Handelskammerjournal - Liechtensteinischer Bankenverband nutzt Transformationsprozess
17. Jul 2014, Finanzen | Finanzplatz Liechtenstein

Liechtensteinischer Bankenverband nutzt Transformationsprozess

Sich neu erfinden und dabei auf die vorhandenen Stärken aufbauen. Der Liechtensteinische Bankenverband setzt klare Prioritäten und investiert weiter in die wichtigsten Werte: Stabilität, Qualität und Nachhaltigkeit. Wie der Wandel voranschreitet, erklärt Geschäftsführer Simon Tribelhorn.

Herr Tribelhorn, auf dem Finanzplatz Liechtenstein hat sich in den letzten Jahren vieles bewegt. Welche Auswirkung hat die Transformation auf die Bilanzen der Banken?

Die Transformation des Finanzplatzes wurde und wird aktiv von den liechtensteinischen Banken begleitet. So haben sie die Entwicklungen auf politischer Ebene stets aktiv mitgetragen. Dabei setzen sie konsequent auf Transparenz und Stabilität. Die jüngsten Ergebnisse zeigen, dass die Strategie aufgeht und die Neugeldzuflüsse bestätigen, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben. Ebenso wichtig ist für uns aber auch die Tatsache, dass die liechtensteinischen Banken im internationalen Vergleich auf einem sehr stabilen Fundament stehen.

Mit einer durchschnittlichen Kernkapitalquote von knapp über 20 Prozent zählen sie zu den stabilsten Instituten in Europa – wenn nicht gar weltweit. Nicht zuletzt hat dies auch Auswirkungen auf das jüngste AAA-Länderrating für Liechtenstein.

Durch die verstärkte internationale Regulierung wird sich der Wettbewerb künftig verschärfen. Wie stellen sich die liechtensteinischen Banken dem Wettbewerb?

Neben Stabilität setzen wir auf Qualität. Was einfach klingt, ist eine permanente Hausaufgabe. Als Private Banking-Standort mit jahrzehntelanger Erfahrung und Tradition verfügen wir über das nötige Know-How, um im härter werdenden Wettbewerbsumfeld bestehen zu können. Gleichzeitig sind wir in der komfortablen Lage, Veränderungen rasch vorantreiben und Innovationen zeitnah umsetzen zu können.

Die Zusammenarbeit zwischen Finanzplatz, Politik und Verwaltung funktioniert sehr gut. So können wir im Sinne der Kundenorientierung rasch auf Vorgaben von aussen reagieren und unsere Kunden fundiert beraten. Dazu gehört auch, internationale Standards nicht nur anzuerkennen, sondern auch konsequent umzusetzen. Neben der internationalen Integration und den wichtigen Faktoren Stabilität und Qualität setzen die Banken in Liechtenstein auf einen weiteren, dritten Pfeiler: die Nachhaltigkeit.

Ein viel zitierter Begriff. Was bedeutet er für Sie?

Für die Banken in Liechtenstein bedeutet Nachhaltigkeit eine langfristige und umsichtige Geschäftsstrategie: die gezielte Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Kunden, eine sogenannte Zero-Tolerance-Policy im Bereich der Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung, die konsequente Einhaltung internationaler Standards sowie gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Letzteres beinhaltet unter anderem auch, eine intakte ökologische, soziale und ökonomische Ordnung zu unterstützen. Diese Werthaltung spiegelt sich auch in der Unternehmenskultur vieler Banken in Liechtenstein wieder.

Die liechtensteinischen Banken streben nicht nach dem schnellen Gewinn, sondern nach langfristiger Stabilität. Wir wollen insbesondere in Zeiten, in denen tief greifende Veränderungen die bestehende Weltordnung drohen in Frage zu stellen, ein verlässlicher Partner an der Seite unserer Kunden sein. Nachhaltigkeit heisst für uns somit ganz generell, Verantwortung zu übernehmen – für uns, unsere Kunden, unsere Gesellschaft und unsere Umwelt. Und deshalb engagieren wir uns auch als Verband im Bereich der nachhaltigen Geldanlagen.

Welche Funktion übernehmen die Banken hier konkret?

Die Banken, genauer gesagt die Finanzintermediäre generell, können hier eine wichtige Brückenfunktion einnehmen. Gerade anspruchsvolle Kunden wenden sich zunehmend sinnstiftenden, nachhaltigen Vermögensanlagen zu. Das in Liechtenstein traditionell erstklassige Private Banking und die Kompetenz in diesem Geschäft bieten eine ideale und äusserst fruchtbare Grundlage für nachhaltigkeitsorientierte Innovationen.

Die Banken sind im Nachhaltigkeitsbereich ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor: Sie stellen das Kapital für die Realwirtschaft bereit, das Kapital, mit welchem Innovationen verwirklicht werden. Diese grundlegende, dienende Funktion der Finanzintermediäre ist in den vergangenen Jahren eher in Hintergrund geraten. Genau hier liegt jedoch ein enormes Zukunftspotenzial. Dabei denke ich nicht in erster Linie an die Kreditvergabe, sondern vielmehr an entsprechende Finanzprodukte – eben nachhaltige Geldanlagen für die Investoren. Durch das Angebot entsprechender Produkte kann ein Lenkungseffekt erzielt werden, so dass die Geldmittel dort eingesetzt werden, wo sie effektiv etwas bewirken und einen wesentlichen Beitrag für die Meisterung der Herausforderungen unserer heutigen Gesellschaft leisten, wie zum Beispiel die Finanzierung der vielzitierten Energiewende.

Ihr Verband ist auch Mitinitiant der Carlo Foundation, einer Ratingstiftung für nachhaltige Finanzprodukte. Was hat es damit auf sich?

Nachhaltige Geldanlagen sind mittlerweile mehr als nur ein Trend, hier liegt noch sehr viel ungenutztes Potenzial. Damit der Überblick im immer breiter werdenden Gebiet der nachhaltigen Geldanlagen nicht verloren geht, haben wir 2012 die CARLO Foundation mit initiiert. Bei der CARLO Foundation handelt es sich um eine gemeinnützige Stiftung. Die Gründer der Stiftung haben sich zum Ziel gesetzt, ein unabhängiges Finanzprodukterating zur Förderung nachhaltiger Finanzprodukte aufzubauen. Damit soll die Transparenz von nachhaltigen Finanzprodukten gefördert, das Verständnis von Nachhaltigkeit bei den Anlegern geschärft und das Bewusstsein sowie das Interesse an nachhaltigen Produkten bei den Anlegern und der Öffentlichkeit weiter gestärkt werden. Das Bedürfnis am Markt hierfür ist sehr gross.

Im November 2013 hat die CARLO Foundation eine Umfrage unter 400 Stakeholdern und privaten sowie institutionellen Investoren durchgeführt. Über 80 Prozent wünschten sich international akzeptierte Mindeststandards für nachhaltige Finanzprodukte. Wir sind davon überzeugt, dass sich deutlich mehr Investoren für nachhaltige Finanzprodukte entscheiden werden, wenn sie eine entsprechende Orientierungshilfe haben und insbesondere Finanzprodukte unterscheiden können, die effektiv nachhaltig investieren, von solchen, bei denen es nur behauptet wird.

Das sind viele Visionen. Welche Rolle kann ein Verband wie Ihrer hier spielen?

Unsere Aufgabe ist es neben vielen anderen, uns die Zeit dafür zu nehmen, über langfristige Zukunftsszenarien nachzudenken und Visionen für den Finanzplatz zu entwickeln. Hier hilft uns unsere Stellung als Branchenverband: Unser Anliegen ist es, den Finanzplatz zukunftsfähig zu erhalten. Dies allein reicht uns aber nicht. Wir wollen einen Finanzplatz schaffen, an dem Ideen und Innovationen ein zu Hause finden und der auch bekannt dafür ist.

Unserer Erfahrung nach sind Ideenreichtum und die Freude an Innovationen «ansteckend». Sie sind der Motor einer gesunden Wirtschaft und eines attraktiven Standortes. Hier sehe ich die Aufgabe und auch das Wirken des Bankenverbandes: Wir möchten eine Innovationskultur etablieren. Denn allzu oft kommen die zündenden Ideen aus einer unerwarteten Richtung. Als Branchenverband können wir dafür sorgen, dass sie aufgegriffen und weiterentwickelt werden.

Können Sie ein Beispiel für eine solche mögliche Quelle für neue Ideen geben?

Es mag abgedroschen klingen, aber im Grunde genommen geht es darum, offen für Neues zu bleiben, immer wieder von Neuem über den Tellerrand hinaus zu schauen und vor allem sich mit anderen Branchen auszutauschen und zuzuhören. Auch wenn im ersten Moment der Anschein besteht, dass ein Thema wenig mit Finanzplatz oder dem Bankgeschäft zu tun hat, vermag sich bei genauerer Betrachtung eine Chance zu verbergen. Nehmen wir das Thema Bioinspiration. Bioinspiration bedeutet naturinspirierte Innovation und übersetzt biologische Konzepte in den Handel oder die Produktion. Beispielsweise hat sich die Bademode Haifischhaut als Vorbild für neue Schwimmanzüge genommen, oder die Architektur bedient sich der Erkenntnisse aus Termitenhügeln. Aber auch in den Bereichen Energie, Transport und Effizienzsteigerung wird zunehmend auf die Gesetze der Natur zurückgegriffen.

Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der bioinspirierten Unternehmensinnovationen laut dem Fermanian Business & Economic Institute (FBEI) der Point Loma Nazarene University von San Diego verfünffacht. Die grössten Fortschritte werden derzeit in den Bereichen Chemie, Materialwissenschaften und Maschinenbau erzielt. Für Investoren ist dies ein klares Signal, wo langfristig erfolgreich investiert werden kann. Und für Finanzintermediäre und Finanzplätze an der Schnittstelle zwischen Geldgeber und Unternehmer bedeutet dies ein enormes Potential – insbesondere wenn sie wie Liechtenstein auf Nachhaltigkeit setzen und eine nachhaltige Ausrichtung des gesamten Finanzplatzes aber auch der Finanzmärkte und deren Kapitalströme anstreben.

Wo sehen Sie den liechtensteinischen Bankenplatz in zehn Jahren?

Liechtenstein nimmt bereits heute eine Vorreiterrolle in vielen Bereichen ein. Unser Ziel ist es, Trends frühzeitig zu erkennen. Darauf können wir dann dank der Kleinheit und der kurzen Wege rascher reagieren als viele andere, grössere Finanzplätze. Aufgrund der langjährigen Erfahrungen im Wealth Management und der Nähe zu den Kunden sowie der innovationsfördernden Kultur unseres Platzes sind die Akteure in der Lage, die Trends aufzunehmen und ihnen mit massgeschneiderten Produkten zum Erfolg zu verhelfen. Hier werden wir auch in den kommenden Jahren weiter aktiv bleiben. Der Finanzplatz Liechtenstein soll auch in Zukunft ein moderner, innovativer, international anerkannter und nachhaltiger Finanzplatz sein.

Bankenplatz Liechtenstein in Zahlen

  • 1969 Gründung Liechtensteinischer Bankenverband

  • 16 Mitgliedsbanken
  • Durchschnittlich über 20 Prozent Eigenkapitalquote

  • Kundenvermögen 2013 konsolidiert, einschliesslich der ausländischen Gruppengesellschaften: 195,4 Milliarden Franken
  • Netto-Neugeldzufluss 2013 einschliesslich Gruppengesellschaften: 7,9 Milliarden
  • AAA-Länderrating Standard & Poor‘s
  • 27 Prozent BIP-Anteil

(Bildquelle: © Vilches/iStockphoto)




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