Handelskammerjournal_SIA-Norm-118
20. Dez 2013, Recht & Steuern | Norm SIA 118

Bedingungen für Bauarbeiten neu aufgelegt

Die aus dem Jahr 1977 stammende Norm 118 des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA), Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten, stellt die wichtigste Werkvertragsgrundlage der Schweizer Bauwirtschaft dar. Nun hat der SIA die Norm 118 nach jahrelangen Vorarbeiten per 1. Januar 2013 neu aufgelegt.

Die Regeln bezüglich Abschluss, Inhalt und Abwicklung von Verträgen über Bauarbeiten sind in den schweizerischen Gesetzen äusserst knapp geregelt. Das gilt insbesondere im Kapitel des schweizerischen Obligationenrechts über das Werkvertragsrecht. Deshalb einigen sich die Parteien im schweizerischen Baugewerbe zur Ergänzung der allgemeinen Regelungen des gesetzlichen Werkvertrags häufig auf die vertragliche Übernahme eines privaten Normenwerks.
SIA-Norm 118, Ausgabe 2013

Der neu aufgelegten SIA-Norm 118:2013 liegt eine sanfte Revision zu Grunde, welche darauf abzielt, das Gleichgewicht zwischen Bauherren- und Unternehmerinteressen zu wahren. Ob dies gelungen ist, wird in der Lehre zum Teil in Frage gestellt. Es wird die Auffassung vertreten, dass die inhaltlichen Anpassungen der neu aufgelegten SIA-Norm 118 insgesamt zu einer (leichten) Gewichtsverschiebung zu Gunsten des Unternehmers führen würden (vgl. Peter Reetz, Anwaltspraxis 6/7 2013, S. 285 ff. und 288). Nichts geändert wurde aber an der für den Bauherrn vorteilhaften Regelung der zweijährigen Rügefrist für Mängel und der während dieser Rügefrist zu Gunsten des Bauherrn geltenden Beweislastumkehr. Die Hauptvorteile der SIA-Norm 118 aus Sicht des Bauherrn bleiben damit erhalten.

Die meisten Änderungen sind eher formeller Natur und betreffen sprachliche Anpassungen (bspw. konsequente Ersetzung des Begriffs der Garantiefrist mit jenem der Rügefrist) und Anpassungen an geänderte gesetzliche Grundlagen (zum Beisipiel im Zusammenhang mit der Gesetzgebung zum öffentlichen Beschaffungswesen, zur Mehrwertsteuer oder zum Zivilprozess). Die bisherige Artikelnummerierung wurde ebenfalls beibehalten.

Was hat inhaltlich geändert?

In inhaltlicher Hinsicht sind insbesondere folgende Änderungen der Norm SIA 118:2013 gegenüber der Norm SIA 118:1977/1991 zu erwähnen:

  • Neu muss der Bauherr vor der Ausschreibung nicht nur insbesondere die Beschaffenheit des Baugrunds, sondern ausdrücklich auch der bestehenden Bausubstanz ermitteln und das Ergebnis in den Ausschreibungsunterlagen festhalten. Zudem haben die in den Ausschreibungsunterlagen enthaltenen besonderen Bestimmungen neu auch ausdrücklich spezielle Anforderungen an die Qualität, an die Organisation und an die seitens des Unternehmers zu beachtenden Arbeitsabläufe (Qualitätsmanagement) zu enthalten.
  • Neu wird stipuliert, dass bei einer Preisangabe, wenn nichts vereinbart ist, die Mehrwertsteuer als nicht eingerechnet gilt. Zudem wird neu ausdrücklich festgehalten, dass der Bauherr nur dann Anspruch auf einen Preisnachlass oder einen Abzug für fristgerechte Bezahlung hat, wenn dies vereinbart ist.
  • Die Regelung betreffend Teuerungsabrechnungsverfahren wurde angepasst. Neu werden die indexierten Verfahren als Leitverfahren bei Preisänderungen definiert.
  • Im Bereich der Sicherheitsleistungen wurden die Mindest- und Höchstbeträge des Rückbehalts und der Solidarbürgschaft der seit 1977 eingetretenen Teuerung angepasst. Neu wird zudem explizit festgehalten, dass die Solidarbürgschaft für die Dauer der (zweijährigen) Rügefrist zu leisten ist und bis zur vollständigen Mängelbehebung zu verlängern ist - falls vor Ablauf der Rügefrist gerügte Mängel bei Ablauf der Rügefrist noch nicht behoben sind.

Die SIA-Norm 118 hat den Charakter von allgemeinen Geschäftsbedingungen. Um im Einzelfall Rechtswirkung zu entfalten, muss die Norm SIA 118 deshalb von den Vertragsparteien vertraglich übernommen werden.

Diese vertragliche Übernahme ist an keine besondere Formvorschrift gebunden und kann daher auch durch konkludentes Verhalten geschehen. In der Praxis erfolgt die Übernahme in der Regel im Rahmen einer schriftlichen Vereinbarung. Die Vertragsparteien sind dabei frei, ob sie die SIA-Norm 118 insgesamt, nur in einzelnen Teilen oder in abgeänderter Form übernehmen wollen.

Was gilt übergangsrechtlich?

Die Vertragsparteien können frei vereinbaren, ob sie die neueste oder eine ältere Auflage der SIA-Norm 118 übernehmen wollen. Denkbar ist zudem, dass die Parteien einen dynamischen Verweis auf die SIA-Norm 118 vereinbaren, so dass die jeweils aktuellste Auflage der Norm auf ihr Vertragsverhältnis anwendbar ist. Mit einem solchen dynamischen Verweis unterwerfen sich die Parteien damit auch den nach Vertragsabschluss ergehenden Revisionen der SIA-Norm 118.

Halten die Vertragsparteien nicht explizit und eindeutig fest, welche Auflage der SIA-Norm 118 sie übernehmen, müssen die Gerichte im Streitfall durch Auslegung ermitteln, was im konkreten Einzelfall gilt. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass mangels anderer Anhaltspunkte die Vermutung für die jeweils bei Übernahme der SIA-Norm 118 aktuellste Version gilt (Peter Gauch, Der Werkvertrag, 5. Aufl. Zürich u.a. 2011, N 284).

Dies ist aber lediglich eine Vermutung. Um langwierige Streitigkeiten und Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, ist es auf jeden Fall empfehlenswert, bei der Redaktion von Werkverträgen im Allgemeinen und bei der Übernahme - sowie gegebenenfalls bei der vertraglichen Abänderung - der SIA-Norm 118 durch möglichst präzise Formulierungen für klare Verhältnisse zu sorgen.

(Bildquelle: © kazhdan/iStockphoto)




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