Wohin führt die Reise der Steuerreform?
16. Dez 2015, Recht & Steuern | USR III

Wohin führt die Reise der Steuerreform?

Nach Ablehnung der Erbschaftssteuerinitiative richtet sich die steuerliche Aufmerksamkeit jetzt auf die parlamentarische Beratung der Unternehmenssteuerreform III.

Die mit Spannung erwartete Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über die Unternehmenssteuerreform liegt seit dem 5. Juni 2015 vor. Dass die Kapitalgewinnsteuer aus dem Massnahmenkatalog herausgefallen ist, ist sicher zu begrüssen.

Der Fokus der Vorlage zur Unternehmenssteuerreform III (USR III) liegt nun auf Innovation, Wertschöpfung und Arbeitsplätzen. Ziel der Reform ist, dass die Schweiz international wettbewerbsfähig bleibt – indem sie weiterhin attraktive Steuersätze für mobile Aktivitäten vorsieht.

1. Die Unternehmenssteuerreform III: Eine Übersicht
  • Einführung einer Patentbox, die von juristischen und von natürlichen Personen mit einer selbständigen Erwerbstätigkeit in Anspruch genommen werden kann. 
  • Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen sollen von den Kantonen auf freiwilliger Basis steuerlich gefördert werden können (sogenannte Input-Förderung). Geplant ist eine erhöhte Abzugsfähigkeit solcher Aufwendungen – soweit diese im Inland entstanden sind. 
  • Einheitlicher Übergang vom alten zum neuen Recht. Der «step up» auf stillen Reserven von zuvor privilegiert besteuerten Gesellschaften soll beim Statuswechsel in eine normal besteuerte Gesellschaft steuerneutral möglich sein. 
  • Anpassungen bei der Kapitalsteuer, in denen Eigenkapital durch die Kantone entlastet werden kann – soweit dieses mit IP-Rechten und Beteiligungen zusammenhängt. 
  • Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital. Teilanpassung beim 
  • Teilbesteuerungsverfahren: Die privilegierte Besteuerung von Dividenden aus Beteiligungen von mindestens zehn Prozent soll vereinheitlicht und auf 30 Prozent beschränkt werden – auf Bundesebene sowie auf kantonaler Ebene. 
  • Pauschale Steueranrechnung für schweizerische Betriebsstätten. Diese Regelung verwirklicht die Gleichbehandlung von Gesellschaften und Betriebsstätten – bezüglich der Steueranrechnung von ausländischen Quellensteuern. 
  • Kantonale Gewinnsteuersatzreduktionen. Um die Standortattraktivität zu erhöhen, sollen die Kantone ihre Gewinnsteuersätze senken. (Fällt in die Anatomie der Kantone und ist nicht Teil der Botschaft.)
2. Im Grundsatz zielführend – aber noch nicht ausgewogen

Die ersten Reaktionen sind mehrheitlich positiv ausgefallen. Soweit so gut, denn Nichtstun ist keine Option.

Nicht vollständig gerecht wird die Vorlage dem in der Botschaft mehrfach wiederholten Postulat, dass – wie bisher für mobile Steuererträge – ein attraktives Steuersystem zur Verfügung stehen sollte. Insbesondere reine Finanz- und Holdinggesellschaften mit substanziellen Finanzierungsaktivitäten müssten in Zukunft mit einer deutlich höheren Steuerbelastung rechnen. Denn diese Finanzerträge würden in Zukunft ordentlich besteuert werden.

Aus diesem Grunde ist es notwendig, dass die vom Bundesrat – auf Wunsch der Kantone – fallengelassene Regelung der zinsbereinigten Gewinnsteuer auf überdurchschnittlich hohem Eigenkapital wieder ins Reformpaket aufgenommen wird. Eine solchermassen ergänzte Vorlage würde der Zielsetzung der Reform eher gerecht – und der Steuerstandort Schweiz damit attraktiver. Mittelfristig dürfte dies wieder zur Zuwanderung neuer Unternehmen aus dem Ausland und zu neuem Steuersubstrat führen.

Entsprechende politische Vorstösse sind deshalb tatkräftig zu unterstützen. In der politischen Diskussion und Umsetzung gilt es nun auf bürgerlicher Seite die Vorlage geschlossen und mit Überzeugung zu unterstützen. Dann kann diese auch ohne weitere Verzögerung – das heisst ohne Referendum – anfangs 2018 in Kraft treten.

3. Erkenntnisse aus der neuesten Gerichtspraxis

Fehlt es Steuergestaltungen an einer angemessen funktionalen Substanz vor Ort, werden diese von der Verwaltungs- und Gerichtspraxis zunehmend als missbräuchlich beurteilt. Sie haben bereits heute ihr Verfallsdatum erreicht.

Das Gleiche gilt für forsche beziehungsweise steuerlich unbedachte Vorgehensweisen im Bereich von Aktienverkäufen – oder bei der Entnahme und dem anschliessenden Verkauf von Immaterialgütern.

Dazu zwei aktuelle Beispiele aus der neueren Bundesgerichtspraxis.

3. 1. Verneinung eines steuerfreien privaten Kapitalgewinns beim Verkauf der Aktien einer personenbezogenen Gesellschaft

Der Entscheid des Bundesgerichts vom 3. April 2015 hat die Schweiz aufhorchen lassen. Die Richter haben auf einen sehr speziellen Sachverhalt allgemein argumentiert und nicht auf Steuerumgehung geschlossen – welche nur für diesen speziellen Einzelfall anwendbar gewesen wäre.

Das Gericht hat den gesamten Kapitalgewinn aus dem Verkauf einer personenbezogenen Gesellschaft als steuerbares Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit eingestuft. Die Kaufpreiszahlung war abhängig von der weiteren Mitarbeit der bisherigen Aktionäre – bei einer kurzen Haltedauer der Aktien.

Dabei ging es um den Aktienverkauf einer neu gegründeten Gesellschaft mit Goodwill.

Im speziellen hat sich ein Corporate Finance Team einer grossen Beratungsgesellschaft entschieden, sich selbständig zu machen und dafür eine Gesellschaft gegründet.

  • Die Teammitglieder waren gleichzeitig Angestellte und Aktionäre.
  • Die Gesellschaft wurde mit einem minimalen Aktienkapital ausgestattet
  • Die Gesellschaft hatte als Dienstleistungsgesellschaft keine nennenswerten Aktiven.

Kurz darauf – das heisst innerhalb von einem Monat – wurden 51 Prozent der Aktien an der Gesellschaft an eine Bank zum Verkehrswert veräussert. Der Verkehrswert war wesentlich höher als der Substanzwert – in diesem Fall das Aktienkapital der neu gegründeten Gesellschaft. Die Bank war bereit einen hohen Goodwill zu bezahlen, vorausgesetzt dass das Team weiterhin für die Gesellschaft arbeiten würde. Dies wurde im Aktienkaufvertrag auch soweit festgehalten: Ausbezahlung des Kaufpreis über drei Jahre in Tranchen – vorausgesetzt das Team ist weiterhin für die Gesellschaft tätig.

Die Richter argumentierten, dass im Kaufvertrag vereinbart wurde, dass die Bezahlung des Kaufpreises vom Weiterbestehen der Arbeitsverhältnisse abhängig sei – unüblich für einen Aktienkaufvertrag. Daher sei die Goodwill-Entschädigung nicht für die Eigentumsübertragung der Aktien zu betrachten, sondern für die zukünftig zu leistende Arbeit der bisherigen Aktionäre.

Aus wirtschaftlicher Sicht wurde daher angenommen, dass einerseits ein Antrittsgeld – erste Teilzahlung bei Vertragsabschluss – und andererseits Treueprämien für das Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses geleistet wurden. Der gesamte Kapitalgewinn ist dann als Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit zu versteuern. Dieser Umstand wirft auch diverse Fragen auf bezüglich der Beitragspflicht bei den Sozialversicherungen. Da die Käuferin die Entschädigung bezahlt, die Mitarbeiter aber bei der Gesellschaft angestellt sind gibt es zudem Unklarheiten bei einer allfälligen Quellensteuerpflicht.

FAZIT

Zusammenfassend ist daher beim Verkauf von Aktien einer personenbezogenen Gesellschaft aus dem Privatvermögen künftig Vorsicht geboten – insbesondere bei der vertraglichen Ausgestaltung der Kaufpreisentschädigung. Wichtig ist dabei, die verschiedenen Entschädigungen auseinander zu halten. Das heisst, eine Entschädigung für die weitere Mitarbeit des bisherigen Aktionärs sollte klar von der Entschädigung für Eigentumsübertragung der Aktien getrennt werden – besonders wenn hohe Goodwill-Entschädigungen geleistet werden.

Ebenfalls sollten auch Earn-out Entschädigungen für zukünftige Gewinnerwartungen – welche den variablen Bestandteil des Kaufpreises ausmachen – nicht mit einer weiter bestehenden Arbeitsleistung und/oder einem Konkurrenzverbot mit Konventionalstrafe verbunden sein. Denn damit kann das Risiko einer Umqualifikation in Lohneinkommen minimiert werden.

3. 2. Qualifikation als Geschäftsvermögen von Patenten und Marken und entsprechender Besteuerung als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit bei Veräusserung

Gemäss einem Bundesgerichtsentscheid vom 14. Juli 2015 wurde der Verkauf von Patenten und Marken aus dem Privatvermögensbereich dem Geschäftsvermögen zugewiesen. Der Erlös wird als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit besteuert.

Im konkreten Fall hatte der Steuerpflichtige die Patente und Marken rund zwei Jahre vorher von einer von ihm dann zumal beherrschten Gesellschaft unentgeltlich übernommen – um sie alsdann aufzurüsten und gewinnbringend an einen Dritten weiterzuverkaufen. Für diese Aufrüstung setzte der Steuerpflichtige sein berufliches Fachwissen ein. Dieses hat er sich bei der Gesellschaft als Mitarbeiter erarbeitet, welche die Inhaberin der Patent- und Markenrechte war. Dabei ist unwesentlich, dass es sich um eine Nebenarbeit handelte und nach aussen nicht sichtbar war.

Wichtig bleibt weiterhin für die Qualifikation als selbständige Erwerbstätigkeit, dass:

  • der Steuerpflichtige auf eigenes Risiko
  • unter Einsatz von Arbeit und Kapital
  • in einer frei gewählten Organisation
  • und mit der Absicht der Gewinnerzielung am Wirtschaftsverkehr teilnimmt.

FAZIT

Aufgrund des Sachverhaltes und der Argumentation der Richter erscheint es wichtig, die Kriterien für das Vorliegen einer gewerbsmässigen Tätigkeit zu beachten. Dies betrifft Privatentnahmen von Geschäftsvermögen und entsprechender gewinnbringender Weiterveräusserung im Privatvermögensbereich.

3.3. Zusammenfassung

Beide Bundesgerichtsurteile zeigen klar, dass Steuerberatung mit Weitsicht und Augenmass oft erfolgsversprechender ist als kurzfristig ausgerichtete Steueroptimierung – deren Anerkennung mit Unsicherheit behaftet bleibt.

(Bildquelle: © quavondo/iStockphoto)




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