3 Fakten zur rechtlichen Entsendung von Arbeitnehmern
5. Mai 2015, Recht & Steuern | Fachkräftemangel

3 Fakten zur rechtlichen Entsendung von Arbeitnehmern

Aufgrund der starken Verflechtungen zwischen Deutschland und der Schweiz bewegt sich die grenzüberschreitende Wirtschaft auf einem hohen Niveau. Bei Fachkräftemangel im Zielland hilft häufig nur die Entsendung von qualifiziertem Personal aus dem Ursprungsland.

Das Vorbereiten und Durchführen von Entsendungen ist meist mit dem Lösen vielseitiger Problemstellungen verbunden. Zwei der wichtigsten Themen sind dabei die Quellensteuer sowie soziale Sicherheit.

1. Rechtliches zur Entsendung

Eine Entsendung liegt vor, wenn ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer in ein anderes Land entsendet, als der Arbeitgeber seinen Sitz hat und als der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Der Arbeitnehmer soll im anderen Land für einen bestimmten Zeitraum oder für bestimmte Einsätze eine Arbeitsleistung erbringen. Dies kann auch in einer Niederlassung oder einem Betrieb sein, der zur Unternehmensgruppe des Arbeitgebers gehört. Eine Entsendung ist nur für einen begrenzten Zeitraum möglich.

Der entsandte Arbeitnehmer bleibt während der gesamten Entsendedauer zwingend dem Arbeitsvertrag unterstellt, den er mit seinem Arbeitgeber im Herkunftsland abgeschlossen hat. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die Entsendung von Deutschland in die Schweiz.

Unter dem Freizügigkeitsabkommen kann im Meldeverfahren eine Gesellschaft ihre Arbeitnehmer bis zu 90 Tagen pro Kalenderjahr in die Schweiz entsenden. Die Meldepflicht gilt grundsätzlich, sobald das Unternehmen an mehr als acht Tagen im Kalenderjahr Arbeitnehmer in die Schweiz entsendet. In gewissen Branchen gilt die Meldepflicht hingegen ab dem ersten Tag – zum Beispiel Bau-, Gast- und Reinigungsgewerbe.

Entsandte Arbeitnehmer, die in der Schweiz eine Dienstleistung von mehr als 90 Arbeitstagen pro Kalenderjahr erbringen, müssen im Besitz einer Kurzaufenthaltsbewilligung (Dauer von weniger als einem Jahr) oder einer Aufenthaltsbewilligung sein (Dauer von mehr als einem Jahr). Das Aufenthaltsgesuch beinhaltet eine arbeitsmarktliche Prüfung, das heisst der ausländische Arbeitgeber muss die minimalen Bedingungen der Schweizer Arbeitsgesetzgebung einhalten:

  • minimale Lohnhöhe
  • Arbeitszeiten und Ruhezeiten
  • Mindestdauer der Ferien
  • Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz
  • Nichtdiskriminierung

Es besteht kein Rechtsanspruch auf Erteilung dieser Bewilligungen, da nicht das Freizügigkeitsabkommen, sondern das Ausländergesetz anwendbar ist. Zusätzlich gilt der Inländervorrang, ausser es werden betriebsinterne Kenntnisse benötigt und entsprechend dargelegt. Die Bewilligungen für Aufenthalte über vier Monate sind abhängig von einem verfügbaren Kontingent.

2. Steuerfolgen bei Entsendung

a. Steuerpflicht

Natürliche Personen begründen in der Schweiz unter anderem dann eine unbeschränkte Steuerpflicht, wenn sie mindestens 30 Tagen verweilen und eine Erwerbstätigkeit ausüben. Die entsandten Arbeitnehmer behalten in der Regel ihren Wohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen im Ausland beziehungsweise in Deutschland bei. Im internationalen Verhältnis gelten sie deshalb als in Deutschland ansässig. Aus diesem Grund fällt eine unbeschränkte Steuerpflicht in der Schweiz ausser Betracht.

In der Schweiz können natürliche Personen auch beschränkt steuerpflichtig werden. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn die Person in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausübt. Im internationalen Verhältnis wird das Besteuerungsrecht grundsätzlich nach dem Arbeitsortsprinzip bestimmt.

Das Recht der Schweizer Steuerbehörden, den Lohn für die Arbeit in der Schweiz zu besteuern, wird jedoch durch das Doppelbesteuerungsabkommen aufgehoben. Das heisst der Lohn wird vollständig durch Deutschland besteuert, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  • Der Arbeitnehmer hält sich in der Schweiz insgesamt nicht länger als 183 Tage während des Kalenderjahres auf. 
  • Die Lohnvergütungen werden durch den Arbeitgeber in Deutschland bezahlt. 
  • Der Lohn wird nicht durch eine Betriebsstätte in der Schweiz getragen.

Diese Klausel ist nicht anwendbar, wenn der Lohn durch eine Niederlassung in der Schweiz getragen wird – zum Beispiel durch interne Verrechnung. In diesem Fall bleibt das Besteuerungsrecht der Schweiz auf die Arbeitstage in der Schweiz bestehen (Quellensteuerpflicht).

Wird die Lohnzahlung durch das entsendende ausländische Unternehmen fortgeführt, ist trotzdem zu prüfen, ob am Einsatzort in der Schweiz eine faktische Arbeitgeberschaft besteht. Diese ist zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht gegenüber seinem formellen ausländischen Arbeitgeber, sondern (zumindest vorübergehend) gegenüber der Schweizer Niederlassung zu erbringen hat.

Der faktische Arbeitgeber in der Schweiz übt die Weisungshoheit aus und trägt die mit den Arbeitsleistungen zusammenhängenden Verantwortlichkeiten und Risiken. Bei Vorliegen einer faktischen Arbeitgeberschaft ist trotz fortgeführter Lohnzahlung aus dem Ausland und entgegen der Monteurklausel eine Quellensteuerpflicht in der Schweiz gegeben.

b. Entrichtung der Quellensteuer

Im Gegensatz zu anderen Staaten kennt die Schweiz grundsätzlich keinen direkten Steuerabzug bei Lohnzahlungen an Ihre Arbeitnehmer. Folglich sind die Arbeitnehmer die Steuerschuldner und für die Entrichtung der Steuern verantwortlich. Das von diesem Grundsatz abweichende Prinzip des direkten Steuerabzuges (Quellensteuer) wird vor allem bei ausländischen Arbeitnehmern angewandt, welche nicht die Niederlassungsbewilligung in der Schweiz besitzen. Für die in der Schweiz erbrachten Arbeitsleistungen wird bei den ausländischen Arbeitnehmern ohne Niederlassungsbewilligung ein Steuerabzug an der Quelle vorgenommen. Die abgezogene Quellensteuer besitzt grundsätzlich einen definitiven Charakter.

Im Gegensatz zu Schweizer Staatsbürgern müssen die quellensteuerpflichtigen Arbeitnehmer – unter Vorbehalt von einigen Ausnahmen – keine jährliche Steuererklärung einreichen. Die Quellensteuer wird durch den Bund wie auch die Kantone erhoben. Der Quellensteuerabzug durch den Arbeitgeber beinhaltet die Quellensteuern bei der Steuerhoheiten.

Die Abrechnung der Quellensteuer wird grundsätzlich im Kanton des Wohnsitzes des entsandten Mitarbeiters vorgenommen. Liegt der Wohnsitz ausserhalb der Schweiz, erfolgt die Abrechnung im Kanton des Sitzes oder der Betriebsstätte des Arbeitgebers in der Schweiz. Jeder Kanton hat seine eigene Gesetzgebung und Weisungen. Diese unterscheiden sich insbesondere bezüglich Abrechnungsverfahren und Abrechnungsfristen, die zum Teil recht kompliziert sind – zum Beispiel im Kanton Genf.

Bei der Abrechnung der Quellensteuer werden unterschiedliche und meist progressive Tarife angewandt – abhängig vom Zivilstand, der Religionszugehörigkeit und der Familiengrösse. In den Tarifen sind die steuerlichen Abzüge für Sozialversicherungsbeiträge sowie Berufsauslagen bereits erfasst. Die Höhe der Quellensteuer bezieht sich auf das Bruttoeinkommen, welches sämtliche Leistungen des Arbeitgebers beinhaltet – zum Beispiel: Familien-, Kinder-, Geburts- und Ausbildungszulagen, Gratifikationen, 13. Monatslohn, Überzeitenzschädigungen, Akkordzulagen, Kost und Logis, Leistungsprämien, Provisionen, Teuerungszulagen, Treueprämien, Ortszulagen, Ferien- und Feiertagsentschädigungen oder Unfall- und Krankheitstaggelder.

Falls der Arbeitgeber zu tiefe Quellensteuerabzüge von den Lohnzahlungen vornimmt, müssen diese vom Arbeitgeber nachbezahlt und beim Arbeitnehmer zurückgefordert werden. Bei inzwischen aufgelösten Arbeitsverhältnissen kann dies zu Problemen führen.

In den vorgenannten Fällen erfolgt die Besteuerung des Arbeitseinkommens mittels des Quellensteuerabzuges durch die Schweizer Betriebsstätte. Falls das Arbeitseinkommen nicht durch eine Schweizer Betriebsstätte getragen wird, müsste Mangels eines Schweizerischen Quellensteuerschuldners die Besteuerung für die Schweizer Arbeitstage allenfalls über das ordentliche Veranlagungsverfahren erfolgen – mittels der Einreichung einer regulären Steuererklärung.

3. Sozialversicherungen bei Entsendung

a. Versicherungspflichten

Gewöhnlich unterliegt ein Arbeitnehmer dem Sozialversicherungssystem desjenigen Landes, in welchem er arbeitet (Arbeitsortprinzip). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bildet die vorübergehende Entsendung. Um die Beitragspflicht in mehreren Staaten zu verhindern, wird die Zuteilung zwischen den Mitgliedstaaten der EU sowie der Schweiz geregelt. Für die Anwendung dieser Ausnahme muss der Arbeitnehmer die Bedingungen der Entsendung erfüllen und vor der Entsendung den Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit des Ursprungslandes unterlegen haben.

Bei einer Entsendung bleiben alle Rechte und Pflichten des Ursprungslandes massgebend. Dies ermöglicht dem Arbeitnehmer den Aufbau einer möglichst vollständigen Versicherungskarriere im Ursprungsland.

Ein von Deutschland in die Schweiz entsandter Arbeitnehmer unterliegt somit nicht den Regelungen der Schweizer Sozialversicherung. Der Arbeitgeber wie auch der Arbeitnehmer sind deshalb von der Schweizer Betragspflicht für die AHV, IV, Erwerbsersatzordnung, Arbeitslosen- und Unfallversicherung, berufliche Vorsorge (BVG) und der Familienzulagenordnung befreit. Es besteht kein Wahlrecht zwischen den Sozialversicherungssystemen der beteiligten Staaten.

b. Befreiung im Beschäftigungsstaat

Für den Nachweis der Unterstellung unter das Sozialversicherungssystem eines Staates gegenüber den Sozialversicherungsträgern der anderen beteiligten Staaten wird das Formular A1 benötigt (ehemals Formular E101). Es wird von einer Behörde des Wohnsitzstaates ausgestellt und bescheinigt die Anwendung deren Rechtsvorschriften bei einer Entsendung.

In der Regel wird ein Formular A1 über einen Zeitraum von 24 Monaten ausgestellt. Sollte die Entsendedauer diesen Rahmen übersteigen, muss eine Ausnahmegenehmigung beantragt werden. Hierfür versucht das Bundesamt mit der zuständigen ausländischen Behörde eine Ausnahmevereinbarung zu treffen. Gemäss Schweizer Praxis werden langfristige Entsendungen von bis zu sechs Jahren akzeptiert. Ohne das Formular A1 beziehungsweise nach Ablauf der Entsendungsfrist muss sich die Person dem Sozialversicherungssystem des entsprechenden Landes unterordnen und wird dort beitragspflichtig.

Nach Ablauf der Entsendung und einem weiteren Verbleib im Arbeitsstaat untersteht der Arbeitnehmer neu dem Sozialversicherungsrecht des Beschäftigungsstaates. Je nach der Arbeitssituation bestehen Möglichkeiten, dass sich der Arbeitnehmer zusätzlich im Ursprungsland weiterversichern kann. Er kann somit den vollständigen Versicherungsschutz im Ursprungsland ausbauen.

c. Krankenversicherung

Analog zur Befreiung der Sozialversicherungsbeiträge bei einer Entsendung kann der Arbeitnehmer von der Krankenversicherungspflicht im Beschäftigungsstaat befreit werden. Ein von Deutschland in die Schweiz entsandter Arbeitnehmer muss somit nicht in der Schweiz krankenversichert werden. Die Befreiung der Krankenversicherungspflicht wird auf Antrag hin vorgenommen. Dazu benötigt der Antragsteller eine europäische Versicherungskarte EHIC oder die Bescheinigung S1. Der Arbeitnehmer bleibt somit weiterhin in seinem Ursprungsland krankenversichert und besitzt nicht die Wahlmöglichkeit wie zum Beispiel ein Grenzgänger.

Zusammenfassung

Die Entsendung von Personal wird durch zahlreiche Abkommen erleichtert. Je nach Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses kann die Entsendung – beziehungsweise die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz – zur Steuerpflicht und einer anschliessenden Quellenbesteuerung führen.

Damit aus steuerlicher und sozialversicherungstechnischer Sicht keine Doppelbelastungen entstehen, empfiehlt sich eine frühzeitige Abklärung der erforderlichen Massnahmen.

(Bildquelle: © Neustockimages/iStockphoto)




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