gibt es in Deutschland zumindest einen gewissen Steuerwettbewerb. In den letzten Jahren beschlossen einige Gemeinden sogar einen Gewerbesteuerhebesatz von null Prozent. Damit entfiel die Gewerbesteuer und die Gesamtsteuerbelastung am Steuerstandort Deutschland sank auf 15.825 Prozent. Diese Gemeinden beziehungsweise Städte hatten folglich eine Steuerbelastung, die unter der Belastung vieler Schweizer Kantonen lag. Beabsichtigt ist ein Steuerwettbewerb am Steuerstandort Deutschland allerdings nur begrenzt. Unter dem Druck grosser deutscher Industriezentren, die ihre kommunalen Vorhaben sehr stark mit Gewerbesteuereinnahmen finanzieren, wurde eine Gesetzesänderung beschlossen. Hiernach darf der Gewerbesteuerhebesatz nicht weniger als 200 Prozent betragen. Die Gewerbesteuer liegt damit bei mindestens sieben Prozent, so dass sich eine Gesamtsteuerbelastung von «200 Prozent mal 3.5 Prozent» ergibt. Im Einzelfall kann weiterhin eine Gesamtsteuerbelastung vorliegen, die mit den Schweizer Ballungsgebieten (Zürich, Basel, Genf) konkurrieren kann.
Einschneidende Massnahmen zur Gegenfinanzierung
In den letzten Jahren wurden die gesenkten Steuersätze regelmässig mit einer erweiterten steuerlichen Bemessungsgrundlage finanziert. Und die deutsche Politik gab die subjektive Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuersubjektes immer weiter auf – wie die nachfolgenden (exemplarischen) Ausführungen zeigen. So wurde die Verlustverrechnung bereits 2004 mit der sogenannten Mindestbesteuerung eingeschränkt. Hiernach können nicht ausgeglichene negative Einkünfte in den folgenden Veranlagungszeiträumen
  • bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von einer Million Euro unbeschränkt,
  • darüber hinaus bis zu 60 vom Hundert des eine Million Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte vorrangig
zum Abzug gebracht werden (Regelung zum Verlustvortrag). Bei Ehepartnern, die zusammen veranlagt werden, tritt an die Stelle des Betrags von einer Millionen Euro ein Betrag von zwei Millionen Euro. Dagegen ist der Verlustvortrag zeitlich unbefristet – anders als in der Schweiz.
Fehlende Rechts- und Planungssicherheit

Eine Konstante in der deutschen Steuerpolitik bleibt leider ungelöst: Nichts ist am Steuerstandort Deutschland so sicher wie die laufenden Gesetzesänderungen. Im Rahmen der sogenannten Jahressteuergesetze werden Unternehmen zum Beispiel jährlich dazu gezwungen ihrer steuerlichen Strukturen zu überdenken. Mit den vielfältigen Gesetzesänderungen schwindet vor allem die für Unternehmen unverzichtbare Planungs- und Rechtssicherheit. Neben den Eingriffen in bestehende Unternehmensstrukturen sahen die Steueränderungen besonders für ausländische Investitionen und Investoren weitere Massnahmen vor – verbunden mit einem gesteigerten Bürokratie- und Kostenaufwand. Hierzu zählen beispielsweise die gesetzlichen Dokumentationsvorschriften bei den Verrechnungspreisen.

Auch der Einfluss der Europäischen Union ist unverkennbar. So spiegelt sich ein generelles Problem des deutschen Gesetzgebers wider: Derzeit könnte nahezu jede Vorschrift in den deutschen Steuergesetzen auf dem Prüfstand des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) stehen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der EuGH urteilt, dass eine weitere deutsche Steuernorm gegen die EU-Grundfreiheiten verstösst. Inzwischen basieren die Urteile verstärkt auf der Kapitalverkehrsfreiheit. Diese wird auch für den Drittstaat Schweiz angewendet. Somit bleibt dem deutschen Gesetzgeber oftmals nichts anderes übrig, als die Gesetze wieder entsprechend anzupassen. Die ein oder andere EU-widrige Norm könnte allerdings bereits durch eine vorausschauernde Konzeption vermieden werden.

Weiterer Druck kommt von den verschiedenen Interessensverbänden und der Bevölkerung selbst. Sobald der «Rotstift» an einer Steuervergünstigung angesetzt wird, mahnen die Interessensverbände zur Zurückhaltung. Eine radikale Steuervereinfachung ist unter diesen Vorzeichen kaum zu erwarten.

Resümee

Der Steuerstandort Deutschland ist heute weitaus besser als sein Ruf – und befindet sich hinsichtlich der Steuersätze im internationalen Mittelfeld. Dies wurde jedoch teuer gegenfinanziert. Die deutsche Politik hat die steuerliche Bemessungsgrundlage erweitert und in die subjektive Leistungsfähigkeit eingegriffen.

Die grossen Problem, wie etwa die seit Jahrzehnten notwendige Vereinfachung des komplexen, deutschen Steuerrechts oder eine verbesserte Planungs- und Rechtssicherheit, sind weiterhin ungelöst. Durch die Konstellation der grossen Koalition zwischen CDU/CSU und SPD besteht aber eine Chance, diese Problemfelder gemeinsam anzugehen. Doch stehen diese Themen bisher nicht auf der politischen Agenda. Im vereinbarten Koalitionsvertrag (11/2013) sucht man vergeblich nach entsprechenden Zielen der grossen Koalition. Das Motto in der aktuellen Steuerpolitik lautet wohl leider eher «weiter wie gehabt». Vielleicht versäumt man hier eine historische Chance für den Steuerstandort Deutschland.

(Bildquelle: © swinnerrr/iStockphoto)




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